Interview: Welche Pflege braucht unsere Haut im Winter?
Die Haut ist nicht nur unser größtes Sinnesorgan, sondern auch wichtigste Schutzhülle und Schönheitsmerkmal. Grund genug, um pfleglich mit ihr umzugehen. Gerade in der kalten Jahreszeit ist sie zahlreichen Belastungen ausgesetzt und benötigt besondere Zuwendung. Bei der Hautpflege im Winter gibt es allerdings einiges zu beachten. Was genau? Das erklärt die Dermatologin Dr. Yael Adler im Interview.
Was passiert mit unserer Haut im Winter? Welche Umstände machen ihr besonders zu schaffen?
Im Winter wird unsere Haut trocken. Erstens, weil die Heizungsluft austrocknet. Zweitens, weil die kalte Luft draußen im Winter weniger Luftfeuchtigkeit enthält. Und drittens, weil bei niedrigen Temperaturen unser Gesichtsfett, also der Talg, genauso hart wird wie Butter im Kühlschrank. Das heißt: Draußen wird unsere "Gesichtsbutter" starr und verteilt sich nicht mehr so gleichmäßig auf der Haut, wie beispielsweise im warmen Bett. Deswegen neigt man gerade an den Stellen, die nicht so viele Talgdrüsen haben, zu trockener Haut. Die T-Zone im Gesicht dagegen bleibt oft noch etwas länger fettig.
Was lässt sich dagegen tun?
Wichtig ist, dass wir unsere Haut nicht so stark entfetten. Das bedeutet: Auf alkoholische Tinkturen, Peelings, Mizellenwasser, Seifen und sonstige Reinigungsflüssigkeiten besser verzichten. Das Gesicht sollte stattdessen nur mit warmem Wasser und einem Handtuch gereinigt werden. Bereits nach vier Wochen merkt man, was die Haut selbst alles schafft. Denn dann profitiert sie von ihren eigenen zwei Fettquellen: den Oberhautfetten aus der Epidermis und dem Talg aus den Talgdrüsen. Beide Fette vermischen sich zu einer Art Pflege- und Schutzcreme und halten unsere Haut natürlich gesund. In der Zwischenzeit sollten nur die Stellen eingecremt werden, die trocken sind oder spannen.
Worauf sollten wir bei der Hautpflege an anderen Körperregionen achten?
Auch hier gilt: Weniger ist mehr. Am besten auch den Körper nur mit warmem Wasser reinigen. Auf Seifen mit Duft-, Farb-, und Konservierungsstoffen, Schaum und Glitzer sollte verzichtet werden. Wenn man aber unbedingt eine Waschsubstanz verwenden will, bieten sich synthetische Tenside an. Synthetisch heißt: Sie sind künstlich hergestellt, im Optimalfall aber auf Naturprodukten basierend - nämlich auf Zucker und Kokos. Solche Waschsubstanzen gibt es im Bioladen zu kaufen. Ihr Vorteil: Sie sind mild und auf den Säureschutzmantel der Haut eingestellt. Gerade an schwitzigen Arealen kann so eine Waschsubstanz sinnvoll sein, aber natürlich auch an den Händen - vor allem nach dem Toilettengang, vor dem Essen und wenn man aus der Öffentlichkeit kommt.
Welche Rolle spielt die Ernährung? Brauchen wir Nahrungsergänzungsmittel?
Die Ernährung ist auch für die Hautgesundheit entscheidend: Es empfiehlt sich vor allem pflanzenbasiert, bunt, eiweiß- und ballaststoffreich zu essen. Auch fermentierte Lebensmittel, wie unpasteurisiertes Sauerkraut, dürfen gerne und regelmäßig auf dem Teller landen. Ansonsten kann es sinnvoll sein, das Blut auf alle Spurenelemente und Mineralstoffe zu prüfen: also vor allem Vitamin D , Omega-3-Fettsäuren, B-Vitamine, Eisen, Selen und so weiter. Gerade wer zu trockener Haut oder sogar zu Ekzemen neigt, hat beispielsweise häufig einen Zink- oder Biotinmangel. Falls dem Körper bestimmte Mikronährstoffe fehlen, können Nahrungsergänzungsmittel durchaus sinnvoll sein.
Gesundheit zum Hören: Hautpflege
Viele Hautprobleme entstehen durch zu viel oder die falsche Pflege. In unserem Podcast "Ist das noch gesund?" erklärt die Dermatologin Dr. Yael Adler, wie die Schutzfunktion unserer Haut funktioniert und wie wir sie dabei am besten unterstützen können.
Welche Hautpartien reagieren besonders sensibel aufs Winterwetter?
Empfindlich sind alle Hautpartien, die keine großen Talgdrüsen haben, wie beispielsweise die Unterschenkel, die Unterarme, die Hände und die Lippen . Letztere besitzen sogar gar keine eigenen Talgdrüsen und sind deswegen noch anfälliger für Austrocknung. Mein Tipp: Wer betroffene Stellen eincremen möchte, sollte dafür keine Feuchtigkeitscreme verwenden. Denn das darin enthaltene Wasser kann bei kalten Temperaturen Erfrierungen auf der Haut begünstigen. Eine Fettsalbe ist hier die bessere Wahl, aber auch Naturfette wie Sheabutter, Kakaobutter und Bienenwachs helfen bei spröden Hautstellen.
Was hilft denn gegen besonders betroffene, trockene und juckende Hautstellen?
Hier eignet sich eine Fettlotion mit dem Zusatzstoff Urea, weil dieser die Feuchtigkeit gut bindet. Ebenfalls empfehlenswert sind Cremes mit Derma Membran Struktur (DMS), wo keine Mineralöle drin sind. Diese können nämlich krebserregende Stoffe enthalten. Außerdem legen sie sich wie eine Art Plastikfolie über die Haut und verhindern so, dass sie richtig "atmen" kann. Das kennt man vor allem von Lippenpflege auf Mineralölbasis. Diese enthalten meistens auch noch hoch dosiert Glyzerin, durch das man dieses schmierige und vermeintlich pflegende Gefühl auf den Lippen bekommt. Aber unter diesem Fettfilm trocknet die Haut noch weiter aus. Besser also auf Pflegestifte mit natürlichen Fetten oder Wachsen zurückgreifen. Die gibt es im Bioladen oder in Apotheken zu kaufen.
Es gibt ja auch viele Hausmittel, die gegen spröde Lippen helfen, oder?
Genau. Honig ist zum Beispiel eine beliebte Lippenkur. Ich würde aber wie gesagt immer auf natürliche Fette setzen. Da das viele Menschen falsch machen, hier noch einmal ein wichtiger Hinweis: Die Haut nicht mit flüssigem Öl eincremen. Diese Mittel wirken nämlich wie ein Reiniger, da sie sich mit wertvollen Hautlipiden verbinden und diese einfach auswaschen. Deswegen sollte man Öle vor dem Auftragen immer mit einer Creme vermischen. Ein weiteres Mittel, um die Lippen schön geschmeidig zu halten, ist Küssen: Das macht nämlich nicht nur Spaß und baut Stress ab, sondern sorgt auch dafür, dass die Lippen stark durchblutet und Hautfette ausgetauscht werden. Sinnvoll ist diese Methode allerdings nur, wenn nicht zu nass geknutscht wird, denn Speichel trocknet die Haut zusätzlich aus.
Wann sollte man eine Hautärztin oder einen Hautarzt aufsuchen und warum?
Eine Ärztin oder einen Arzt sollte immer dann aufgesucht werden, wenn die Haut rot und rissig ist, juckt und schmerzt, und durch Pflege- oder Hausmittel nicht besser wird. Es kann sein, dass sich hier schon ein Ekzem gebildet hat. Betroffen sind oftmals Menschen, die sowieso unter Neurodermitis oder Schuppenflechte leiden. Da ist es besser, wenn man sich einen fachlichen Rat einholt. Manchmal muss dann eine antientzündliche und rezeptpflichtige Creme mit Kortison eingesetzt werden.
Welchen Einfluss hat das coronabedingte Maskentragen auf die wintergestresste Haut?
Durch das Maskentragen haben viele Leute Hautprobleme bekommen. Sehr häufig kommt es zum Beispiel zur perioralen Dermatitis - im Volksmund als "Stewardessenkrankheit" bekannt. Durch das feuchte Milieu unter der Maske entstehen hier kleine rote Pickel und Bläschen rund um den Mund bis hin zu den Augen. Gerade jetzt ist die richtige Pflege wichtig, also keine Feuchtigkeitscreme, sondern vielleicht nur ein mineralisches Puder auftragen. Das darin enthaltene Zink-, Eisen- oder Titanoxid beruhigt die Haut, wirkt antientzündlich und saugt den Überschuss an Feuchtigkeit auf. Auch Umschläge mit Schwarztee-Beuteln können die Symptome lindern. Da eine periorale Dermatitis aber zu Rückfällen neigt, verordnen Hausärztinnen und Hausärzte manchmal auch eine wirksame Zinkschüttelmixtur oder verschreiben ein niedrig dosiertes antientzündlich wirkendes Antibiotikum.
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Und wie sieht es aus mit häufigem Händewaschen und Desinfizieren?
Das ständige Händedesinfizieren hat zu einem Anstieg von Handekzemen geführt. Die geschwächte Hautbarriere begünstigt zudem Kontaktallergien oder Unverträglichkeiten von Duft- oder Pflegestoffen. Deswegen ist es gerade jetzt wichtig, dass man sich die Hände nach dem Waschen immer eincremt. Ich rate, auf häufiges Desinfizieren besser zu verzichten und nur dann darauf zurückzugreifen, wenn es keine Möglichkeit gibt, sich die Hände zu waschen.
Wie sieht es eigentlich mit Sonnenschutz im Winter aus?
Ab einem UV-Index 3 ist ein Sonnenschutz bei Hellhäutigen notwendig. Im Winter sollte man sich also vor allem auf einem Berg beim Skifahren schützen. Ansonsten können auch hellhäutige Menschen in der dunklen Jahreszeit darauf verzichten und sollten erst ab März wieder zur Sonnencreme greifen.