Eines der, vielleicht sogar DAS zentrale Problem der Gesundheitsversorgung in Thüringen wird seit vielen Jahren diskutiert: Es gibt nicht ausreichend medizinisches Fachpersonal. Im Freistaat wurde schon viel länger als in den meisten anderen Teilen der Bundesrepublik sichtbar, was Dr. Bernhard Gibis, Leiter des Dezernats Ärztliche Leistungen und Versorgungsstruktur der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, inzwischen für ganz Deutschland attestiert: "Selbst wenn wir alles Geld der Welt hätten, hätten wir nicht die Menschen, um alle Strukturen aufrechtzuerhalten."

Auch, weil in einigen Krankenhäusern in Freistaat versucht wurde, Fachabteilungen zu erhalten, für die nicht ausreichend Ärztinnen und Ärzte arbeiten, um eine sichere Versorgung zu garantieren, gibt es seit 2017 die Facharztquote . Es gab vor ihrer Einführung hitzige Diskussionen. Die Umsetzung ist ebenfalls aus verschiedenen Gründen besprechungswürdig.

Das ändert nichts am wichtigen Grundgedanken der Quote: Im Sinne der Patientensicherheit müssen Klinikfachabteilungen mit einer gewissen Zahl an Fachkräften - in dem Fall Ärztinnen und Ärzten - ausgestattet sein. Wie diese Zahl genau lautet, wissen zum Beispiel medizinische Fachgesellschaften am besten.

Menschen nehmen Zusammenlegen von Fachabteilungen in Kauf

Diesen Grundgedanken trägt ein Großteil der Thüringerinnen und Thüringer mit. Drei von vier Befragten plädierten in einer Forsa-Befragung im Auftrag der TK dafür im schlimmsten Fall Fachabteilungen mit entsprechenden Abteilungen anderer Kliniken zusammenzulegen oder sogar zu schließen, wenn nicht genug Fachärztinnen, -ärzte und Pflegepersonal da sind, um rund um die Uhr gut behandeln zu können. Natürlich gibt es Sonderfälle, bei denen das nicht nötig ist. Aber um die geht es weder hier noch in der Thüringer Facharztquote.

Sichere Behand­lung wird bevor­zugt

Grafik zur Forsa-Frage, wie man mit dem Fachkräftemangel umgehen sollte.  Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Grafik zur Frage, wie man mit dem Fachkräftemangel umgehen sollte. 

Behandlungsqualität wichtiger als Wohnortnähe

Die Thüringerinnen und Thüringer wissen, dass es ausreichend qualifizierte Menschen braucht, um Behandlungsqualität zu ermöglichen. Ein weiterer entscheidender Faktor für eine gelungene Behandlung ist eine gewisse Routine.

Neun von zehn Thüringerinnen und Thüringer ziehen für eine anstehende, also planbare, Behandlung oder Operation ein Krankenhaus vor, das umfassende Erfahrungen mit der für sie anstehenden Behandlung oder Operation hat, auch wenn es weiter weg vom eigenen Wohnort ist als andere.

Behand­lungs­qua­lität ist wichtig

Grafik zur Forsa-Frage, wo man sich bei einer planbaren Operation behandeln lassen würde. Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
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Behandelnder Arzt und Qualitätsindikatoren ausschlaggebend für Klinikwahl

Auch wenn Wohnortnähe und Qualität nicht direkt gegenübergestellt werden, ist die untergeordnete Bedeutung, das behandelnde Krankenhaus schnell von zu Hause zu erreichen, unübersehbar: Die Nähe zum eigenen Wohnort sahen lediglich vier von zehn Befragte als wichtigen oder sehr wichtigen Aspekt, wenn sie eine für ihre anstehende Behandlung oder OP passende Klinik suchen. Die Anzahl der dort durchgeführten OPs im sie selbst betreffenden Bereich bewerten acht von zehn Thüringerinnen und Thüringer als wichtig oder sehr wichtig.

Qualitätsbewertungen objektiver Datenbanken (94 Prozent), Informationen zu Hygiene und Infektionsschutz (93 Prozent) und die Zahl von Komplikationen (90 Prozent) sind für neun von zehn oder sogar mehr Befragte wichtig oder sehr wichtig.

Den höchsten Stellenwert für die Entscheidung hat die Empfehlung durch den behandelnden Arzt beziehungsweise die behandelnde Ärztin: 95 Prozent der Menschen im Freistaat sehen diese Einschätzung als wichtiges oder sehr wichtiges Kriterium an, wenn Sie sich für eine Klinik entscheiden.

Persönliche Ängste nicht gegen Daseinsvorsorge ausspielen

All diese Einschätzungen zeigen, dass eine Versorgungsplanung, die an der Fachkräfterealität und Qualitätsindikatoren orientiert ist, von einer breiten Mehrheit der Menschen akzeptiert wird.

Natürlich ist ein Krankenhaus oder eine Fachabteilung immer auch Wirtschaftsfaktor und nicht zuletzt Arbeitgeber für die Region. Deswegen ist es absolut nachvollziehbar, wenn Menschen Angst haben, sobald die Rede davon ist, einen Klinikstandort zu verändern. Menschlich ist auch verständlich, dass diese Angst zu Wut werden kann.

Gleichzeitig muss es zuerst darum gehen, dass Gesundheitsversorgung sicher ist und möglichst auch in ein paar Jahrzehnten noch funktioniert. Ein zum Regionalen Gesundheitszentrum umstrukturiertes Krankenhaus bleibt Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor. Zudem sorgt es dafür, dass Gesundheitsversorgung deutlich zielgenauer passiert.

Thüringen muss in die sektorenübergreifende Versorgungsplanung einsteigen, schnell und ganz besonders in ländlichen Regionen, die vom Bevölkerungsrückgang besonders betroffen sind und deren Attraktivität für Fachkräfte derzeit schwindet. Die dort vorhandenen Versorgungsstrukturen sinnvoll weiter zu betreiben, ist schlicht unmöglich.

Studienaufbau der Forsa-Umfrage

Im Januar 2021 befragte Forsa mittels computergestützter Telefoninterviews 1.500 Menschen in fünf Bundesländern zu Gesundheitsthemen, davon 300 in Thüringen. Sie repräsentieren einen Querschnitt der erwachsenen Bevölkerung im Bundesland. Gewichtet wurde die Personenstichprobe nach Alter, Geschlecht und Bildung.