Viele Studierende kämpfen mit gesundheitlichen Belastungen wie psychischen Erkrankungen oder neigen zu ungesunden Verhaltensweisen. Eine frühzeitige Prävention kann derartigen Problemen vorbeugen und die Qualität sowie den Erfolg im Studium erhöhen. Das Modellprojekt "Healthy Campus Mainz - gesund studieren" setzt hier an und bietet auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse gesundheitsfördernde Maßnahmen für die rund 30.000 Studierenden der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Das Projekt ist eine Kooperation der TK, der Universität Mainz und weiterer Partner, mit dem Ziel, die Gesundheit von Studierenden und Beschäftigten nachhaltig zu fördern. Das über mehrere Jahre angelegte Programm verbindet wissenschaftliche Expertise mit praxisnahen Angeboten rund um Bewegung, Ernährung, mentale Gesundheit und ein gesundes Lern- und Arbeitsumfeld. 

Anlässlich der Projektfortsetzung führten wir ein Interview mit Professor Dr. Pavel Dietz, dem Projektleiter von Healthy Campus Mainz und Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial-, und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz.

TK: Mit welchen spezifischen Belastungen sind Studierende in ihrem Alltag häufig konfrontiert, welche ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können?

Prof. Dr. Pavel Dietz

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Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial-, und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz

Prof. Dr. Pavel Dietz: Studierende sind vielfältigen Belastungen ausgesetzt, die je nach Studienfach und -abschnitt variieren können. In den ersten Semestern stehen oft Einführungsveranstaltungen und Selbstorganisation im Vordergrund, während Studierende fortgeschrittener Semester, Masterstudierende oder Promovierende mit komplexeren Inhalten und einem Studienalltag mit mehr Eigenverantwortung konfrontiert sind, was den Stress erhöhen kann. 

Prüfungsdruck, enge Zeitpläne und die Vereinbarkeit von Studium, Arbeit und Freizeit/Familie führen häufig zu Stress. Prof. Pavel Dietz

In Fächern wie Medizin, Jura oder Ingenieurwissenschaften ist der Lernaufwand durch Prüfungen und praktische Übungen hoch, während in geisteswissenschaftlichen Fächern z.B. der Umfang an Literatur und Theorien belastend sein kann. Praktische Anforderungen wie Laborphasen stellen zusätzliche Herausforderungen dar. Insgesamt führen hoch empfundener Prüfungsdruck, enge Zeitpläne und die Vereinbarkeit von Studium, Arbeit und Freizeit/Familie häufig zu Stress. Finanzielle Sorgen, fehlendes soziales Netzwerk und Zukunftsängste können die psychische Gesundheit zusätzlich belasten. 

Der Medienkonsum, vor allem die Nutzung sozialer Medien, kann zudem die Gesundheit negativ beeinflussen, etwa durch Schlafstörungen und Informationsüberflutung, was Konzentration und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Bewegung und Ernährung sind ebenfalls entscheidend: langes Sitzen, körperliche Beschwerden und eine unausgewogene Ernährung können das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Studierenden beeinträchtigen. Daher ist ein Ziel des Projekts Healthy Campus Mainz, die Studierenden durch präventive Angebote zu befähigen, ihr Studium aktiv, resilient und erfolgreich zu bestreiten.

TK: Die Mehrheit der Bevölkerung empfand ihren Alltag durch die Corona-Pandemie maßgeblich beeinflusst. Welche Auswirkungen hat diese Zäsur für die Lebenswelt von Studierenden, Ihrer Erfahrung nach, gehabt?

Prof. Dietz: Ein großes Problem während der Corona-Pandemie bestand darin, dass sich die gesundheitliche Debatte fast ausschließlich auf vulnerable Gruppen wie Ältere und Kranke sowie Kinder als potenzielle Überträger fokussiert hat und maßgeblich virologisch und intensivmedizinisch geprägt war. Die Studierenden bezeichneten sich später selbst in einem Brandbrief an die Bundesregierung als "die vergessene Zielgruppe", deren Belange während der Pandemie nicht ausreichend Gehör fanden. 

Junge Erwachsene, die häufig zum ersten Mal das heimische Umfeld zwecks Studiums verlassen haben, litten sehr unter Einsamkeit. Prof. Pavel Dietz

Doch vor allem dieses Kollektiv junger Erwachsener, die häufig zum ersten Mal das heimische Umfeld zwecks Studiums verlassen haben, litten sehr unter Einsamkeit, fehlender sozialer Interaktionen und Zukunftsängsten, was sich folglich zahlreicher Studien enorm schlecht auf die mentale Gesundheit ausgewirkt hat und bis heute nachwirkt. Zudem sind durch die Einführung von Kurzarbeit und Schließung kultureller Einrichtungen sowie Gastronomie, die Möglichkeiten für Nebenjobs weggefallen, wodurch sich die finanzielle Situation von Studierenden während der Corona-Pandemie verschlechtert hat, was wiederum zu Ängsten und mentalen Problemen führte.

Doch nicht nur die mentale Gesundheit von Studierenden wurde während der Pandemie beeinträchtigt, die mit der Pandemie verbundenen Einschränkungen des täglichen Lebens wirkten sich insbesondere auch auf das Gesundheitsverhalten aus. So konnten wir im Rahmen des Projekts Healthy Campus Mainz unter anderem empirisch zeigen, dass sich das Sitzverhalten, die körperliche Aktivität sowie der Medienkonsum in einem kritischen Maße verändert haben. Ob und inwieweit sich diese Verhaltensweisen nach der Pandemie wieder "normalisiert" haben, gilt es noch zu erforschen, was ein wissenschaftliches Ziel der Projektfortführung sein wird.

TK: Dank der finanziellen Förderung durch die Techniker Krankenkasse geht nun das Modellprojekt "Healthy Campus Mainz - gesund studieren" erneut an den Start. Erstmalig wurde das Modellprojekt zur Gesundheitsförderung und Prävention von Studierenden 2018 über einen Zeitraum von fünf Jahren ins Leben gerufen. Was waren Ihres Erachtens die wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus "Phase 1" des Projekts und planen Sie entsprechende Modifikationen für "Phase 2"?

Prof. Dietz: Die erste Projektphase war geprägt von einem unvorhersehbaren, nie zuvor dagewesenen Ereignis, der Corona-Pandemie. Dementsprechend mussten wir unseren "Fahrplan" nach gut eineinhalb Jahren Laufzeit komplett neugestalten. Für Phase 2 wünsche ich mir daher mehr Konstanz und Planungssicherheit, was uns durch die Realisierung eines großen Meilensteins, nämlich der Verstetigung des Projekts an der Universitätsmedizin Mainz, bereits gelungen ist. Wissenschaftlich werden wir die durch die Pandemie entstandene Forschungslücke zu Gesundheit, Gesundheitsverhalten sowie post-pandemischen Belastungen und Beanspruchungen von Studierenden in einer durch Klimawandel, Kriege und Digitalisierung geprägten Welt, empirisch bearbeiten. Auf Basis dieser empirischen Befunde werden anschließend zeitgemäße evidenzbasierte Maßnahmen entwickelt und kontinuierlich evaluiert, um die individuellen gesundheitlichen Belange der Studierenden in Mainz nachhaltig zu adressieren. Der studentischen Lehre ist hierbei besondere Relevanz beizumessen, da man durch sie alle Studierende der Universität erreichen kann.

Zur Person

Prof. Dr. phil. Pavel Dietz leitet seit August 2023 das Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin an der Universitätsmedizin Mainz. Er studierte Sportwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und promovierte 2014 im Bereich Sportmedizin. Nach Forschungsstationen in Mainz, Graz, Johannesburg und dem KIT habilitierte er 2017 im Fach Public Health. Im Jahr 2018 kam Dietz zur Leitung des Projekts "Healthy Campus Mainz - gesund studieren" an die Universitätsmedizin Mainz zurück, wo er im Februar 2022 zum Professor ernannt wurde. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung in verschiedenen Lebenswelten.