TK: Frau Janssen, Sie sind Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Welche Themen stehen derzeit ganz oben auf der gesundheitspolitischen Agenda?

Anne Jannsen: Die Herausforderungen im Gesundheitswesen sind groß - und wir packen sie jetzt an. Mit dem Koalitionsvertrag haben wir den Anspruch formuliert, die Gesundheitsversorgung in Deutschland umfassend zu erneuern. Im Mittelpunkt stehen dabei die Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, die Krankenhausreform, die Verbesserung der ambulanten Versorgung und der Ausbau der Digitalisierung.

Im Mittelpunkt stehen dabei die Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, die Krankenhausreform, die Verbesserung der ambulanten Versorgung und der Ausbau der Digitalisierung. Anne Janssen, MdB (CDU)

Mir ist es besonders wichtig, dass Gesundheitspolitik nicht auf dem Papier steht, sondern konkrete Verbesserungen im Alltag der Menschen bringt. Dafür brauchen wir tragfähige Strukturen, mehr Entlastung für medizinisches Personal und eine stärkere Verknüpfung von ambulanter und stationärer Versorgung.

TK: Gerade in der ländlichen Versorgung sehen viele Bürgerinnen und Bürger Handlungsbedarf. Was tut die Politik, um ärztliche Versorgung in strukturschwachen Regionen nachhaltig zu sichern?

Janssen: Das Thema beschäftigt viele Menschen in meinem Wahlkreis - und völlig zu Recht. Eine wohnortnahe und erreichbare medizinische Versorgung ist keine Frage des Wohnorts, sondern eine Grundvoraussetzung für Lebensqualität.

Der Bund hat in den letzten Jahren Förderprogramme aufgesetzt, etwa zur Niederlassung von Hausärztinnen und Hausärzten auf dem Land oder zur Stärkung von Medizinischen Versorgungszentren. Außerdem setzen wir uns als CDU/CSU-Fraktion für die Erhöhung der Studienplatzkapazitäten und die Reform der Landarztquote ein.

Anne Janssen

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Mitglied im Bundestag (CDU) und Mitglied im Ausschuss für Gesundheit 

TK: Die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Dauerbrenner. Wie bewerten Sie die aktuellen Vorschläge zur Finanzierung und was müsste aus Ihrer Sicht strukturell verändert werden?

Janssen: Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem braucht eine solide Finanzierung. Aber die gesetzliche Krankenversicherung steht unter Druck - durch demografische Entwicklungen, medizinischen Fortschritt und nicht zuletzt durch politisch gewollte Leistungsversprechen ohne auskömmliche Gegenfinanzierung.

Die Ampelregierung hat die finanziellen Probleme bislang mit Beitragserhöhungen kaschiert - das ist aus meiner Sicht der falsche Weg. Wir brauchen endlich eine echte Strukturreform. 

Dazu gehört eine klare Prioritätensetzung bei den Leistungen, mehr Effizienz im System und eine stärkere Ausgabenkontrolle. Anne Janssen, MdB (CDU)

Ziel muss ein verlässliches Finanzierungskonzept sein, das Lasten fair verteilt, den Bundeshaushalt angemessen in die Verantwortung nimmt und so die Beitragssätze langfristig stabil hält.

TK: Die Krankenhausreform ist eines der zentralen Vorhaben der aktuellen Legislaturperiode. Welche Chancen sehen Sie in der Reform - und wo bestehen aus Ihrer Sicht noch ungelöste Probleme?

Janssen: Die Reform bietet grundsätzlich die Chance, Qualität stärker in den Mittelpunkt zu stellen und eine Überversorgung in Ballungsräumen sowie Unterversorgung auf dem Land zu verhindern. Ziel muss eine leistungsfähige, flächendeckende Krankenhauslandschaft sein - mit klaren Zuständigkeiten und fairer Finanzierung.

Allerdings gibt es noch viele offene Fragen. Die praktische Umsetzung in den Ländern, der notwendige Umbau der Strukturen und die Finanzierung der Transformationskosten sind bisher nicht ausreichend geklärt. Zudem fehlt mir der Blick auf die kleineren Häuser, die in der Fläche eine wichtige Rolle spielen.

TK: Ein Streitpunkt ist die geplante Einteilung von Krankenhäusern in Leistungsgruppen. Wie optimistisch sind Sie, dass die Krankenhausreform noch ein Erfolg wird?

Janssen: Ich bin grundsätzlich optimistisch, wenn die Reform pragmatisch angegangen und besser mit den Ländern abgestimmt wird. Die Einteilung in Leistungsgruppen kann mehr Transparenz und Qualitätssicherung bringen - aber nur, wenn sie nicht zum Selbstzweck wird.

In meinem Wahlkreis etwa sind die Wege zu spezialisierten Kliniken lang. Deshalb muss es Ausnahmen und regionale Anpassungen geben. Die stationäre Versorgung darf nicht nur auf dem Reißbrett geplant werden, sondern muss sich an der Lebensrealität der Menschen orientieren. Nur dann kann die Reform ein Erfolg werden.

Die stationäre Versorgung darf nicht nur auf dem Reißbrett geplant werden, sondern muss sich an der Lebensrealität der Menschen orientieren. Anne Janssen, MdB (CDU)

TK: Gesundheit ist nicht nur Bundes-, sondern auch Landesthema. (Wo) gibt es aus Ihrer Sicht noch Handlungsbedarf bei der optimalen Verzahnung von Bund, Ländern und Kommunen z.B. bei der stationären Versorgung oder der Versorgung älterer Menschen?

Janssen: Wir sehen in vielen Bereichen, dass die Abstimmung zwischen den Ebenen noch besser funktionieren muss. Das betrifft etwa die Krankenhausplanung (Aufgabe der Länder), die Investitionskostenfinanzierung (ebenfalls Aufgabe der Länder), aber auch die Verantwortung der Kommunen bei der Pflegeinfrastruktur.

Gerade bei der Versorgung älterer Menschen ist eine enge Verzahnung wichtig - vom Pflegeheim über ambulante Dienste bis zur hausärztlichen Betreuung. Hier müssen wir Doppelstrukturen abbauen und Versorgungsketten stärken.

Ich plädiere für mehr regionale Gesundheitskonferenzen, in denen alle Beteiligten - von der Kommune bis zur Kasse - an einem Tisch sitzen. Denn gute Versorgung entsteht nicht allein durch Gesetze, sondern durch Zusammenarbeit vor Ort.

Zur Person

Anne Janssen, geboren in Jever, absolvierte eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin am Krankenhaus Wittmund, wo sie 2002-2006 tätig war. Nach ihrem Lehramtsstudium unterrichtete sie seit 2013 an einer niedersächsischen Schule. Seit 2021 ist sie Mitglied im Deutschen Bundestag und arbeitet dort im Gesundheitsausschuss sowie stellvertretend im Ausschuss für Wirtschaft und Energie und im Tourismusausschuss. Anne Janssen ist zudem Vorsitzende des Arbeitskreis Küste der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.