TK: Frau Platz, Ernährungsbildung für Kindergartenkinder klingt fast schon nach Schulstress. Was haben Sie konkret in den Kitas gemacht?

Irina Platz: Nein, im Gegenteil. Essen und Trinken sind für jeden Menschen nicht nur lebensnotwendig, sondern gehören zu unserem Alltag und bereiten uns ja auch Genuss. Das Thema ist deshalb keine zusätzliche Belastung, sondern Ernährungsbildung kann sehr gut in den Kita-Alltag integriert werden.

Wir wollten die Verpflegungssituation in Modellkitas langfristig verbessern und die Einrichtungen individuell dabei unterstützen, regelmäßige ernährungsbildende Aktionen in den Kita-Alltag einzubauen. Zum Beispiel könnte ein wöchentlicher Koch-und-Back-Tag fester Bestandteil des Alltags werden, wodurch alle Kinder einer Kita lernen, wie bestimmte Speisen oder Backwaren zubereitet werden. Die Kinder können ganz nebenbei die Lebensmittelvielfalt erforschen und Wissenswertes vermittelt bekommen.

Irina Platz

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Irina Platz mit der von ihr entwickelten Jahreszeitenuhr

TK: Ziel des Projekts war es, Kitas besonders in jenen Regionen zu erreichen, die auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung einen hohen Beratungsbedarf aufzeigen. Anhand welcher Kriterien wurde der Schwerpunkt festgelegt?

Wir empfehlen den Kitas einen Mittagessenausschuss, in dem sie selbstständig Speisepläne auswerten.
Irina Platz

Platz: In erster Linie haben wir Kitas aus Landkreisen in die Auswahl einbezogen, die in den letzten Jahren bei den Schuleingangsuntersuchungen einen hohen Anteil übergewichtiger Kinder aufwiesen. Zu dieser Auswahl kam eine Risikoeinschätzung der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege Thüringen e. V., die sie unter anderem vom Kariesbefall der Kinder ableitete. Zusätzlich spielte die Eigenmotivation der Kitas, ihre Verpflegungssituation zu verbessern und die Ernährungsbildung offensiv anzugehen, eine Rolle.

TK: Und wie gut klappte die Ansprache der entsprechenden Landkreise und Kitas? Wie viele Kitas machten bei dem Projekt mit?

Platz: Das funktionierte sehr gut. Die angesprochenen Kitas haben sehr positiv auf die Kontaktaufnahme und das Thema Ernährungsbildung reagiert. Ich konnte recht schnell zehn Kitas aus acht Thüringer Landkreisen zur Teilnahme an meinem Projekt gewinnen.

TK: Wie schafften Sie es, eine gesundheitsfördernde Ernährung in den Einrichtungen zu verankern, auch wenn Sie nicht mehr dort sind?

Platz: In den Kitas wurden Schulungen für das pädagogische und nichtpädagogische Personal durchgeführt. Dieses Wissen nutzen die Pädagoginnen und Pädagogen und zum Beispiel auch das Küchenpersonal, um den Kita-Alltag langfristig gesundheitsförderlicher zu gestalten. Wir empfehlen den Kitas außerdem einen Mittagessenausschuss, in dem sie selbstständig die Speisepläne auswerten und die sich daraus ergebenden Veränderungen direkt mit dem Caterer klären.

Zusätzlich verblieben die erstellten Bildungsmaterialien in der Kita und können langfristig genutzt werden. Die Materialien wurden anhand der ermittelten Bedarfe der Einrichtungen erstellt und wurden auch vor Ort durch diese erprobt. Wir haben zum Beispiel eine Jahreszeitenuhr entwickelt, auf der man sehen kann, welches Obst und Gemüse je nach Jahreszeit gerade reif ist. Außerdem sind Wimmelbilder entstanden, mit denen die Kinder lernten, woher Lebensmittel kommen und was man daraus Leckeres in der Küche zaubern kann. Langfristig gesehen sollten die Hilfsmittel dann auch weiteren Kitas in Thüringen zur eigenständigen Ernährungsbildung zur Verfügung stehen.

TK: Wie sehr war Ihre Arbeit durch die Corona-Pandemie beeinflusst?

Platz: Die Corona-Pandemie hat den Beginn der praktischen Arbeit mit den Kitas maßgeblich um ein gutes halbes Jahr verzögert.

Da wir keine Dienstreisen machen duften und die Kitas zum Teil auch nach dem Lockdown im Frühjahr nicht betreten konnten, war es natürlich nicht möglich, persönliche Termine vor Ort wahrzunehmen. Aber auch Videokonferenzen waren nicht möglich, da dafür leider meist die Technik in den Kitas fehlte. Lediglich der Kontakt per Telefon blieb, worüber ich mich regelmäßig mit den Kitas über die aktuelle Lage und die Probleme ausgetauscht habe.

Anschließend habe ich die telefonische Betreuung der Kitas deutlich intensiviert und die von mir entwickelten Materialien so erarbeitet, dass sie auch nach einer telefonischen Instruktion meinerseits von der Kita genutzt werden konnten.

Aber es fehlte natürlich die Interaktion mit den Kindern; es ist für mich wichtig gewesen zu sehen, wie gut die Materialien und Aktionen bei den Kindern ankommen. Ich hoffte daher sehr, dass ich weiter intensiv vor Ort mit den Kitas und den Kindern arbeiten kann.

TK: Ich kann mir vorstellen, dass Sie mit den Kindern und dem pädagogischen Personal die eine oder andere kuriose Geschichte erlebt haben. Welche Vorstellung oder welches Erlebnis rund um die Ernährung hat Sie besonders zum Schmunzeln gebracht?

Platz: Ja, zum Beispiel nach einem Pressetermin zur Vorstellung des Projekts in einer Kita in Erfurt. Bei diesem Termin haben wir zusammen mit einigen Kindern der Kita kleine Speisen und einen Smoothie für das Buffet zubereitet, unter anderem einen Brotaufstrich mit Thunfisch. Während der Zubereitung äußerten die Kinder in den Gesprächen, dass sie keinen Fisch mögen und ihn auch nicht essen würden. Nach dem Probieren des Aufstrichs meinten aber genau diese Kinder, dass "er richtig lecker schmeckt". Die Kleinen haben sich voller Begeisterung über die Brote mit dem Thunfischaufstrich hergemacht, und auch den Pumpernickel, den wir für die Schnittchen verwendet hatten, haben die Kleinen ganz flott weggefuttert. Diese Szene zeigt einmal mehr, dass Kinder Speisen eher probieren und akzeptieren, wenn sie an deren Zubereitung beteiligt sind.

Zur Person

Irina Platz ist Diplom-Trophologin und war als Projektleiterin für das Kita-Projekt "Ernährungsbildung in Thüringer Kindertagesstätten" beim DGE e.V. - Sektion Thüringen für die Umsetzung verantwortlich.