Kommissionen müssen schneller liefern - Koalitionsvertrag lässt Beitragsfrage für die gesetzlichen Krankenkassen ungelöst
Position aus Rheinland-Pfalz
Standpunkt von Jörn Simon, Leiter der TK-Landesvertretung in Rheinland-Pfalz, zu aktuellen Gesetzesvorhaben.

Nach etwa vier Wochen der Verhandlungen und Gespräche wurde im April 2025 der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD vorgestellt. Wie bei jeder Koalition besteht dieser aus Kompromissen zwischen den Parteien und einiges muss noch detaillierter ausgearbeitet werden. Aus Sicht der Techniker Krankenkasse (TK) und anderer Kassen wurde im Bereich der Finanzen der gesetzlichen Kranken- (GKV) und Pflegeversicherungen zu viel an Kommissionen und Arbeitsgruppen in die Zukunft delegiert. So ist geplant eine Kommission zu errichten, die Anfang 2027 erste Ergebnisse liefern soll. Das ist deutlich zu spät - so der allgemeine Konsens - und da scheint die Politik inzwischen auch gewillt, früher Resultate einzufordern. Aber braucht es wirklich noch neue Erkenntnisse zur Lage oder haben wir nicht vielmehr ein Umsetzungsproblem?
Jörn Simon
Die Entscheidung der neuen Gesundheitsministerin Nina Warken, bereits Mitte Mai 800 Millionen Euro Bundeszuschuss zum Auffüllen der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zur Verfügung zu stellen, zeigt, wie angespannt die Finanzlage der GKV ist. Neben dem Umstand, dass zum Jahresbeginn 82 von 94 Kassen ihren Zusatzbeitragssatz angehoben haben, acht Kassen dies seit dem Jahresanfang getan haben und mindestens sechs weitere dies beantragt haben! Auch der Vorstoß der SPD, die Beitragsbemessungsgrenze zu erhöhen, lässt erkennen, dass das Problem zwar richtig identifiziert, aber die Lösungen nicht nachhaltig gedacht werden. Das Finanzproblem ist nämlich weniger durch geringe Einnahmen als durch immer höhere Ausgaben bedingt.
Sofortprogramm nötig
Um das System wirksam und langfristig zu entlasten, braucht es also tiefgreifende strukturelle Veränderungen und eine effizientere Nutzung der vorhandenen Ressourcen, auch mit Blick auf den demografischen Wandel und den damit einhergehenden Fachkräftemangel. Dies wiederum benötigt Zeit. Daher wäre ein Sofortprogramm zur Stabilisierung der Finanzen dringend angezeigt. Kurzfristig wäre den Krankenkassen in Bezug auf die Ausgabenentwicklung zum Beispiel geholfen, wenn die Erhöhung des Herstellerabschlags bei Arzneimitteln, die Möglichkeit von Ausschreibungen in der Hilfsmittelversorgung und die Rückkehr zur Grundlohnsummenbildung bei Heilmitteln umgesetzt würden.
Bei Redaktionsschluss zeichnete sich aber eher ab, dass Gesundheitsministerin Warken weniger auf ein solches Sparprogramm als auf eine stärkere Steuerunterstützung setzt, die aber auf die Unterstützung des Finanzministers angewiesen sein wird. Dass Staatsaufgaben, wie die Übernahme der Krankenkassenbeiträge von Bürgergeldempfangenden oder andere sogenannte versicherungsfremde Leistungen, die von der GKV übernommen werden, aus Steuermitteln finanziert werden müssen - und nicht von den Beitragszahlenden und ihren Arbeitgebern, ist dabei schon lange bekannt.
Primärarztsystem: Guter Ansatz für eine bessere Versorgung
Ein positives Element des Koalitionsvertrages ist die Idee eines Primärarztsystems und die Einführung einer digitalen Ersteinschätzung. Um die Patientinnen und Patienten effizienter durch die Versorgungsstrukturen zu lenken, schlägt die TK vor, dass alle Patientinnen und Patienten eine digital gestützte einheitliche Ersteinschätzung durchlaufen. Dabei wird - egal ob die Menschen sich am Telefon, am Tresen in der Praxis oder in der Notaufnahme melden - anhand von einheitlichen und zuverlässigen Kriterien entschieden, wo sie mit ihren Symptomen am besten Hilfe bekommen. Das können je nach Krankheitsbild Apps, ein stärkeres Selbstmanagement, eine Delegation an nicht-ärztliches Fachpersonal, ein Hausarzttermin oder bei Bedarf auch ein Termin in die Facharztpraxis sein. Durch dieses System können Wartezeiten bei Fachärztinnen und Fachärzten und Arztkontakte insgesamt reduziert werden.
In Kombination mit der elektronischen Patientenakte ist es möglich, die Versorgung effizienter zu gestalten, da die Ärztinnen und Ärzte von Beginn an auf einen Blick alle Arztkontakte, Untersuchungen und Verschreibungen nachvollziehen können. So könnten beispielsweise Doppeluntersuchungen reduziert werden. In der Vorhabenplanung des BMG, die Mitte Juni bekannt wurde, wurde die Entwicklung eines Primärarztsystems zwar erwähnt, aber noch nicht priorisiert. Solche strukturellen Maßnahmen benötigen natürlich auch alle einen Vorlauf, bis sie zu wirken beginnen, aber hier gilt: besser eine gut durchdachte Reform als ein Schnellschuss.
Essenziell sind insgesamt eine verbesserte digitale Infrastruktur, Anpassungen im Datenschutz sowie Technologieoffenheit, beispielsweise auch in Bezug auf die Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen. Hier wirkt der Koalitionsvertrag hoffnungsstiftend und behält dabei die Privatsphäre und den verantwortungsvollen Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten im Blick. Bleiben wir zuversichtlich, dass sinnvolle Reformvorhaben bald auf den Weg gebracht werden, das Gesundheitswesen könnte diese gut gebrauchen.