"Die Technik ist so anwendungsfreundlich, dass sie keine Hürde darstellt"
Interview aus Hessen
Die Wiesbadener Hausärztin Dr. Susanne Springborn bietet bereits seit einigen Jahren erfolgreich Video-Sprechstunden an. Im TK-Interview erklärt sie, warum nicht nur sie und ihr Praxisteam davon profitieren, sondern auch die Patientinnen und Patienten.

TK: Sie bieten Video-Sprechstunden bereits seit vielen Jahren an. Welche Tipps würden Sie Kolleginnen und Kollegen geben, die nun neu mit dieser Versorgungsform begonnen haben oder noch beginnen wollen?
Dr. Susanne Springborn: Einfach loslegen. PC, Tablet oder Laptop mit Mikrofon und Kamera reichen aus. Die Technik ist mittlerweile so anwendungsfreundlich, dass sie keine Hürde mehr darstellt. Eine sehr gute Übersicht zum Einstieg bietet die Kassenärztliche Bundesvereinigung auf ihrer Webseite. Hier gibt es beispielsweise auch die Liste der zertifizierten Video-Sprechstunde-Anbieter.
Vor dem ersten Einsatz sollte eine Abrechnungsgenehmigung bei der Kassenärztlichen Vereinigung eingeholt werden. Die entsprechenden Voraussetzungen kosten nicht viel Zeit und sind überschaubar. Bei der Anmeldung helfen die Anbieter mit.
Dr. Susanne Springborn
TK: Welche Erkrankungen und Anliegen lassen sich denn gut per Online-Sprechstunde behandeln und wo kommt die Video-Sprechstunde aus Ihrer Sicht an ihre Grenzen?
Dr. Springborn: Am Anfang lassen sich Routinetermine gut durchführen mit technikaffinen Menschen, die in der Praxis schon bekannt sind. Mein Favorit waren dabei Blutdruckeinstellungen. Auch Patientinnen und Patienten mit Soziophobien lassen sich gerne auf die Video-Sprechstunde ein - für stützende Gespräche. Schwerhörige schätzen ebenfalls die neue Technik, da keine Maske getragen wird.
Ist die Video-Sprechstunde im Praxisablauf angekommen, können beispielsweise Infekte der Atemwege damit begleitet werden. Ist eine körperliche Untersuchung zwingend erforderlich, insbesondere die abdominale Untersuchung, stößt die Video-Sprechstunde natürlich an ihre Grenzen.
TK: Wie kommen Ihre Patientinnen und Patienten mit der Video-Sprechstunde zurecht, vor allem die Älteren?
Dr. Springborn: Für technikaffine Menschen stellt die Video-Sprechstunde keine Hürde dar, hier spielt das Alter keine Rolle. Technikfernen Menschen bringen wir auf Wunsch das Tablet nach Hause. Anfängliche Vorbehalte sind meist innerhalb kürzester Zeit abgebaut, einfach weil auch über das Medium Emotionen herübergebracht, das Lächeln erwidert wird und die Menschen in ihrer eigenen Häuslichkeit entspannter sind.
TK: Wie haben Sie die Video-Sprechstunde in Ihren Praxisalltag integriert?
Dr. Springborn: Die Video-Sprechstunde unterscheidet sich im Praxisablauf kaum noch von der Präsenz-Sprechstunde. Die Termine, die der Patient als Link von uns erhält, stehen im Praxisplaner. Jetzt brauche ich nicht mehr live ins Sprechzimmer zu bitten, sondern rufe online auf.
TK: Wie machen Sie Ihre Patientinnen und Patienten auf die Möglichkeit einer Video-Sprechstunde aufmerksam?
Dr. Springborn: Wir erwähnen das Angebot auf unserer Homepage. Normalerweise ergibt sich die Video-Sprechstunde jedoch aus den Erfordernissen. Beispielsweise spreche ich aktiv die Möglichkeit an, wenn bei den Patienten Mobilitätseinschränkungen, Ansteckungsgefahr oder soziale Phobien vorliegen.
Zur Person
Dr. Susanne Springborn wurde 1969 in Mainz geboren, wo sie auch Medizin studierte und 1996 promovierte. Springborn ist seit 1999 als Hausärztin in Wiesbaden niedergelassen. Seit 2018 ist sie zudem Lehrbeauftragte im Fachbereich Gesundheitsökonomie an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden.