TK: Professor Dr. med. Hönemann, ist es für ein Krankenhaus in einer ländlicheren Region schwieriger Ärztinnen und Ärzte zu rekrutieren? Was meinen Sie, woran das liegt?

Prof. Dr. Christian Hönemann: Das ist eine wichtige Frage, denn wir haben sehr lange darüber nachgedacht, woran das liegen könnte. Seit 20 Jahren bin ich Chefarzt in einem akademischen Lehrkrankenhaus der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in Vechta, welches sich circa 140 Kilometer westlich der MHH befindet. Wir arbeiten in einem Krankenhaus mit 313 stationären Betten sowie circa 20.000 stationären und 60.000 ambulanten Kontakten. Meine Abteilung versorgt die Anästhesie, die Intensivstation, den Rettungsdienst und die Schmerztherapie im Haus. Wir nehmen seit Jahren an der praktischen Ausbildung von Medizinstudierenden im letzten Jahr des Medizinstudiums teil (PJ-Programm der Medizinischen Hochschule Hannover).

Ja, ich finde es ist schwieriger für Krankenhäuser in der ländlichen Region ärztliches Personal von den Universitätskliniken zu rekrutieren. Im Prinzip gelingt dies fast nur, wenn man als leitende ärztliche Mitarbeitende des Krankenhauses möglichst frühzeitig in der medizinischen Lehre eingebunden wird. Je früher man Mitarbeitende an das Haus bindet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese auch für ein Haus in der ländlichen Region entscheiden. In den Universitätsstätten sind die umliegenden Krankenhäuser im städtischen Bereich den Studierenden bekannt und sie haben sich dort im sozialen Bereich eingerichtet. Somit ist eine Entscheidung, aus der Stadt aufs Land zu ziehen, eine aktive Entscheidung. Das heißt, das Krankenhaus auf dem Land muss gegenüber dem Krankenhaus in der Stadt einen Vorteil bieten.

Professor Dr. Chris­tian Höne­mann

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Chefarzt am Marienhospital in Vechta, Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin

TK: Kann man als Krankenhaus etwas dafür tun, dass sich Ärztinnen und Ärzte für ein Haus auf dem Land entscheiden? Haben Sie Beispiele für uns?

Hönemann: Ja, als Krankenhaus kann man eindeutig etwas dafür tun: Durch frühzeitiges Anbinden der Studierenden während des Studiums - durch gute Famulaturen, Praktika und besondere Kurse, die Universitätskliniken nicht anbieten können. Hierzu gehören beispielsweise Trauma-Seminare, Anästhesie-Kurzseminare, Unterstützung für das Schreiben von Doktorarbeiten aber auch die Betreuung der Doktorarbeit (viff-vechta.de). Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, die Mitarbeitenden eher an ein ländliches Haus zu binden. Den Studierenden bieten wir zudem freie Kost und Logis an. Wir helfen bei der Wohnungssuche und in der Probezeit bis eine eigene Wohnung gefunden wurde, können wir krankenhauseigene Wohnungen zur Verfügung anbieten.

TK: Oft wird in der öffentlichen Diskussion über den Mangel an Pflegekräften diskutiert, wie sieht es da bei Ihnen in Vechta aus?

Hönemann: Der Mangel an Fachkräften im Bereich der Pflege ist im ländlichen Bereich, ähnlich wie im städtischen Bereich, gravierend. Leistungen werden zum Teil durch Mangel an Fachpersonal eingeschränkt. In Vechta sieht es im Vergleich zu städtischen Häusern besser aus, jedoch ist auch bei uns der Mangel im Bereich der Pflege, der Fachkrankenpflege und der medizinischen Fachangestellten ausgeprägt.

Aktuell versuchen wir durch geordnete Integration von Kolleginnen und Kollegen aus nicht-europäischen Ländern einen Pflegemangel abzuwenden. Hier gibt es jetzt Kooperationen mit dem Iran, die sehr erfolgreich verlaufen. Dadurch wird eine Option geschaffen, den Pflegerinnen und Pflegern kurzfristig eine Anerkennung der ausländischen Qualifikationen zu ermöglichen.

TK: Die geplante Krankenhausreform in Niedersachsen sieht vor, dass sich Häuser stärker spezialisieren müssen, was halten Sie davon?

Hönemann: Ich finde es richtig, dass sich im Rahmen der geplanten Krankenhausreform in Niedersachsen die Häuser stärker spezialisieren müssen. Grundsätzlich ist das ein positiver Trend, der dazu führen wird, dass ein Teil der Krankenhäuser auch im ländlichen Bereich aufgrund von Versorgungsengpässen, ausgelöst durch Fachpflege- beziehungsweise Facharztmangel, ihre Tätigkeit einschränken müssen.

TK: Eine persönliche Frage zum Schluss: Was macht für Sie das Arbeiten in einer kleineren Stadt so attraktiv?

Hönemann: Diese Antwort fällt mir besonders leicht: Wir arbeiten in Vechta zwar im ländlichen Bereich, aber ich kann innerhalb von einer Stunde sowohl mit der Bahn als auch mit dem Auto drei große Zentren erreichen, mit allen Unterhaltungsmöglichkeiten, die Städte wie Bremen, Oldenburg und Osnabrück bieten. Ich selbst habe in mehreren großen Städten in Deutschland und den USA gewohnt. Dort war eine Anfahrt von einer Stunde zum Theater oder zur Oper normal, obwohl ich in der Stadt gewohnt habe.

In der Stadt sind Mietwohnungen teuer, Häuser mit Garten für viele Menschen kaum noch erschwinglich. Die Lebenshaltungskosten im ländlichen Bereich sind grundsätzlich günstiger als in Städten und es gibt im ländlichen Bereich einen deutlich besseren gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie gute nachbarschaftliche Verhältnisse. Man passt aufeinander auf. Es herrscht auch weniger Verkehr, sodass man ohne Angst zu haben mit dem Fahrrad auch abends zur Arbeit fahren oder seine Kinder mit dem Fahrrad zur Schule fahren lassen.

Nun ist Vechta - aus meiner Sicht - eine von den ländlichen Städten, die sehr attraktiv ist, mit einem hervorragenden Kino, mit vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten im Zentrum, mit guten kulinarischen oder gesellschaftlichen Möglichkeiten. Viele sind in ländlichen Städten in Vereinen organisiert wie Feuerwehr, Malteser Hilfsdienst, Kreisstraßenverkehrswacht, Schützen- und Sportvereine. Es gibt noch eine Vielzahl anderer Vereine, in denen man sich engagieren kann. Persönlich kann ich jedem nur raten, es wenigstens auszuprobieren, denn in der Regel fühlen sich unsere Mitarbeitenden in Vechta sehr wohl.