Dies trifft insbesondere auch für den Gesundheitsbereich zu. Ein funktionierendes und zukunftssicheres Gesundheitssystem ist für Staat und Bürger gleichermaßen entscheidend und dient als wesentliche Stütze unserer Demokratie.

Warum die nächste Bundesregierung sich schnellstmöglich den drängenden Problemen zuwenden muss und welche dies sind, haben wir mit Alexander Krauß, Leiter der TK-Landesvertretung Sachsen, besprochen. "Die zukünftige Bundesregierung wird die komplexen und schwierigen Themen lösungsorientiert sowie tiefgreifend angehen müssen, was Mut voraussetzt und auch die Überwindung von Widerständen einschließt. Ein "Weiter so" stößt zunehmend an Grenzen, auch die finanziellen Beitragsbelastungen der Versicherten können nicht endlos fortgesetzt werden. Angesichts dieser drängenden Probleme müssten Gesundheit und Pflege von der zukünftigen Regierung - anders als im Wahlkampf - prioritär betrachtet werden. Den Fokus der Politik auf die gesundheitspolitischen Großbaustellen zu lenken wird eine nachhaltige Aufgabe für uns als TK sein."

Alex­ander Krauß

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Leiter der TK-Landesvertretung Sachsen

TK: Was steht Ihrer Meinung nach ganz oben auf der Problemliste?

Alexander Krauß: Die GKV-Finanzierung ist und bleibt eines der wichtigsten Themen. Die Kranken- und Pflegeversicherung ist für Versicherte und Arbeitgeber so teuer geworden wie nie zuvor. Die neue Koalition muss die Beitragszahlenden spürbar finanziell entlasten. Dafür braucht es ein Sofortprogramm für mehr Effizienz und Beitragsstabilität, welches darauf abzielt, Effizienzreserven zu heben und Bürokratie abzubauen. Nur so kann sich der Gesetzgeber ausreichend Zeit und Spielraum für die ebenfalls dringend notwendigen Strukturreformen verschaffen.

TK: Welche Vorschläge zur Effizienzsteigerung und Kostendämpfung haben Sie?

Krauß: Unsere Vorschläge reichen von Ausschreibungen bei Hilfsmitteln mit entsprechenden Qualitätskriterien und der Rückkehr zur Grundlohnsummenbindung bei Heilmitteln bis hin zur Anhebung von Herstellerabschlägen bei Arzneimitteln. Bei unseren Vorschlägen zur Entbürokratisierung geht es vor allem um Maßnahmen zur Digitalisierung des Datenaustauschs im Beitragswesen, bei Anträgen und in der Kommunikation zwischen Leistungserbringern, Krankenkassen und Versicherten. Ein direkter digitaler Datenaustausch zwischen Krankenkassen und Finanzämtern würde beispielsweise die Beitragsfestsetzung für freiwillig Krankenversicherte vereinfachen und beschleunigen, was eine spürbare Entlastung zur Folge hätte.

TK: Wo besteht zusätzlich enormer Handlungsbedarf bei der Finanzierung?

Krauß: Wir fordern, dass der Gesetzgeber die GKV mit ausreichend Steuermitteln ausstattet, wenn er ihr versicherungsfremde Leistungen überträgt. Der Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds deckt bei weitem nicht die Ausgaben, für die er gedacht ist. Die Differenz zahlen die Mitglieder der GKV mit steigenden Beiträgen. Wir fordern daher eine jährliche Anpassung an die Kostenentwicklung.

TK: Haben Sie ein konkretes Beispiel für versicherungsfremde Aufgaben?

Krauß: Ja, die gesundheitliche Versorgung von Bürgergeldbeziehenden durch die GKV. Diese Transferleistung wird vom Staat nicht kostendeckend finanziert, obwohl es seine Aufgabe ist. Allein im Jahr 2022 fehlten nach Angaben des IGES-Instituts rund 9,2 Milliarden Euro. Um die Deckungslücke zu schließen, fordern wir kostendeckende Beiträge für Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld.

TK: Gibt es weitere Forderungen an die Politik im Bereich Finanzen?

Krauß: Ja, wir Krankenkassen müssen wieder mehr Sicherheit für unsere Haushaltsplanung bekommen.

TK: Was verhindert diese Planungssicherheit?

Krauß: Die Finanzreserven der Krankenkassen und damit das Geld der Beitragszahlenden wurde vom Gesetzgeber wiederholt abgeschöpft. Zudem wurde die gesetzliche Höhe der Rücklage mehrfach abgesenkt. Der zulässige Korridor liegt heute beim 0,2- bis 0,5-Fachen einer Monatsausgabe. Dieser hat sich als viel zu eng erwiesen. In der Praxis führt dies dazu, dass die Krankenkassen keine ausreichenden Rücklagen mehr bilden können. Hier fordern wir einen Schutz vor staatlichen Eingriffen und einen größeren Korridor für unsere Rücklagen; sinnvoll wäre es, die Obergrenze auf eine Monatsausgabe anzuheben.

TK: Welches Thema steht bei Ihnen ebenfalls weit oben auf der Agenda?

Krauß: Mindestens genauso drängend ist die Frage, wie wir für unsere Versicherten den Zugang zur Versorgung besser und effizienter organisieren. Patientinnen und Patienten beklagen zu lange Wartezeiten, die Wartezimmer der Arztpraxen sind überfüllt, die Notaufnahmen ebenso. Mit dem Status quo ist niemand zufrieden. Das Thema muss gemeinsam angegangen werden, entsprechende Vorschläge haben wir bereits vorgelegt.

TK: Welche sind das?

Krauß: Wir fordern eine standardisierte digitale Ersteinschätzung des Behandlungsbedarfs für neue Behandlungsfälle, um darauf aufbauend einen schnelleren Zugang zur richtigen Versorgungsform möglich zu machen. Entscheidend dabei wird sein, dass sich die richtige Versorgungsform dann zukünftig am medizinischen Bedarf orientieren wird; heutzutage orientiert sich die Versorgung nicht ausreichend daran.

TK: Und wie kommen Patienten mit medizinischem Bedarf dann schnell in die richtige Praxis?

Krauß: Ärztinnen und Ärzte der verschiedenen Fachgruppen stellen hierfür Terminkontingente auf einer digitalen Terminserviceplattform zur Verfügung. Das verkürzt Wartezeiten, erhöht die Versorgungsqualität und hat den Leitgedanken, dass Termine nicht der Vergütung, sondern dem Bedarf folgen sollen.