Kaum ein anderer Sektor vereint gesellschaftliche Bedeutung und ökonomische Stärke wie die Gesundheitswirtschaft. Mit über 400 Milliarden Euro Umsatz jährlich gehört sie zu den treibenden Kräften der deutschen Wirtschaft - noch vor Maschinenbau und Autoindustrie. Rund sechs Millionen Beschäftigte sichern hierzulande die Versorgung, jeder siebte Arbeitsplatz hängt unmittelbar an der Medizin, der Pflege oder der Forschung. Allein in Hessen sind es mehr als 400.000 Menschen, die tagtäglich unverzichtbare Arbeit leisten.

Zahlen des Statistischen Landesamtes belegen, dass die hessische Gesundheitswirtschaft im Jahr 2024 preisbereinigt um 0,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen ist - ein stärkerer Zuwachs als in der Gesamtwirtschaft, deren Bruttowertschöpfung lediglich um 0,6 Prozent stieg. In nahezu jeder anderen Branche würde diese Steigerung als Erfolg gewertet. Doch stattdessen gelten steigende Zahlen im Gesundheitssystem als Warnsignal, denn sie bedeuten auch immer eine höhere Belastung für Versicherte und Arbeitgeber.

Wachstum versus Ausgaben

Parallel zum Wachstum der Gesundheitswirtschaft ziehen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen spürbar an. Die Zusatzbeiträge haben ein historisches Hoch erreicht und die 40-Prozent-Grenze der Lohnnebenkosten wurde bereits gerissen. Ohne tiefgreifende Reformen oder staatliche Zuschüsse wird das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen im kommenden Jahr voraussichtlich auf bis zu acht Milliarden Euro anwachsen - eine nachhaltige Trendwende ist derzeit nicht in Sicht.

Systemstabilisierender Faktor

Ein weiteres Problem ergibt sich, weil immer mehr Menschen die höheren Beiträge nicht mit einem erkennbaren Leistungszuwachs verbinden. Sie bemerken vielmehr einen erschwerten Zugang zu medizinischen Leistungen, insbesondere bei der Terminvergabe. Fast jeder Zweite ist mit dem deutschen Gesundheitssystem nicht zufrieden - das ist das Ergebnis einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der TK.

Diese Entwicklung trifft den Kern unseres solidarischen Gesundheitssystems - und damit auch das gesellschaftliche Empfinden von Sicherheit. Wenn der Eindruck entsteht, dass steigende Beiträge nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur Versorgung stehen, leidet das Vertrauen in unser System. Doch dieses Vertrauen ist elementar: Ein leistungsfähiges Gesundheitswesen ist mehr als ein Wirtschaftsfaktor - es ist eine tragende Säule sozialer Stabilität und demokratischer Legitimation.

Potenzial nutzen

Die Entwicklung unseres Gesundheitssystems, insbesondere der gesetzlichen Krankenkassen, ist nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderung. Das Potenzial der Branche ist groß - es braucht aber dringend mutige und weitsichtige Reformen. Letztendlich entscheidet sich daran, ob das Gesundheitssystem seine doppelte Rolle als wirtschaftlicher Motor und solidarisches Fundament der Gesellschaft auch künftig erfüllen kann.