TK: Herr Mende die ambulante Versorgung soll laut Koalitionsvertrag durch verschiedene Instrumente verbessert werden, z.B. Primärversorgungszentren oder Regionale Gesundheitszentren (RGZ). Worauf kommt es Ihrer Meinung nach am meisten an, wenn diese umgesetzt werden und welche Instrumente sehen Sie kritisch?

Ulrich Mende: Die Patientinnen und Patienten sollen Zugang zu einer guten, flächendeckenden und wohnortnahen Gesundheitsversorgung haben. Darin sind wir uns in der Ampelkoalition einig, daran arbeiten wir akribisch. Bei der Weiterentwicklung der ärztlichen Versorgung geht es vor allem um die Zusammenarbeit des ambulanten und des stationären Sektors. Wir wollen die Sektorengrenze überwinden und die Ambulantisierung weiter vorantreiben.

In dieser Legislatur haben wir in Hinblick auf die ambulante Versorgung schon wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht: Die Leistungen in der ambulanten Kinderheilkunde und die Kinder- und Jugendpsychiatrie sind durch die Entbudgetierung nicht mehr gedeckelt, wir treiben die Digitalisierung im Gesundheitswesen voran und wir führen eine sektorengleiche Vergütung ein.

Darüber hinaus befinden sich die zentralen Gesetze zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung noch in der Abstimmung innerhalb der Koalition. Hier werden wir einen Schwerpunkt auf die Versorgung in den Kommunen legen - unter anderem mit der Etablierung von Gesundheitskiosken, der Erleichterung zur Gründung kommunaler Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) und vielem mehr.

TK: Zurzeit stehen erhebliche Honorar-Forderungen seitens niedergelassener Ärztinnen und Ärzte im Raum. Ist die Verbesserung der Versorgung tatsächlich ein Geldproblem oder wo kann man Ihrer Ansicht nach ansetzen, um die ambulante Versorgung zu verbessern?

Mende: Ich kann die Forderungen nach weiteren Honorarerhöhungen grundsätzlich nachvollziehen, sehe angesichts der angespannten Lage, in der sich unsere Gesellschaft und unsere sozialen Sicherungssysteme befinden, aber keine Chance, diese derzeit auch umzusetzen. Weitere Belastungen für Beitragszahlerinnen und Beitragszahler können jedenfalls nicht die Lösung sein. Klar ist aber auch: Trotz der angespannten Haushaltslage setzen wir uns als SPD weiterhin für die Aufhebung der Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich ein - wie im Koalitionsvertrag vereinbart.

Bei der Verbesserung der Versorgung geht es aber nicht nur ums Geld. Wie ich bereits angesprochen habe, geht es vor allem auch darum, die vorhandenen Strukturen und die Sektoren besser miteinander zu vernetzen.

Dirk-Ulrich Mende

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SPD Bundestagsabgeordneter aus Niedersachsen

TK: Die Bundesregierung bereitet gerade zwei Digitalgesetze vor. Wo sehen Sie die wichtigsten Schwerpunkte?

Mende: Es gibt im Bereich der Digitalisierung einen großen Nachholbedarf. Mit den beiden Gesetzen packt die Koalition das jetzt an und wird die Digitalisierung unseres Gesundheitssystems entscheidend voranbringen. Es geht zum einen darum, den Alltag der Patientinnen und Patienten mit den Maßnahmen des Digital-Gesetzes zu unterstützen und zu erleichtern. Die elektronische Patientenakte und das E-Rezept sind hier die zentralen Bausteine.

Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz werden wir darüber hinaus die Forschung mit Gesundheitsdaten erheblich verbessern. Für eine moderne Gesundheitsversorgung ist die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Daten essenziell.

TK: In der Diskussion ist ebenso, den Kassen mehr Möglichkeiten zu geben, ihre Versicherten, wenn gewünscht mit datenbasierten Angeboten zu unterstützen und dazu den Paragraph 25b SGB V (Gesundheitsdatennutzungsgesetz) zu erweitern. Wie stehen Sie dazu?

Mende: Die Erweiterung ist gut. Wir wollen Vorsorge ermöglichen, die weitere Versorgung erfolgt dann natürlich beim Arzt. Der gezielte Hinweis auf Risiken wird erlaubt, die Verarbeitung der Daten erfolgt in einem engen Rahmen von erlaubten Zwecken. Wichtig ist, dass wir keine neuen Daten erheben müssen, sondern die Abrechnungsdaten genutzt werden, die ohnehin schon bei den Kassen liegen. Ich bin zuversichtlich, dass wir bald gute Beispiele sehen werden, und dann fragen wir uns vielleicht, warum wir das nicht schon längst so gemacht haben.

TK: Sie sind seit einem dreiviertel Jahr im Bundestag. Wie waren die ersten Monate?

Mende: Die ersten Wochen und Monate haben ungeheuer viele neue Eindrücke bei mir hinterlassen. Ich habe viele Menschen getroffen, die sich mit mir austauschen wollten und mich auf ihre persönlichen oder auf strukturelle Probleme und Veränderungsnotwendigkeiten angesprochen haben. Ich habe erleben können, dass ich tatsächlich auch etwas bewirken kann, wenn ich diese Wünsche und Themen vortrage. Das ist sehr befriedigend.

Wir stehen in Deutschland allerdings vor großen Herausforderungen - und das nicht nur im Gesundheitsbereich. Ich empfinde es als große Ehre, daran mitwirken zu dürfen, dass wir diese Herausforderungen gut bewältigen. Insofern bin ich in einer wirklich herausfordernden Zeit in den Bundestag nachgerückt. Die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt 2021 bringt weitere Herausforderungen mit sich und wird die Lösungskorridore weiter verengen. Hier hoffe ich, dass wir weiter den Mut haben, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen, um die Zukunft im Interesse der Menschen unseres Landes zu gestalten.