Wir haben die beiden Abgeordneten nach der elektronischen Patientenakte gefragt, nach dem richtigen Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten und Wegen für mehr Tempo und Innovation bei der digitalen Transformation. Im Interview geben sie Einblicke in die aktuelle Arbeit des Digitalausschusses - und in ihre Vision für ein digitales Deutschland.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hürden für die Digitalisierung in Deutschland - und wie können diese überwunden werden? 

Dr. Anna Lühr­mann

Dr. Anna Lührmann, Abgeordnete von Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Abgeordnete von Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag

Eine sehr große Herausforderung ergibt sich aus den zersplitterten Zuständigkeiten - zwischen den verschiedenen Bundesministerien mit Digitalbezug, aber auch zwischen Bund, Ländern und Kommunen. 

Es ist nicht hilfreich, wenn jede Kommune eine eigene IT-Lösung entwickelt oder Bundesministerien regional innovative IT-Projekte fördern. Dr. Anna Lührmann

Es ist nicht hilfreich, wenn jede Kommune eine eigene IT-Lösung entwickelt oder Bundesministerien regional innovative IT-Projekte fördern, die es in einer anderen Region Deutschlands schon gibt. Wichtig sind einheitliche Standards und eine gemeinsame Strategie. Das neue Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung könnte hier positive Weichen stellen. Deshalb werden wir das neue Ministerium in seinem Aufbau und politischen Herausforderungen konstruktiv-kritisch begleiten.

Zur Person

Dr. Anna Lührmann ist Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Main-Taunus und Landesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen. Lührmann, Jahrgang 1983, ist stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Digitales und Staatsmodernisierung. Von 2021 bis 2025 war sie Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt. Bis 2021 arbeitete sie als Juniorprofessorin und Demokratieforscherin an der Universität Göteborg.

Daniel Better­mann

Daniel Bettermann, Abgeordneter der SPD im Deutschen Bundestag Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Abgeordneter der SPD im Deutschen Bundestag

Die Frage der digitalen Transformation ist von zentraler Bedeutung und äußerst komplex. Allgemein besteht Einigkeit darüber, dass eine beschleunigte Digitalisierung notwendig ist. Die Corona-Pandemie hat einen ungeplanten Digitalisierungsschub in einigen Bereichen ausgelöst. Unternehmen und Soloselbständige mit bereits gut etablierten digitalen Angeboten und Organisationsstrukturen konnten die Krise am besten bewältigen. 

Aus meiner Sicht bestehen mehrere wesentliche Hemmnisse, die den Digitalisierungsprozess in Deutschland bremsen. Gleichzeitig gibt es verschiedene Lösungsansätze, um diese Herausforderungen zu überwinden. Unabhängig vom betrachteten Bereich lassen sich gemeinsame Kernprobleme identifizieren: mangelhafte Infrastruktur, Datenschutz- und IT-Sicherheitsanforderungen, bürokratische Hürden, fehlende Digitalkompetenzen sowie ein teilweise mangelndes Mindset gegenüber Veränderung. Hinzu kommen Kompetenzzuschreibungen zwischen Bund und Ländern, die eine einheitliche und effiziente Umsetzung erschweren. Ein Beispiel hierfür ist der uneinheitliche Flickenteppich bei IT-Standards im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes. 

Der Erfolg der Digitalisierung hängt maßgeblich vom zügigen Ausbau leistungsfähiger Glasfasernetze und der flächendeckenden Verfügbarkeit moderner Mobilfunkstandards ab. Hochwertige Breitbandanschlüsse sind unverzichtbar für die digitale Transformation. Deutschland weist hier im Vergleich zu vielen OECD-Ländern insbesondere bei höheren Übertragungsgeschwindigkeiten einen Rückstand sowie ein deutliches Stadt-Land-Gefälle auf. In einer kürzlichen Sitzung des Ausschusses für Digitales und Staatsmodernisierung wurde die Änderung des Telekommunikationsgesetzes beraten. Ziel der Bundesregierung ist, bis 2030 flächendeckend Glasfaseranschlüsse und den neuesten Mobilfunkstandard bereitzustellen.

Eine erfolgreiche digitale Transformation umfasst nicht nur die Einführung neuer Technologien, sondern auch die Anpassung von Arbeitsabläufen und den Erwerb neuer Kompetenzen. Daniel Bettermann

Dafür bedarf es gesetzlicher Rahmenbedingungen, die den Zeitgeist widerspiegeln. Ein zentraler Schritt ist die Einführung des überragenden öffentlichen Interesses bei der Verlegung und Änderung von Telekommunikationsnetzen. Das ermöglicht schnellere Genehmigungs- und Umsetzungsverfahren - und damit mehr Tempo beim Ausbau der digitalen Infrastruktur. Langsames Internet, etwa für Arztpraxen, Krankenhäusern oder Apotheken, soll so bald der Vergangenheit angehören. Denn erst mit ausreichenden Uploadgeschwindigkeiten sind Videokonferenzen, Telemedizinanwendungen oder der Transfer großer Datenmengen zuverlässig möglich. 

Digitale Technologien werden in Kliniken und Praxen zunehmend eingesetzt, was eine Offenheit für Veränderungsprozesse voraussetzt. Eine erfolgreiche digitale Transformation umfasst nicht nur die Einführung neuer Technologien, sondern auch die Anpassung von Arbeitsabläufen und den Erwerb neuer Kompetenzen. So unterstützen in 26 Prozent der Kliniken Roboter bei operativen Eingriffen, während in 28 Prozent der Kliniken externe Ärztinnen und Ärzte per Video zu Fallberatungen hinzugezogen werden. 

Auch im ambulanten Bereich sind Videosprechstunden mittlerweile weit verbreitet. Allerdings sind viele digitale Anwendungen mit hohen Kosten und erheblichem IT-Aufwand verbunden. Durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) konnten bereits Fortschritte in der digitalen Dokumentation erzielt werden. Gleichzeitig darf jedoch nicht übersehen werden, dass der bestehende Kostendruck durch das Fallpauschalensystem zu Unterfinanzierung und Investitionsstau bei der Digitalisierung geführt hat. Sowohl mit der Krankenhausreform als auch mit dem Sondervermögen wird es in diesem Bereich noch einmal einen kräftigen Schub nach vorne geben.

Zur Person

Daniel Bettermann (SPD) ist seit 2025 erstmals Mitglied des Deutschen Bundestages und vertritt den Bundestagswahlkreis 167, der die Stadt Kassel sowie mehrere Städte und Gemeinden des Landkreises Kassel umfasst. Er ist Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie im Ausschuss für Digitales und Staatsmodernisierung. Bettermann, Jahrgang 1980, absolvierte ein Studium der Politikwissenschaft mit Nebenfach Wirtschaftswissenschaft an der Universität Kassel. Vor seiner Wahl in den Bundestag arbeitete Bettermann als Kommunikationsberater und Pressesprecher.