Wir als Techniker Krankenkasse (TK) fordern daher schnell umsetzbare sowie nachhaltige Reformen, damit die GKV kurz- und langfristig entlastet und wieder mehr wettbewerbliche Steuerung ermöglicht werden.

Wie das Gesundheitssystem in naher Zukunft zum Wohle der Patientinnen und Patienten weiterentwickelt werden sollte, haben wir mit Alexander Krauß, Leiter der TK-Landesvertretung Sachsen, besprochen. "Der Gesetzgeber muss dringend mit einem Sofortprogramm die stark steigenden Ausgaben der GKV dämpfen, um zusätzliche Belastungen für Versicherte und Arbeitgeber zu vermeiden. Die Krankenkassen müssen zügig Planungssicherheit für das Jahr 2026 erhalten", so Krauß.

Alex­ander Krauß

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Leiter der TK-Landesvertretung Sachsen

TK: Sie sprechen von Ausgabendämpfung in der GKV. Warum ist diese so dringend nötig?

Alexander Krauß: Die Ausgaben in der GKV steigen jedes Jahr um sechs bis acht Prozent und damit viel stärker als die Einnahmen aus dem allgemeinen Beitragssatz. Deshalb mussten die Zusatzbeiträge in den vergangenen Jahren immer weiter angehoben werden. Diese Spirale muss durchbrochen werden. Wirksame Gegenmaßnahmen liegen seitens der TK vor. 2026 erwarten wir ein Defizit für die GKV von bis zu acht Milliarden Euro. Die Darlehen, wie von der Bundesregierung vorgesehen, schließen diese Lücke nicht und verschieben die strukturellen Probleme nur - sie lösen sie nicht.

TK: Sie fordern ein Sofortprogramm. Was ist das zentrale Ziel?

Krauß: Wir wollen kurzfristig die Ausgabendynamik stoppen, die Effizienz im System erhöhen und die Beitragsstabilität sichern. Wir haben zehn Maßnahmen erarbeitet und in allen zentralen Leistungsbereichen der GKV Einsparpotenziale identifiziert, die kurzfristig gehoben werden können und eine Entlastung im kommenden Jahr von mehr als acht Milliarden Euro ermöglichen - ohne Einschränkung der Versorgung und somit ohne Leistungskürzungen.

TK: Schauen wir auf einige dieser Maßnahmen. Ihr Plan setzt bei den Arzneimitteln an. Was schlagen Sie konkret vor?

Krauß: Zwei Dinge: Erstens die Anhebung des Herstellerabschlags für patentgeschützte Arzneimittel von sieben auf 17 Prozent; eine Maßnahme, deren grundsätzliche Zulässigkeit jüngst in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt wurde, überhöhte Gewinne der pharmazeutischen Industrie begrenzt und einen jährlichen Einspareffekt bis zu drei Milliarden Euro hat. Zweitens wollen wir sogenannte Fokuslisten einführen. Dabei handelt es sich um einen Katalog mit Gruppen vergleichbarer Arzneimittel. Die Krankenkassen haben dann die Möglichkeit, einzelne Arzneimittel innerhalb dieser Gruppen zur Versorgung ihrer Versicherten auszuwählen. Das Einsparpotenzial beträgt jährlich ungefähr eine Milliarde Euro.

TK: Die stationäre Versorgung ist ein weiterer Kostenblock. Was sehen Sie hier für Stellschrauben?

Krauß: Wir müssen die Budgetsteigerungen der Kliniken begrenzen, indem zur hälftigen Refinanzierung der Tariflohnsteigerungen zurückgekehrt wird. Die gegenwärtige vollständige Übernahme der Tarifsteigerungen hat zum Selbstkostendeckungsprinzip bei den Personalkosten und damit zu überhöhten Kostensteigerungen geführt. Die Gehälter der Pflegekräfte in den Krankenhäusern sollen auch künftig steigen - aber in dem Maße, wie sich die Gehälter auch in den übrigen Branchen entwickeln.

TK: Gibt es sonstige Bereiche, die Potenzial für Einsparungen hätten?

Krauß: Ja, bei den Heil- und Hilfsmitteln. Im Hinblick auf die Vergütung von Heilmittelerbringern sollte eine Rückkehr zur Grundlohnsummenanbindung erfolgen, da der mit der damaligen Aufhebung beabsichtigte Aufholeffekt bei der Vergütung erreicht wurde. Weiterhin sollten Hilfsmittel-Ausschreibungen wieder ermöglicht werden; bis 2019 war dies gängige Praxis. Die vormaligen Probleme bei der Qualität von Hilfsmitteln können über einheitliche und gemeinsame erweiterte Qualitätsparameter vermieden werden. Beide Maßnahmen bieten jährliche Einspareffekte von mindestens 850 Millionen Euro.

TK: Kritische Stimmen könnten sagen: Das ist eine reine Sparagenda. Was entgegnen Sie?

Krauß: Unser 10-Punkte-Plan ist keine Sparliste, sondern eine Ausgabenwende, ohne die medizinische Versorgung einzuschränken. Wir setzen gezielt dort an, wo Fehlanreize, Überkompensationen oder unnötige Zusatzkosten entstanden sind. Das System bleibt leistungsfähig, aber effizienter und für Versicherte bezahlbar.

TK: Wie kann das Gesundheitswesen langfristig in seiner Finanzierung gesichert werden?

Krauß: Der Bund muss seiner finanziellen Verantwortung bei sogenannten versicherungsfremden Leistungen endlich vollumfänglich nachkommen. Das ist eine Gerechtigkeitsfrage. Wir brauchen außerdem echte strukturelle Reformen, die zum Beispiel für eine bessere Steuerung der Patienten sorgen. Mit der Notfallreform und einem klugen Primärversorgungssystem könnten zumindest weitere Kostensteigerungen abgebremst werden. Als TK haben wir in Sachen ambulanter Versorgung einen ganz konkreten Vorschlag vorgelegt, der auch zum Koalitionsvertrag auf Bundesebene sehr gut passt. Wir brauchen eine Ersteinschätzung bei einem neuen Behandlungsanlass und dann eine gute Steuerung im System.