Verordnung: Was ist zu beachten? (7/7)
Artikelserie
Ärzte jeder Fachrichtung, mit Ausnahme von Zahn- und Tierärzten, können seit dem 1. März 2017 Cannabisblüten und -extrakt verordnen. Eine besondere Qualifikation ist nicht erforderlich. Die Verordnung erfolgt über ein Betäubungsmittel-Rezept.
Mit der neuen Gesetzeslage ist das bisherige Verfahren hinfällig. Bislang brauchten schwerkranke Patienten, die in engen Ausnahmefällen Medizinal-Cannabis erhalten sollten, eine Ausnahmeerlaubnis der Bundesopiumstelle im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die Kosten für die Therapie haben die Patienten selbst getragen.
Auch die zuvor schon verschreibungsfähigen, zugelassenen cannabishaltigen Arzneimittel können in Deutschland weiter verordnet werden. Im Gesetz heißt es, dass Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis "in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon" haben.
Die Arzneimittel Sativex® und Canemes® fallen dann unter das neue Gesetz, wenn sie außerhalb der für sie festgelegten Anwendungsgebiete verordnet werden.
Indikationen werden nicht genannt
Bei welchen Indikationen Cannabis als Medizin verordnet werden darf, ist gesetzlich nicht festgelegt. Wörtlich heißt es: Cannabisblüten und -extrakte können dann verordnet werden,
- wenn "eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung im Einzelfall nicht zur Verfügung steht" oder
- wenn diese Leistung "im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann".
Eine Therapie mit Cannabis ist demnach auch dann möglich, wenn ein Patient noch nicht mit allen theoretisch zur Verfügung stehenden Maßnahmen behandelt wurde.
Höchstmengen sind festgelegt
Welche Mengen an Medizinal-Cannabis verordnet werden dürfen, ist gesetzlich geregelt. Laut Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV), § 2 Absatz 1, müssen Ärzte festgesetzte Höchstmengen einhalten. Innerhalb von 30 Tagen dürfen sie für einen Patienten bis zu 100.000 Milligramm (also 100 Gramm) Cannabis in Form getrockneter Blüten oder alternativ bis zu 1.000 Milligramm Cannabisextrakt (bezogen auf den Delta-9-THC-Gehalt) verschreiben.
Ausnahmen sind in begründeten Einzelfällen möglich, wenn ein Patient unter Dauerbehandlung steht und die erforderliche Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs eingehalten wird. Eine solche Ausnahme wird auf dem Rezept mit dem Buchstaben A kenntlich gemacht.
Das Gesetz legt zwar die Höchstmenge für medizinisches Cannabis fest, nicht aber den maximalen Wirkstoffgehalt. Dieser kann aufgrund der unterschiedlichen Cannabissorten stark schwanken. Auf dem Rezept müssen deshalb sowohl die Menge als auch die Cannabissorte verzeichnet sein.
Cannabissorten aus dem Ausland
Aktuell können Ärzte ihren Patienten 13 unterschiedliche Sorten Cannabis verordnen, die alle aus dem Ausland importiert werden müssen. Sie stammen aus kontrolliertem Anbau, entsprechen pharmazeutischen Qualitätsanforderungen und sind im Hinblick auf den Anteil der wichtigsten Cannabinoide standardisiert.
Sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Wirkstoffzusammensetzung und damit auch in ihrer Wirkung. Die neu eingerichtete Cannabisagentur des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist zurzeit dabei, einen staatlich überwachten Cannabisanbau in Deutschland einzuführen. Bis dahin werden Cannabisblüten und -extrakte für medizinische Zwecke eingeführt.
Begleitstudie dokumentiert die Therapie
Jede Therapie mit Medizinal-Cannabis muss für eine Begleitstudie dokumentiert werden. Diese dient ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken.
Der Arzt informiert den Patienten vor der Erstverordnung über die Datenerfassung. Wenn dieser zugestimmt hat, übermittelt der Arzt anonymisierte Behandlungs-Daten an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Sollte ein Arzt oder Patient die Beteiligung an der Begleitforschung verweigern, entfällt die Kostenerstattung durch die jeweilige Krankenkasse. Ziel der Begleiterhebung durch die Bundesopiumstelle im BfArM ist es, mehr über die Wirkung von Cannabis als Medizin zu erfahren.
Zu den Patientendaten, die der Arzt weitergibt, zählen etwa Alter, Geschlecht und Diagnose des Patienten. Des Weiteren spielen vorherige Behandlungen ebenso eine Rolle wie die Begründung, warum Medizinal-Cannabis zur Therapie ausgewählt wurde. Darüber hinaus fragt die Begleitstudie ab, in welcher Dosis Cannabis verabreicht, inwieweit es vertragen wird und ob es die Lebensqualität verändert.
Die Begleiterhebung ist für einen Zeitraum von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes geplant. Wenn die Ergebnisse vorliegen und ausgewertet sind, wird darüber entschieden, ob oder in welchem Umfang Cannabis als Medizin eine Kassenleistung bleiben soll.
Genehmigung durch die Krankenkasse
Vor Beginn einer Cannabis-Therapie muss die zuständige Krankenkasse die Kostenübernahme bewilligen. Die Krankenkasse zieht in diesen Fällen üblicherweise den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) zurate, um eine fachliche Einschätzung der Indikation zu bekommen.
Eine Entscheidung muss schließlich innerhalb von drei, wenn eine Begutachtung durch den MDK erfolgt, innerhalb von fünf Wochen getroffen sein. Ablehnen kann die Krankenkasse einen Antrag lediglich in begründeten Ausnahmefällen.
Wenn eine Cannabis-Therapie im Rahmen einer spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV nach § 37 b SGB V) erfolgen soll, beträgt die Genehmigungsfrist nur drei Tage.
Wird die Therapie für einen gesetzlich Versicherten auf Privatrezept verordnet, entfällt eine Genehmigung durch die gesetzlichen Krankenkassen, da diese Kosten nicht übernommen werden.
Das korrekte Rezept
Bei der Rezeptprüfung sind folgende Informationen notwendig:
- Ausstellungsdatum: Das Rezept muss innerhalb von sieben Tagen nach der Ausstellung in der Apotheke vorgelegt werden.
- Angabe der Blütensorte: Die Cannabis-Sorte muss explizit genannt werden, da sich die Sorten in ihrem Wirkstoff-Gehalt unterscheiden. Eine reine Wirkstoffverordnung unter Angabe des THC-Gehalts ist nicht zulässig.
- Dosierungsangabe: Wurde die Gebrauchsanweisung nur mit dem Hinweis "Gemäß schriftlicher Anweisung" auf dem Rezept kenntlich gemacht, so muss die Anweisung der Apotheke zusätzlich in schriftlicher Form vorliegen. Grund dafür ist die Kennzeichnungspflicht der Primärverpackung. Fehlt eine zusätzliche schriftliche Anweisung, darf die Rezeptur bis zur Klärung nicht hergestellt werden.
- Arztstempel: Grundsätzlich darf jeder Arzt Betäubungsmittel verordnen – ausgenommen davon sind Zahnärzte und Tierärzte, die nicht berechtigt sind, Cannabis als Medizin zu verschreiben.
- Menge/Höchstmengen: Die gesetzlich festgelegten Höchstmengen müssen eingehalten werden.
Ablehnungsquote
Seit der Gesetzesänderung im März 2017 sind etwa 16.000 Anträge auf Kostenübernahme einer Cannabis-Therapie bei den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland eingegangen. (Stand: Februar 2018) Davon sind mehr als 60 Prozent genehmigt worden.
Die vergleichsweise hohe Ablehnungsquote von rund 40 Prozent resultiert daraus, dass zum Teil auch bei banalen Diagnosen Cannabis-Therapien beantragt wurden, dass wirksame Therapie-Alternativen verfügbar oder Anträge mitunter unvollständig waren.
Aktuell ist im Gesetz lediglich von schwerwiegenden Krankheiten als Indikation für Medizinal-Cannabis die Rede. Diese Krankheiten mittelfristig und nach weiterer Forschung auch zu benennen, wäre wünschenswert.
Das würde mehr Klarheit und Sicherheit für alle Beteiligten schaffen – für die verordnenden und begutachtenden Ärzte, für die Patienten und für die Krankenkassen, die die Kosten für die Cannabis-Therapie tragen müssen.
Kosten einer Cannabis-Therapie
Eine Cannabis-Therapie ist vergleichsweise kostenintensiv. So werden beispielsweise krebskranken Patienten meist drei Gramm Cannabisblüten pro Tag verordnet, die sie über eine Apotheke beziehen.
Pro Gramm kosten Cannabisblüten etwa 22 Euro. Monatlich liegen die Kosten einer Therapie demnach zwischen 300 und 2.200 Euro. Eine alternative Opiattherapie wäre dagegen deutlich günstiger.
Weniger kostenintensiv sind allerdings auch cannabishaltige Fertigarzneimittel und Dronabinol-Rezepturen. So bewegen sich die durchschnittlichen Kosten für Dronabinol im Monat zwischen 70 und 500 Euro, für Sativex® zwischen 31 und 373 Euro sowie für Canemes® zwischen 1.026 und 2.052 Euro.
Es sollte vorab genau geprüft werden, ob die verordnete Cannabis-Therapie als notwendig für den Patienten, als zweckmäßig in der Indikation und als vergleichsweise wirtschaftlich einzustufen ist.