Bilanz 2025 - Ausblick 2026
Interview aus Baden-Württemberg
Am Jahresende schauen wir wieder auf die wichtigsten Ereignisse im Jahr 2025 zurück und wagen einen Ausblick auf 2026.
Am Anfang des Jahres 2025 stand die Bundestagswahl und im Ergebnis steht dem Bundesgesundheitsministerium nun Nina Warken, aus Baden-Württemberg, vor. Insbesondere das Jahresende wurde gesundheitspolitisch interessant, da weder die Änderungen an der Krankenhausreform, noch das kleine Sparpaket der Ministerin durch die Bundesländer wie geplant abgesegnet wurden.
TK: Frau Mussa, welches Fazit ziehen Sie insgesamt für das Jahr 2025?
Nadia Mussa: Ich bin ein grundsätzlich optimistischer Mensch. Im Jahr 2025 gab es in der Gesundheitspolitik leider noch nicht viel Anlass für Optimismus. Bezeichnend dafür ist der Streit um das Mini-Sparpaket der Bundesgesundheitsministerin. Die Krankenkassen müssen ihre Haushaltspläne bis Jahresende für das kommende Jahr aufstellen. Ministerin Warken kündigte im November eine Gesetzesänderung an, womit die Beiträge stabil gehalten werden sollten, dabei ging es um die Frage wie sehr die Preise für Krankenhausbehandlung im kommenden Jahr steigen dürfen. Doch die Länder haben diese Gesetzesänderung im Bundesrat aufgehalten. Dabei sind die darin vorgesehenen Maßnahmen noch nicht einmal dazu geeignet, die Krankenkassenbeiträge 2026 zu stabilisieren oder gar die strukturellen Defizite des Gesundheitswesens zu beheben.
Von der Krankenhausreform ist kaum etwas übriggeblieben.
Nadia Mussa
Auch von der Krankenhausreform ist kaum etwas übriggeblieben. Hier haben die Länder bereits erreicht, dass es keine einheitlichen Mindestqualitätsstandards mehr geben wird, da sie auf viele Ausnahmereglungen in der Überarbeitung des Reformgesetzes hingewirkt haben. Aber auch diese überarbeitete Reform ist noch nicht zwischen Bund und Ländern geeint. Insgesamt scheint das Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern nicht sehr gut zu funktionieren. Wichtige Reformen verzögern sich dadurch.
TK: Und wo bleibt das Positive?
Mussa: Auf der Haben-Seite steht die flächendeckende Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA). Generell sind Fortschritte bei der Digitalisierung erzielt worden. Der Digitalisierungsgrad der Krankenhäuser hat sich bundesweit verbessert, wie die Auswertung des DigitalRadar Krankenhaus gezeigt hat.
Baden-Württemberg kann da leider nicht auf ganzer Linie mithalten, da es zwar einige sehr gut aufgestellte Krankenhäuser gibt, die digitale Transformation in der Fläche aber noch zu wünschen übriglässt. Deshalb liegt Baden-Württemberg bei der Digitalisierung der Kliniken auch nur im Mittelfeld.
Positiv sehe ich den aktuell vorliegenden Entwurf einer Notfallreform.
Positiv sehe ich den aktuell vorliegenden Entwurf einer Notfallreform. Er enthält viele Elemente, die zu besseren Strukturen in der Notfallversorgung führen und auch das Potenzial der Digitalisierung nutzen. Nun kommt es darauf an, dass dieser Entwurf nicht wie die Krankenhausreform versandet, sondern vernünftig umgesetzt wird.
Baden-Württemberg bereitet sich intensiv auf mögliche Krisen in der Zukunft vor. Da es geopolitisch viele Konflikte gibt, die sich auch auf Deutschland auswirken können, ist es absolut richtig sich auf solche Szenarien einzustellen.
TK: Damit wären wir im kommenden Jahr angelangt. Wie sehen Ihre Erwartungen für 2026 aus?
Mussa: Aus baden-württembergischer Sicht ist die Landtagswahl am 8. März das zentrale Ereignis im kommenden Jahr. Da Minister Lucha seinen Rückzug aus der Regierungsarbeit verkündet hat, wird das Gesundheitsministerium auf jeden Fall neu besetzt.
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit der neuen Amtsspitze und bin gespannt, welche Akzente sie setzen wird. Ein zentrales Thema sollte die Umsetzung der Krankenhausreform auf Landesebene sein. Die derzeitige Landesregierung hat bereits einige Vorarbeiten geleistet und ein umfangreiches Gutachten erarbeiten lassen, dass wichtige Impulse für die künftigen Krankenhausstrukturen enthält. Der Landeskrankenhausplan sollte nun in einem konstruktiven Dialog insbesondere mit Krankenhäusern und Krankenkassen zukunftsfest aufgestellt werden. Leitgedanken dabei sollten Qualität und Bedarf für die Entwicklung künftiger Krankenhausstrukturen sein.
Hier liegt auch die Chance in eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung einzusteigen. Für die Menschen vor Ort ist es wichtig zu wissen, wie die Versorgungslandschaft in ihrem Umfeld insgesamt aussieht, welche ambulanten und stationären Behandlungsangebote es gibt und wie diese zusammenspielen.
Bei den Erwartungen geht mein Blick auch in Richtung Finanzkommission Gesundheit, die von der Bundesgesundheitsministerin eingesetzt wurde. Die ersten Ergebnisse sollen ja bereits im März vorliegen. Ich hoffe natürlich, dass von den Expertinnen und Experten fundiertere Vorschläge kommen als den Krankenkassen Geld über Darlehen zur Verfügung zu stellen. Die Zeit drängt, wir müssen endlich in die Umsetzung kommen. Schon seit langem liegen Vorschläge auf dem Tisch, wie die GKV jedes Jahr um Milliardenbeträge entlastet werden könnte, ohne Abstriche bei der Versorgung zu machen.
TK: Wo sehen Sie darüber hinaus noch Reformbedarf?
Im ambulanten Bereich erhoffe ich mir politischen Rückenwind für neue Konzepte.
Im ambulanten Bereich erhoffe ich mir politischen Rückenwind für neue Konzepte, die einen besseren Zugang der Patientinnen und Patienten in die passende Versorgungsebene ermöglichen. Dazu gehört eine verbindliche Ersteinschätzung des Versorgungsbedarfes für neue Behandlungsanlässe.
Die TK-Position "digital vor ambulant vor stationär" geht in diese Richtung. In Baden-Württemberg bietet die KVBW mit "docdirekt" eine Plattform an, die mit der strukturierten medizinischen Ersteinschätzung Deutschland (SMeD) arbeitet. Baden-Württemberg kann hier ähnlich wie bei der Ermöglichung der Fernbehandlung im Jahr 2018 eine Vorreiterrolle auf Bundesebene einnehmen, wenn Politik, Leistungserbringer und Krankenkassen an einem Strang ziehen.
Beim Thema Patientensteuerung ist es sehr wichtig, die Bereiche nicht nur einzeln zu betrachten, sondern das gesamte Versorgungsgeschehen im Auge zu haben. Deshalb muss auch die Notfallreform kommen, um endlich eine Verzahnung zwischen dem Rettungswesen und den anderen Sektoren realisieren zu können.
Also viele Herausforderungen, aber auch viele Chancen, im kommenden Jahr einiges zu bewegen.