TK: Herr Dr. Pauls, welcher Bereich des Gesundheitswesens interessiert Sie am meisten?

Dr. Thomas Pauls: Mich interessiert insbesondere der Bereich der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Die digitale Transformation hat das Potenzial, unsere Gesundheitsversorgung nachhaltig zu verbessern: durch effizientere Abläufe, bessere Datenverfügbarkeit, individualisierte Therapien und eine stärkere Patientenorientierung. Sie kann zudem dazu beitragen, doppelte Untersuchungen zu vermeiden, Wartezeiten zu verkürzen und sowohl Patienten als auch dem medizinischen Personal wertvolle Zeit zurückzugeben - Zeit, die direkt in die Versorgung fließen kann. Weil genau darin enorme Chancen für eine moderne, gerechte und leistungsfähige Gesundheitsversorgung liegen, freue ich mich besonders, in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion als Berichterstatter für Digitalisierung im Gesundheitswesen mitwirken zu dürfen.

Digitale Innovationen wie die elektronische Patientenakte, KI-gestützte Diagnosesysteme oder telemedizinische Anwendungen verändern die Art und Weise, wie wir Gesundheit denken und organisieren. Sie ermöglichen nicht nur eine präzisere und schnellere Diagnostik, sondern auch eine effizientere Kommunikation zwischen allen Beteiligten im Gesundheitswesen. Damit schaffen wir mehr Zeit für die eigentliche Patientenversorgung - besonders in strukturschwachen Regionen.

Digitale Innovationen verändern die Art und Weise, wie wir Gesundheit denken und organisieren. Dr. Thomas Pauls

Für mich ist klar: Ein modernes Gesundheitssystem ist ohne digitale Lösungen nicht denkbar. Daher setzen wir uns politisch für eine konsequente Weiterentwicklung der digitalen Infrastruktur ein. Dabei legen wir großen Wert auf Datensicherheit, Interoperabilität und echten Mehrwert für die Patienten. Die Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein. Sie muss messbar zur Verbesserung der Versorgung beitragen.

In meiner Vision braucht es künftig eine klar strukturierte und digitale "Patienten-Journey": von den ersten Symptomen über die Diagnose bis zur Genesung - und darüber hinaus auch in der Prävention. Patienten sollen dabei digital unterstützt und begleitet werden. So schöpfen wir die Potenziale der Digitalisierung wirklich aus - für ein intelligenteres und patientenzentriertes Gesundheitssystem.

Dr. Thomas Pauls

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Abgeordneter der CDU im Deutschen Bundestag

Zur Person 

Dr. Thomas Pauls ist Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Wetterau I und Berichterstatter für Digitalisierung im Gesundheitswesen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er ist Mitglied im Ausschuss für Gesundheit sowie im Ausschuss für Digitales und Staatsmodernisierung. Pauls, Jahrgang 1986, studierte Wirtschaftswissenschaften in Köln und Maastricht, promovierte 2017 an der Justus-Liebig-Universität Gießen in Finanzen und habilitierte 2024 an der Goethe-Universität Frankfurt. Vor seiner Wahl in den Deutschen Bundestag im Jahr 2025 arbeitete er über zehn Jahre in der Forschung und Lehre an verschiedenen hessischen Universitäten sowie als Projektmanager für Strategie bei der Commerzbank.

TK: Welche drei Themen sehen Sie aktuell als die dringendsten Herausforderungen im deutschen Gesundheitssystem und warum?

Dr. Thomas Pauls: Neben der großen Zukunftsaufgabe der Digitalisierung, auf die ich später noch eingehe, sehe ich drei weitere zentrale Herausforderungen, die wir dringend angehen müssen: die finanzielle Stabilität unseres Gesundheits- und Pflegesystems, die strukturelle Effizienz der Versorgung sowie die Zukunft der Pflege.

Die Finanzierung von Kranken- und Pflegeversicherung gerät zunehmend aus dem Gleichgewicht. Dr. Thomas Pauls

Erstens: Die Finanzierung von Kranken- und Pflegeversicherung gerät zunehmend aus dem Gleichgewicht. Die Ausgaben steigen seit Jahren schneller als die Einnahmen, nicht zuletzt durch den demografischen Wandel. Ohne strukturelle Reformen drohen steigende Beitragssätze oder Leistungskürzungen. Das belastet Versicherte, Arbeitgeber und Leistungserbringer. Wir brauchen deshalb eine nachhaltige Finanzstrategie, die generationengerecht ist und Prioritäten setzt. Dazu gehören strukturelle Einsparungen, ein überarbeiteter Finanzierungsmechanismus und gezielte Entlastung der Beitragszahler, zum Beispiel bei Transformationskosten im Krankenhausbereich.

Zweitens: Die Versorgungsstrukturen sind häufig ineffizient und ungleich verteilt. Besonders in ländlichen Regionen erleben viele Menschen Versorgungsengpässe, etwa durch weite Wege zur nächsten Geburtsstation, Apothekenschließungen oder lange Wartezeiten auf Facharzttermine. Eine gute medizinische Versorgung darf nicht vom Wohnort abhängen. Das ist mir als Abgeordneter eines ländlich geprägten Wahlkreises besonders wichtig.

Drittens: Die Pflege steht unter massivem Druck. Der Fachkräftemangel, hohe Eigenanteile und überbordende Bürokratie gefährden die Versorgung ebenso wie die finanzielle Schieflage der Pflegeversicherung. Wir brauchen eine grundlegende Pflegereform, die sowohl pflegende Angehörige entlastet als auch Pflegekräfte unterstützt: durch bessere Arbeitsbedingungen, mehr Digitalisierung und ein tragfähiges Finanzierungskonzept. Auch die ambulante Pflege muss gestärkt werden. Unser Ziel bleibt: ein modernes, gerechtes und leistungsfähiges Gesundheitssystem für alle Generationen - ob in der Stadt oder auf dem Land.

TK: Was bewerten Sie an der Krankenhausreform als gelungen und wo sehen Sie Änderungsbedarf?

Dr. Thomas Pauls: Die Krankenhausreform ist notwendig, um eine qualitativ hochwertige, zukunftsfähige stationäre Versorgung sicherzustellen, die sowohl die Qualität der Behandlung und Pflege verbessert als auch die wirtschaftliche Stabilität der Kliniken langfristig sichert. Dass sie nun umgesetzt wird, ist grundsätzlich zu begrüßen - insbesondere, weil sie die Grundlage dafür schafft, dass sich Qualität stärker an Spezialisierung und Bedarf orientiert statt an Fallzahlen.

Die Einführung von Leistungsgruppen sorgt für eine bundesweit einheitlichere Strukturierung medizinischer Leistungen und stärkt verbindliche Qualitätsvorgaben. Auch das neue Modell der Vorhaltefinanzierung ist ein wichtiger Systemwechsel: Krankenhäuser, die rund um die Uhr grundlegende Leistungen vorhalten, erhalten mehr finanzielle Verlässlichkeit. Gerade in ländlichen Regionen kann dies einen stabilisierenden Effekt auf die Versorgungslandschaft haben.

Dennoch sehen wir an einigen Stellen Nachsteuerungsbedarf. Die Umsetzung ist komplex und bringt zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit sich. Es muss verhindert werden, dass neue Dokumentationspflichten oder Prüfverfahren zu überbordender Bürokratie führen und wertvolle Ressourcen binden, die für die Versorgung gebraucht werden. Die Reform muss daher auch zu echtem Bürokratieabbau führen.

Zugleich brauchen wir realistische Übergangsfristen für die Einführung der neuen Leistungsgruppen. Starre Fristen dürfen nicht dazu führen, dass kleinere Kliniken aus der Versorgung gedrängt werden, obwohl sie für ihre Region unverzichtbar sind. Kooperationsmöglichkeiten und regionale Besonderheiten müssen stärker berücksichtigt werden - ohne die Prinzipien der Qualitätsorientierung aufzuweichen.

Vor diesem Hintergrund begrüße ich die Ergebnisse des Bund-Länder-Treffens vom 3. Juli: Die geplante Verlängerung der budgetneutralen Phase bis 2027, die Ausweitung von Ausnahmen und Kooperationsmöglichkeiten im ländlichen Raum sowie finanzielle Hilfen zur Deckung der Sofort-Transformationskosten aus den Jahren 2022 und 2023 sind wichtige Schritte hin zu mehr Alltagstauglichkeit. Auch die Klarstellung, dass die Finanzierung des Transformationsfonds nicht zulasten der GKV-Beiträge gehen soll, ist ein bedeutsames Signal in die richtige Richtung.

Es ist richtig, dass die Grundprinzipien der Reform erhalten bleiben. Dr. Thomas Pauls

Es ist richtig, dass die Grundprinzipien der Reform erhalten bleiben - Qualität, Spezialisierung und eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung. Entscheidend wird nun sein, dass der angekündigte Kabinettsentwurf im September diese Balance wahrt: Strukturveränderung mit Augenmaß, ohne Lücken in der Versorgung zu reißen. Wir stehen bereit, diesen Prozess konstruktiv zu begleiten.

TK: Wie erleben Sie die Umsetzung der Krankenhausreform in Hessen? 

Dr. Thomas Pauls: Die Umsetzung der Krankenhausreform in Hessen ist ambitioniert und strukturiert angegangen worden. Das Land zeigt mit seinem frühzeitigen Engagement, dass es die Herausforderungen ernst nimmt und sich aktiv in die Weiterentwicklung der stationären Versorgung einbringt.

Ambulante und stationäre Angebote müssen stärker vernetzt gedacht werden. Dr. Thomas Pauls

Besonders hervorzuheben ist, dass Hessen sich nicht nur auf die formale Umsetzung des Bundesgesetzes beschränkt, sondern mit dem Pakt für Gesundheit eigene Akzente setzt - etwa durch die enge Zusammenarbeit mit Kommunen, Krankenhäusern, der Kassenärztlichen Vereinigung und weiteren Akteuren. Auch der sektorenübergreifende Ansatz ist richtig: Ambulante und stationäre Angebote müssen stärker vernetzt gedacht werden.

Gleichzeitig erleben wir auch ganz konkret, welche Auswirkungen die Reform haben kann - etwa im Fall des Mathilden-Hospitals in Büdingen. Die Schließung der stationären Abteilungen einschließlich Notaufnahme und Intensivstation hat die regionale Versorgungslandschaft spürbar verändert. Aus den Gesprächen, die ich geführt habe, wurde deutlich, wie sehr solche Entscheidungen die Menschen vor Ort beschäftigen. Sie sorgen sich um längere Wege und die Erreichbarkeit in Notfällen. Auch die Beschäftigten sind betroffen - der Verlust von bis zu 150 Arbeitsplätzen trifft die Region hart. 

Ich nehme zudem wahr, dass viele Krankenhäuser und Träger in Hessen den Veränderungsprozess aktiv mitgestalten wollen, gleichzeitig aber mit erheblichen Unsicherheiten konfrontiert sind, etwa im Hinblick auf die Finanzierung, die Personalbindung und die Umsetzung der neuen Leistungsgruppen. Gerade die Vorhaltefinanzierung und die Leistungsgruppensystematik werfen noch viele Fragen auf, die ich auch aus Gesprächen mit Verantwortlichen vor Ort kenne. Daher ist es richtig und notwendig, dass die Hessische Gesundheitsministerin Diana Stolz Nachbesserungen einfordert - etwa längere Übergangsfristen oder praktikablere Regelungen bei Facharztvorgaben. Es ist aus meiner Sicht zentral, dass regionale Besonderheiten stärker berücksichtigt werden, ohne die Reformziele aus dem Blick zu verlieren.

Deshalb ist es mir wichtig, im engen Dialog mit Kliniken, kommunalen Verantwortungsträgern und Vertretern der Gesundheitsberufe in meinem Wahlkreis zu bleiben. Nur so lässt sich nachvollziehen, wo die Umsetzung der Reform funktioniert und wo dringend nachgesteuert werden muss.

TK: Das Gesundheitssystem steht angesichts steigender Ausgaben bei begrenzten Einnahmen unter erheblichem Druck. Welche konkreten Maßnahmen sind notwendig, um die finanzielle Tragfähigkeit der Kranken- und Pflegeversicherung langfristig zu sichern?

Dr. Thomas Pauls: Die finanzielle Stabilisierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gehört für mich zu den zentralen gesundheitspolitischen Aufgaben der kommenden Jahre. Um die zahlreichen Herausforderungen zu überwinden, braucht es einen ausgewogenen Mix aus kurzfristiger Entlastung und langfristiger Strukturreform.

Die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldempfängern oder die pandemiebedingten Zusatzkosten müssen künftig aus Steuermitteln getragen werden. Dr. Thomas Pauls

Für die gesetzliche Krankenversicherung halte ich es für richtig, dass Bundesgesundheitsministerin Nina Warken die Entlastung der Kassen von versicherungsfremden Leistungen ganz oben auf die Agenda gesetzt hat. Die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldempfängern oder die pandemiebedingten Zusatzkosten müssen künftig aus Steuermitteln getragen werden und nicht aus den Beitragsgeldern der Versicherten. Dass der Bundeszuschuss dynamisiert und an den tatsächlichen Bedarf angepasst wird, ist ein erster wichtiger Schritt zur langfristigen Stabilität des Systems.

Darüber hinaus müssen wir im System selbst gezielter steuern und unnötige Ausgaben vermeiden. Digitalisierung und eine bessere Abstimmung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung können helfen, Strukturen zu verschlanken und die Mittel effizienter einzusetzen.

Auch die Pflegekasse muss deutlich entlastet werden. Deshalb ist es aus meiner Sicht geboten, dass der Bund pandemiebedingte Mehrausgaben an die Pflegeversicherung zumindest anteilig zurückführt. Zudem sollte der Bund die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige dauerhaft übernehmen. Das würde die Pflegekasse spürbar entlasten.

Langfristig müssen wir die Pflegefinanzierung breiter aufstellen: durch mehr Vorsorge, die Bündelung von Leistungen und sektorübergreifende Versorgungsangebote. Die laufende Bund-Länder-Kommission zur Pflegereform ist ein wichtiger Baustein, um hier tragfähige Lösungen zu entwickeln.

Die aktuell im Bundeshaushalt vorgesehenen Darlehen für GKV und PKV schaffen kurzfristig Spielräume - nun müssen wir gemeinsam tragfähige Lösungen für die kommenden Jahre entwickeln. Wir brauchen strukturelle, nachhaltige Antworten auf die Finanzierungsfragen in beiden Systemen und eine verlässliche Strategie.

Eine zentrale Herausforderung ist die mangelnde Interoperabilität der verschiedenen IT-Systeme. Dr. Thomas Pauls

TK: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hürden für die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland - und wie können diese überwunden werden?

Dr. Thomas Pauls: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland schreitet voran, doch der Weg ist nach wie vor mit zahlreichen Hürden verbunden. Eine zentrale Herausforderung ist die mangelnde Interoperabilität der verschiedenen IT-Systeme. Zu oft arbeiten Softwaresysteme in Praxen, Kliniken und Apotheken noch isoliert voneinander. Diese fehlenden Schnittstellen führen zu Medienbrüchen und Informationsverlusten und behindern damit eine durchgängig digitale Versorgung. Genau deshalb fordern wir einheitliche technische Standards und verbindliche Schnittstellen - bis 2027 soll der digitale Datenaustausch zwischen allen Akteuren vollständig standardisiert und barrierefrei möglich sein.

Hinzu kommen Sorgen um den Schutz der eigenen Gesundheitsdaten, welche aber häufig zu einer pauschalen Ablehnung digitaler Lösungen führen. Es braucht daher klare, transparente Regeln für die sichere Nutzung von Gesundheitsdaten und eine bessere Kommunikation über deren Nutzen, insbesondere für Forschung und personalisierte Medizin.

Gleichzeitig muss stärker vermittelt werden, welchen konkreten Mehrwert digitale Anwendungen auch für Fachpersonal haben, etwa durch weniger Verwaltungsaufwand und vor allem mehr Zeit für die eigentliche Versorgung.

Wir setzen uns daher für eine Standardisierung der Systeme, den Ausbau der digitalen Infrastruktur und die Weiterentwicklung der Gematik zu einer leistungsfähigen Digitalagentur ein. Zudem begleiten wir die Einführung der elektronischen Patientenakte eng und achten besonders auf Datensicherheit und Stabilität. Wir stärken digitale Gesundheitsanwendungen, Telemedizin und KI-gestützte Entscheidungsunterstützung. Unser Ziel bleibt: ein digitales Gesundheitssystem, das den Alltag der Leistungserbringer erleichtert und echten Mehrwert für Patienten schafft.

TK: Mit dem angekündigten neuen Anlauf zur Reform der Notfallversorgung und der Rettungsdienste besteht parteiübergreifend Einigkeit über die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen. Wie kann es aus Ihrer Sicht gelingen, die bislang zersplitterten Zuständigkeiten zu bündeln und den bestehenden Flickenteppich in der Versorgung nachhaltig zu verbessern?

Besonders wichtig ist die stärkere Zusammenarbeit der Notrufnummern 112 und 116 117, idealerweise in gemeinsamen Leitstellen. Dr. Thomas Pauls

Dr. Thomas Pauls: Mit einer Reform der Notfallversorgung und der Rettungsdienste soll den Patienten künftig effektiver geholfen werden. Ziel muss eine flächendeckende, gut erreichbare und wirtschaftlich tragfähige Versorgung sein, auch im ländlichen Raum. Dafür braucht es klare Zuständigkeiten, verlässliche Strukturen, einheitliche Qualitätsstandards und eine engere Verzahnung zwischen ambulanter, stationärer und präklinischer Versorgung. Besonders wichtig ist die stärkere Zusammenarbeit der Notrufnummern 112 und 116 117, idealerweise in gemeinsamen Leitstellen, um Ressourcen gezielter einzusetzen.

Darüber hinaus ist es mein Ziel, dass Patienten entlang ihres gesamten Versorgungswegs, von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Abschluss der Behandlung, digital unterstützt und begleitet werden. So entsteht ein koordinierter, transparenter und effizienter Ablauf über alle Sektoren hinweg.

Auch beim Rettungsdienst können wir durch einheitliche Standards einiges an Potenzial heben - mit Standards für Technik, Dokumentation und Qualitätssicherung. Gleichzeitig bleiben die Länder für die konkrete Umsetzung verantwortlich. Es geht nicht um Kompetenzverlagerung, sondern um verlässliche Rahmenbedingungen und koordiniertes Handeln.

Digitale Lösungen wie Telenotärzte, interoperable Systeme oder KI-gestützte Einsatzsteuerung können Effizienz und Reaktionszeit deutlich verbessern. Notfallsanitäter sollten zudem mehr Verantwortung übernehmen dürfen, soweit medizinisch vertretbar.

Klar ist: Eine solch umfassende Reform kann nur im Schulterschluss mit den Ländern gelingen. Ziel ist nicht der Kompetenzentzug, sondern die Etablierung bundesweiter Standards für eine verlässliche und patientenorientierte Notfallversorgung. Der von Gesundheitsministerin Nina Warken angekündigte Referentenentwurf nach der Sommerpause ist ein notwendiger Schritt, um diesen Reformprozess entschlossen voranzutreiben.

TK: Patientensteuerung ist ein viel diskutiertes Thema. Welches Potenzial haben dabei digitale Lösungen und wie können wir es schaffen, dass diese im Alltag selbstverständlich werden?

Dr. Thomas Pauls: Digitale Lösungen könnten schon heute einen entscheidenden Beitrag leisten, um Patienten gezielter zu allokieren, Versorgungswege effizienter zu gestalten und die Qualität der Behandlung spürbar zu verbessern. Digitale Ersteinschätzungssysteme würden es ermöglichen, bereits beim Erstkontakt den tatsächlichen Versorgungsbedarf besser zu ermitteln. So könnten Patienten zeitnah und passgenau versorgt und in die für sie passende Versorgungsebene geleitet werden.

Digitale Ersteinschätzungssysteme würden es ermöglichen, bereits beim Erstkontakt den tatsächlichen Versorgungsbedarf besser zu ermitteln. Dr. Thomas Pauls

Ein Blick nach Dänemark zeigt, dass das funktioniert: Dort ist ein solches digitales System bereits gesetzlich verankert und finanziell unterstützt. In Deutschland hingegen stehen wir hier noch am Anfang.

Stellen Sie sich vor, wie das künftig auch bei uns aussehen könnte: Sie haben erste Beschwerden und starten per App mit einem qualitätsgesicherten Symptom-Check. Eine Hotline klärt anschließend, ob eine telemedizinische Beratung genügt oder direkt ein Termin beim Hausarzt vereinbart werden sollte - oder gegebenenfalls auch gleich beim Facharzt. Die elektronische Patientenakte begleitet Sie auf diesem Weg: Sie stellt sicher, dass wichtige Informationen wie Vorbefunde, Medikation oder Allergien allen Behandlern zur Verfügung stehen, sektorübergreifend und aktuell. So lassen sich unnötige Doppeluntersuchungen vermeiden, Wartezeiten verkürzen, Behandlungswege gezielter steuern - und auch Fehlbehandlungen werden seltener, weil die behandelnden Fachkräfte auf vollständige, aktuelle Informationen zugreifen können. Das entlastet das System und kommt vor allem der Patientensicherheit und Versorgungsqualität zugute.

Damit digitale Lösungen im Versorgungsalltag selbstverständlich werden, braucht es benutzerfreundliche Anwendungen, gezielte Aufklärung, digitale Gesundheitskompetenz und klare Datenschutzstandards. Entscheidend ist auch, dass digitale Tools nahtlos in bestehende Prozesse integriert und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Nur so können wir das digitale Potenzial konsequent heben.