TK: Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet derzeit mit Hochdruck an der Vorlage des Gesetzentwurfes zur Krankenhausreform. Bund und Länder hatten sich im Vorfeld u.a. bereits auf die Einteilung der Leistungen in Leistungsgruppen verständigt. Was sind nun die nächsten Schritte?

Dr. Christos Pantazis: Die anstehende Krankenhausreform besteht bei weitem mehr als nur aus der Einführung von medizinisch-fachlichen Leistungsgruppen, obwohl diese bereits einen wichtigen Baustein hin zur Sicherung und Steigerung der Versorgungsqualität darstellen. Wir streben eine Reform an, die die Patientensicherheit in den Vordergrund stellt, sowie die massive Ökonomisierung durch eine Überbetonung von Fallpauschalen reduziert. Fakt ist, wir dürfen nicht zu lange mit der Reform warten. Denn die Überbetonung der Fallpauschalen bringt etliche Krankenhäuser aufgrund sinkender Fallzahlen bereits jetzt in finanzielle Schwierigkeiten.

Mit der tiefgreifendsten Reform seit 20 Jahren ist es unser erklärter Wille, für mehr Versorgungssicherheit, Behandlungsqualität sowie Entbürokratisierung im stationären Bereich zu sorgen. Wir wollen Krankenhäusern mithilfe der erlösunabhängigen Vorhaltevergütung einen Teil des ökonomischen Drucks nehmen, damit sich Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte wieder mehr auf das Wesentliche konzentrieren können: die Patientinnen und Patienten.

Die Bund-Länder-Gruppe hat sich am 10. Juli auf ein breit getragenes Eckpunktepapier verständigt. Auf dieser Basis erfolgt unter der Federführung einer hierfür eingerichteten Redaktionsgruppe die Erstellung eines Referentenentwurfs, den wir in den kommenden Wochen erwarten.

Wir streben eine Reform an, die die Patientensicherheit in den Vordergrund stellt, sowie die massive Ökonomisierung durch eine Überbetonung von Fallpauschalen reduziert. Dr. Christos Pantazis

Dr. Christos Pantazis

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Dr. Christos Pantazis, Bundestagsabgeordneter und stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

TK: Diskussionen gibt es derzeit insbesondere um das Thema Transparenz z.B. bei der Leveleinteilung der Krankenhäuser. Im niedersächsischen Krankenhausgesetz hat man Versorgungsstufen definiert. Wie stehen Sie in dieser Diskussion?

Dr. Pantazis: Wir haben am 21. September 2023 mit der ersten Lesung des Krankenhaustransparenzgesetzes den ersten Baustein für eine längst überfällige Krankenhausreform gelegt. Mit dem Transparenzverzeichnis sollen Patientinnen und Patienten unkompliziert und niedrigschwellig an Informationen zu Qualitätsaspekten, Personalausstattung, Leistungen und Fallzahlen erhalten, um dann eigenständig eine qualitätsorientierte Auswahlentscheidung treffen zu können.

Im Rahmen der Diskussion über die Einführung von bundeseinheitlichen Versorgungsstufen mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass diese mit den Ländern nicht konsentierbar war. Sie befürchteten hierüber eine Einflussnahme des Bundes auf die Länderhoheit der Krankenhausplanung. Dem ist aber nicht so. Schließlich ist uns der verfassungsrechtliche Rahmen in der Krankenhausplanung als auch -finanzierung sehr wohl bewusst. Zwar haben wir uns als Fortschrittskoalition in unserem Koalitionsvereinbarung auf die Einführung von Versorgungsstufen verständigt, jedoch hat die jetzt angestrebte Levelzuordnung in Krankenhaustransparenzgesetz lediglich deskriptiven, normativen Charakter. Letzteres auch entgegen dem ursprünglichen Vorschlag der Regierungskommission.

Schließlich hat die nun vorgenommene Zuordnung weder Einfluss auf die Höhe der Vorhaltepauschalen oder Krankenhausvergütung noch wird sie einen Einfluss auf die Planungshoheit der Länder haben. Versorgungsstufen finden für eine verständliche und gut zugängliche Einteilung der Krankenhäuser im Rahmen der Transparenzoffensive Anwendung und sorgen damit für mehr Patientensicherheit und Versorgungsqualität. Darauf sollten wir uns gemeinsam - Bund und Länder - im Sinne der Patientensicherheit konzentrieren.

TK: Wo gibt es Kompromisslinien zwischen Bund und Land im Einigungsprozess?

Dr. Pantazis: Kompromisslinien bestehen auf den meisten Ebenen. Was es noch zu klären gibt, sind Detailfragen. Ich möchte nochmal betonen: 14 Bundesländer haben dem Eckpunktepapier am 10. Juli 2023 zugestimmt. Die Arbeitsprozesse in der Redaktionsgruppe zur Krankenhausstrukturreform basieren genau auf dieser Einigung.

Bund und Bundesländer eint die Einsicht, dass es eine Reform geben muss, um den stationären Sektor zu modernisieren und zukunftsfest aufzustellen. Denn es ist allen Beteiligten klar: Ohne eine tiefgreifende Reform droht der stationären Versorgung unter den heutigen Bedingungen eine kalte Strukturbereinigung, die unweigerlich auch Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit hätte.

Das kann auch nicht im Sinne der Länder sein, die sich aktuell noch kritisch zur Reform äußern beziehungsweise diese zeitlich weiter verschieben wollen.

Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten muss für uns im Fokus stehen und weniger anstehende Landtagswahlen.

Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten muss für uns im Fokus stehen und weniger anstehende Landtagswahlen. Dr. Christos Pantazis

TK: Wie sehen Sie die Finanzierung der Reform?

Dr. Pantazis: Im Eckpunktepapier haben wir uns darauf verständigt, dass die strukturverbessernden Maßnahmen für Krankenhäuser aus Mitteln eines Krankenhaustransformationsfonds, der von Bund und Ländern finanziert wird, getragen werden soll.

Die Finanzierung der Vorhaltekosten wird aus den DRGs ausgegliedert, daher müssen streng genommen nach Abschluss der Reform keine neuen Mittel in die Finanzierung der Krankenhäuser fließen. Es findet lediglich eine Verlagerung der Finanzierungsströme statt. Und während wir im Rahmen der Betriebskostenerwirtschaftung den Fallpauschalen nun weniger Platz einräumen und stattdessen auf eine erlösunabhängige Vorhaltefinanzierung setzen, um ein stabiles finanzielles Fundament zu schaffen, sind die Länder gleichzeitig aufgefordert ihren Investitionsverpflichtungen spürbar nachzukommen.

Das gilt leider auch für Niedersachsen. Ich nehme allerdings wohlwollend wahr, dass im Sommer dieses Jahres hier auch ein zusätzliches Investitionsprogramm aufgelegt wurde, um die Investitionen an den Krankenhäusern zu fördern. Aber diese Bereitschaft, der verfassungsrechtlichen Verpflichtung nachzukommen, liegt bei weitem nicht bei allen Bundesländern vor.

TK: Wie steht es seit der Umsetzung des Krankenhauszukunftsgesetzes um die Digitalisierung der Kliniken?

Dr. Pantazis: Das Krankenhauszukunftsgesetz war ein großer Erfolg. Mit den über vier Milliarden Euro für die Modernisierung von Krankenhäusern wurde bereits in der vergangenen Legislaturperiode erheblich in die Digitalisierung der stationären Versorgung investiert. Und diese Investitionen sind unumgänglich, wenn die Versorgungsqualität an Krankenhäusern verbessert werden soll. Schließlich ist es von großer Bedeutung, die Digitalisierung im Blick zu haben.

Das beweisen auch die mehr als 6.000 eingegangenen Förderanträge für solche Digitalisierungsvorhaben. Neben den generellen Digitalisierungsbestrebungen an Krankenhäusern wurde auch die Vernetzung und Kooperation zwischen Krankenhäusern im Rahmen dieses Gesetzes gefördert. Das hat die Behandlungsqualität und die Versorgungssicherheit gesteigert. Und das wiederum streben wir im Gesundheitswesen an.

Neben den generellen Digitalisierungsbestrebungen an Krankenhäusern wurde auch die Vernetzung und Kooperation zwischen Krankenhäusern im Rahmen dieses Gesetzes gefördert. Dr. Christos Pantazis

TK- Bonusfrage: Sie sind in Hannover geboren und leben in Braunschweig. Da stellt sich schnell die Frage: 96 oder Eintracht?

Dr. Pantazis: Als Sozialdemokrat halte ich es politisch selbstverständlich mit der Farbe Rot. Beim Fußball sind aber Blau und Gelb, die Farben unserer Braunschweiger Eintracht, meine Bekenntnis. Die Eintracht ist in Braunschweig unheimlich tief verwurzelt und auch mich hat sie mittlerweile in ihren Bann gezogen. Daher gilt die Losung: Einmal Löwe, immer Löwe! Deshalb drücke ich als Braunschweiger mit hannoverschem Migrationshintergrund beim Fußball unseren Spielern in Blau-Gelb die Daumen. Die letzten Jahre unserer Eintracht waren eine verrückte Achterbahnfahrt, weshalb ich hoffe, dass wir uns nun etwas stabilisieren und auch diese Saison wieder in der zweiten Liga halten können. Auf die beiden Derbys gegen Hannover freue ich mich natürlich besonders!

Zur Person

Dr. Christos Pantazis ist der direktgewählte Braunschweiger Bundestagsabgeordnete und stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Von 2013 bis 2021 war er Abgeordneter im Niedersächsischen Landtag und dort unter anderem stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Mit der Wahl in den Deutschen Bundestag wurde Dr. Pantazis in den Ausschuss für Gesundheit gewählt und ist dort für die Themenbereiche stationäre Versorgung, Finanzierung und Wettbewerb der Gesetzlichen Krankenversicherung (GVK) sowie Beschäftigte in Krankenhäusern zuständig. Als Mediziner war er fast zehn Jahre am Städtischen Klinikum Braunschweig als Neurochirurg tätig und kennt die Herausforderungen im Gesundheitswesen aus der Praxis.