TK: Die bundesweite Krankenhausreform steht auch zu Beginn 2024 im Fokus. Bleibt die Krankenhausversorgung auch das Schwerpunktthema bei der TK in Niedersachsen?

Sabrina Jacob: Ja, auf jeden Fall. Die Krankenhäuser sind ein wichtiger Anker der niedersächsischen Gesundheitsversorgung. Gerade hier machen sich aber auch die derzeitigen Herausforderungen besonders bemerkbar. Niedersachsen hat im Jahr 2022 ein fortschrittliches Krankenhausgesetz umgesetzt, das Versorgungssicherheit und Qualität zum Ziel hat. Auf diese Ziele muss auch die zukünftige Krankenhausplanung ausgerichtet sein. Wichtig für eine neue Planung der Krankenhauslandschaft und Finanzierung ist, dass insbesondere hochspezialisierte Leistungen in Krankenhäusern erbracht werden, welche qualitativ, personell und technisch optimal für diese konkreten Behandlungen ausgestattet sind. Landesreform und Bundesreform fügen sich dabei wie Zahnräder ineinander. Der Kurs für hohe Qualität ist fest im Blick zu behalten.

Der Kurs für hohe Qualität ist fest im Blick zu behalten. Sabrina Jacob, kommissarische Leiterin TK-Landesvertretung Niedersachsen

Sabrina Jacob

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Leiterin TK-Landesvertretung Bremen und kommissarische Leiterin TK-Landesvertretung Niedersachsen

TK: Welche Auswirkungen haben die Reformbestrebungen von Bund und Land auf die regionalen Versorgungsstrukturen in Niedersachsen?

Jacob: Mit der Umsetzung der Niedersächsischen Krankenhausreform können erstmals in Regionen, in denen die Menschen sonst nicht adäquat versorgt wären, Krankenhausstandorte in Regionale Gesundheitszentren umgewandelt werden. Dies ist auch Teil der Reformbestrebungen auf Bundesebene. Im Bund müssen dafür noch weitere Planungs- und Finanzierungsvoraussetzungen geschaffen werden, mit denen dann auch in Niedersachsen die regionale Versorgungslandschaft ergänzt werden kann.

Insgesamt gilt es zu verhindern, dass es zu unkontrollierten Klinikschließungen kommt. Davon wären insbesondere Regionen betroffen, in denen das Versorgungsangebot bereits jetzt ausgedünnt ist. Dabei spielen die auf Bundesebene geplanten Vorhaltekosten für die Krankenhäuser eine wichtige Rolle. Vorhaltekosten sind ein geeignetes Mittel, um den Druck zur Mengenausdehnung zu begrenzen. Wichtig ist, dass die Krankenhausplanung und die damit einhergehenden Vorhaltekosten zielgerichtet am tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung ausgerichtet sein müssen und nicht dafür genutzt werden, bestehende Strukturen zu zementieren oder zusätzliche Bürokratie aufzubauen.

Wichtig ist, dass die Krankenhausplanung und die damit einhergehenden Vorhaltekosten zielgerichtet am tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung ausgerichtet sein müssen und nicht dafür genutzt werden, bestehende Strukturen zu zementieren oder zusätzliche Bürokratie aufzubauen. Sabrina Jacob, kommissarische Leiterin TK-Landesvertretung Niedersachsen

TK:  Was hat sich die TK im Themenkomplex Digitalisierung für 2024 vorgenommen?

Jacob: Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet zum Glück immer weiter voran. Leider kommt sie aber bislang noch nicht bei allen Menschen an. Deshalb ist es enorm wichtig, dass mit den Digitalgesetzen auf Bundesebene wieder Dynamik in das Thema Digitalisierung gekommen ist. Das gilt besonders für ein Flächenland wie Niedersachsen. Aber Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein. Viel mehr ist das Ziel Fachkräfte zu entlasten und Ressourcen bestmöglich einzusetzen sowie die Patientensicherheit weiter zu erhöhen. Dabei brauchen wir dringend mehr Nutzerfreundlichkeit und echte Mehrwerte, damit beispielsweise die elektronische Patientenakte (ePA) auch in der Breite genutzt wird. Dazu gehört auch die Anbindung des E-Rezepts an die elektronische Patientenakte "TK-Safe". 

Aber auch die Niedersächsische Landesregierung ist ganz konkret gefragt, die Digitalisierung weiter voranzutreiben: Wir fordern schon länger, dass Niedersachsen zehn Prozent der Investitionszuschüsse, die das Land an die Krankenhäuser gibt, für Maßnahmen zur besseren Digitalisierung verausgabt.

Darüber hinaus haben wir im Land eine sehr aktive StartUp-Szene und viele interessante Forschungsprojekte, z.B. im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Als TK sind wir mit diesen Partnern regelmäßig im Austausch und lernen bei gemeinsamen Veranstaltungen sowie Projekten viel voneinander. Das bleibt auch in diesem Jahr ein spannendes Feld! 

TK: Natürlich ist auch die Pflege ein wichtiges Thema in Niedersachsen. Welche Auswirkungen haben die bundespolitischen Reformen zu Leistung und Finanzierung und was ist wichtig für die Weiterentwicklung der niedersächsischen Pflegepolitik? 

Jacob: Die meisten Menschen wünschen sich, so lange wie möglich zuhause in ihrer vertrauten Umgebung bleiben zu können. Von den rund 543.000 Pflegebedürftigen in Niedersachsen werden etwa 390.000 zu Hause betreut - oft ganz oder teilweise von ihnen nahestehenden Personen. Dem wollte die Bundesregierung Rechnung tragen, indem für ambulant betreute Pflegebedürftige der Pflegegrade zwei bis fünf wurden sowohl die Beträge des Pflegegelds als auch der Pflegesachleistungen zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent angehoben wurden. Eine weitere Dynamisierung folgt ab 2025. Zusätzlich wurde auch der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld angepasst, das pflegende Angehörige beantragen können. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, kann aber nicht alles sein!

In diesem Bereich ist die Digitalisierung eine wichtige Stellschraube. Die Öffnung des Pflegehilfsmittelverzeichnisses für E-Lösungen wie technische Assistenz und Überwachungssysteme ist ein wichtiger Schritt, der weiter beschritten werden muss. Auch die neuen Zulassungsmöglichkeiten für digitale Pflegeanwendungen müssen konsequent genutzt und weiterentwickelt werden. Die Antwort auf die Rufe nach einer Entlastung der Pflegekräfte von den vielen bürokratischen Anforderungen ist ebenfalls eine gezielte Digitalisierung - das ist auch ein Thema der niedersächsischen Konzertierten Aktion Pflege (Kap.Ni). Es gibt im Pflegebereich viele Schnittschnellen z.B. im Kontakt zwischen Pflegeheimen, Ärzten und betreuenden Angehörigen. Es geht dabei um viele Details wie die Medikationspläne, die Anwendung von Heilmitteln, die Einweisung ins Krankenhaus oder die Entlassung. Ganz vieles in der Kommunikation davon lässt sich zwischen den Beteiligten digital gut erledigen, erspart eine Menge Verwaltung- und Dokumentationsaufwand und kann dazu beitragen, auch in dünner besiedelten Regionen die Versorgung sicherzustellen.

Mit Blick auf die laufend steigenden Eigenanteile in stationären Pflegeeinrichtungen ist auch das Land gefordert. Sabrina Jacob, kommissarische Leiterin TK-Landesvertretung Niedersachsen

Mit Blick auf die laufend steigenden Eigenanteile in stationären Pflegeeinrichtungen ist auch das Land gefordert. Durch die vollständige Übernahme der Investitionskosten in der stationären Pflege könnte Niedersachsen Pflegebedürftige und deren Angehörige massiv finanziell entlasten.

TK: Sie leiten aktuell zwei Landesvertretungen, die Landesvertretung Bremen und kommissarisch die Landesvertretung in Niedersachsen. Das ist sicherlich auch manchmal heraufordernd. Was machen Sie in Ihrer Freizeit, um den Akku wieder aufzuladen?

Jacob: Bei Spaziergängen oder Joggingrunden mit unserem Dalmatiner lasse ich mir gerne den Wind um die Ohren pusten, um den Kopf freizubekommen. Darüber hinaus habe ich seit einiger Zeit das Gitarrenspiel für mich entdeckt. Ich genieße es sehr, mich ganz auf das Instrument und die eigenen Finger zu konzentrieren und dabei den Rest der Welt für eine kurze Zeit auszublenden. Das ist für mich wie eine Art der Meditation und gibt Kraft für neue Aufgaben.

Zur Person

Sabrina Jacob leitet seit dem 1. März 2022 die Landesvertretung der Techniker Krankenkasse in Bremen und seit Dezember 2023 kommissarisch die TK-Landesvertretung Niedersachsen. In ihrer Tätigkeit verantwortet sie neben der gesundheitspolitischen Arbeit die Vertragsbeziehungen zu den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, Krankenhäusern, Pflegediensten und anderen Leistungserbringern. Ein weiterer Schwerpunkt der TK-Landesvertretung ist die landesweite Medienarbeit. 

Die 43-jährige Krankenkassenbetriebswirtin verfügt über langjährige Erfahrungen in der Gesundheitsbranche. Nach der Ausbildung bei der IKK Bremen und Bremerhaven wechselte sie 2002 zur BKK Airbus. Seit 2005 bei der TK in unterschiedlichen Bereichen beschäftigt, verantwortete sie ab 2012 den Bereich Gesundheitswesen der TK-Landesvertretung in Kiel. 2020 leitete sie das Dialog- und Contentmarketing-Team in der Unternehmenszentrale. 

Sabrina Jacob ist verheiratet und Mutter zweier Söhne.