TK: Die Landeszentrale für Gesundheitsförderung (LZG) blickt in diesem Jahr auf 50 Jahre Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz zurück. Wie haben sich die Inhalte und Aufgaben seit den Anfängen verändert und wie sieht ihre Bilanz für die Vergangenheit aus? 

Dr. Matthias Krell: Die LZG hat sich in den letzten 50 Jahren in der Themenvielfalt, aber auch in ihrem Selbstverständnis und ihren Arbeitsweisen kontinuierlich weiterentwickelt. Hervorgegangen ist der Verein aus dem Landesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung. Bei der Gründung 1973 stand LZG noch als Abkürzung für Landeszentrale für Gesundheitserziehung. Belehrung über gesundheitsschädliche Lebensweisen und Abschreckung mit erhobenem Zeigefinger waren gängige methodische Vorgehensweisen. Neben suchtpräventiven Themen spielten Bewegungsförderung und gesunde Ernährung eine große Rolle. Ab den 1980er Jahren nahm die LZG verstärkt die Schule als Lernort für gesundes Verhalten in den Blick und baute ein "Lehrerinformationszentrum" auf - mit vielfältigen Materialien und Fortbildungsangeboten für Lehrkräfte. Besondere Herausforderungen brachte die AIDS-Epidemie mit sich. Mit einem auf Information, Entstigmatisierung und Solidarität mit Betroffenen basierenden Konzept erreichte die LZG breite fachliche Anerkennung.

Dr. Matthias Krell

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Geschäftsführer der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)

Heute verfolgen wir vornehmlich eine lebensweltorientierte Gesundheitsförderung mit dem Ziel, Strukturen für gesundheitliche Chancengleichheit aufzubauen. Dafür sind die Kommunen wichtige Partner, weil hier viele Menschen - besonders auch aus benachteiligten Bevölkerungsgruppen - von gesundheitsfördernden Strukturen und Angeboten profitieren. Nach Jahren, in denen mit dem demografischen Wandel assoziierte Themen großes Gewicht hatten, steht nun die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mehr im Vordergrund. In der Lebenswelt Kita ist die Techniker Krankenkasse ein wichtiger Partner unserer Arbeit.

Nach 50 Jahren können wir eine positive Bilanz ziehen. Die LZG ist nach wie vor gefragt und setzt innovative Konzepte um - im Zuge der Corona-Pandemie etwa das viel beachtete Projekt ImpfLotsen. Dabei ist erfreulich, dass wir immer wieder auf die verlässliche und wertvolle Zusammenarbeit mit den gesetzlichen Krankenkassen zählen können.

TK: Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Wo sehen Sie die LZG in fünf Jahren, gerade auch im Bereich von digitalen Angeboten?

Dr. Krell: Wir sind dabei, unsere digitalen Angebote kontinuierlich zu erweitern. Gerade haben wir mit dem als MrWissen2go bekannten Journalisten und YouTuber Mirko Drotschmann fünf Videoclips zur Aufklärung über HIV/AIDS und andere sexuell übertragbare Infektionen produziert. Sie vereinen medizinische Expertise mit jugendgerechten Erklärungen und Statements von Betroffenen. Das macht sie glaubwürdig und wertvoll für die Präventionsarbeit an Schulen. Auch zum Thema Organspende bieten wir Videos bei YouTube an. Außerdem erreichen wir mit dem Instagram-Kanal der Initiative Organspende immer mehr junge Leute. Viele Fortbildungen und Vorträge bieten wir digital an, auch im Bereich der Gesundheitsförderung für erwerbslose Menschen. Gerade bei Menschen mit begrenzten finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten kommen digitale Angebote gut an und tragen zur gesundheitlichen Chancengleichheit bei. 

Gleichwohl gewinnen auch personal-kommunikative Konzepte zunehmend an Bedeutung, insbesondere, um vulnerable Dialoggruppen zu erreichen. Wir registrieren, dass sich das persönliche Gespräch im unmittelbaren Lebensumfeld als wirkungsvoll erweist, um die Gesundheit von Menschen mit sozialen, kognitiven oder sprachlichen Einschränkungen zu unterstützen. 

TK: Was sind aktuell die besonderen Herausforderungen im Bereich der Gesundheitsförderung? 
 
Dr. Krell: Hier sind natürlich die Folgen des Klimawandels zu nennen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet den Klimawandel als "die größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit". Die vielfältigen Folgen für die Gesundheit treffen - wie auch in anderen Bereichen - vor allem die sogenannten vulnerablen Gruppen, also alte Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen und insgesamt Menschen, die in einem schwierigen sozialen Umfeld leben oder nicht von unserem Gesundheitssystem erfasst sind. Aus der Perspektive der Gesundheitsförderung geht es zunächst vor allem um die Vermittlung von Informationen, wie man im Alltag der Hitze begegnen kann. 

Aber auch die psychische Gesundheit vieler Menschen leidet unter den Folgen des Klimawandels. Hinzu kommt, dass die Entbehrungen der Corona-Pandemie, der Krieg in Europa, aktuell der eskalierende Nahostkonflikt sowie die Energiekrise mit ihren finanziellen Folgen deutliche Spuren hinterlassen. Die daraus resultierenden Unsicherheiten und Ängste können nicht einfach "wegtherapiert" werden. Hier muss die Gesundheitsförderung Wege finden, Menschen in ihrer Resilienz durch Selbstwirksamkeit zu stärken.

TK: Am 6. November veranstaltete die LZG einen Fachtag für Teilnehmende aus Kitas und Schulen unter dem Motto: "Brücken statt Brüche im Übergang von der Kita in die Grundschule - Den Schätzen auf der Spur". Das freut uns als beteiligte Kasse sehr. Weshalb ist gerade dieser Lebensabschnitt so wichtig für die Entwicklung der Kinder und welche Rolle spielen dabei die Angebote der LZG?

Dr. Krell: In den Lebenswelten Kita und Schule werden wichtige Grundsteine für die weitere psychische und körperliche Gesundheit gelegt. Das Eltern-Programm "Schatzsuche - Schule in Sicht" unterstützt Kinder und ihre Familien beim Übergang von der Kita in die Grundschule. In dem Programm werden die Eltern dazu motiviert, die Ressourcen ihres Kindes zu entdecken und zu fördern sowie Zutrauen in die eigene Erziehungsfähigkeit zu gewinnen. Das wiederum wirkt sich positiv auf das Selbstvertrauen und die psychische Widerstandsfähigkeit der Kinder aus. Beides sind für die Schule wichtige Faktoren. Auf dem Fachtag wurde deutlich: Wie gut der Einstieg in die Schullaufbahn gelingt, hat Auswirkungen auf die weitere Bildungsbiografie der Kinder, auf ihre Lust am Lernen, ihr Selbstbild und ihre psychische Gesundheit. Resilienzförderung im frühen Lebensalter ist damit ein Weg, die Chancengleichheit in der Bildung zu erhöhen.

Einem vergleichbaren Ziel dient auch das Projekt Schulgesundheitsfachkräfte, das wir gemeinsam mit dem Bildungsministerium und der Universitätsmedizin Mainz durchführen. Gesundheitliche Einschränkungen und Krankheiten sind bedeutende Einflussgrößen, die Kinder beim Lernerfolg benachteiligen können. Bislang 26 "Schulkrankenschwestern" arbeiten als Beschäftigte der LZG an ebenso vielen Grundschulen in Rheinland-Pfalz im Einsatz für mehr Gesundheit, mehr Teilhabe und mehr Chancengleichheit für die betroffenen Kinder.

Zur Person

Dr. Matthias Krell ist seit 1. Juni 2014 Geschäftsführer der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG). Begonnen hat er seinen Berufsweg in der Krankenpflege, wo er zehn Jahre in verschiedenen Bereichen tätig war. Nach Studium und wissenschaftlicher Tätigkeit an der Universität Siegen war Krell in der Wahlperiode 2006 bis 2011 Abgeordneter des rheinland-pfälzischen Landtags. Daran schloss sich eine Tätigkeit als Referatsleiter bei der Landeszentrale für politische Bildung an, bevor er zur LZG wechselte.