Das Gesundheitswesen wird zunehmend digitaler. Von der Online-Terminvereinbarung über Gesundheits-Apps bis zur elektronischen Patientenakte (ePA) - digitale Technologien ziehen in die alltägliche Gesundheitsversorgung ein. Das birgt enorme Chancen für Versicherte, aber auch für Leistungserbringer und Krankenkassen. Doch um diese Chancen voll auszuschöpfen, müssen wir eines stärken: die digitale Gesundheitskompetenz.

Was bedeutet digitale Gesundheitskompetenz?

Es geht weit über die bloße Smartphone-Nutzung hinaus. Es ist die Fähigkeit, sich in der digitalen Gesundheitswelt sicher zurechtzufinden. Dazu gehört:
•    Online-Informationen finden, verstehen, bewerten und anwenden: Gesundheitsinformationen kritisch hinterfragen und seriöse Quellen erkennen.
•    Digitale Angebote nutzen: Online-Services der Krankenkasse, Telemedizin oder Gesundheits-Apps effektiv anwenden.
•    Gesundheitsdaten verstehen und nutzen: Mit der ePA bekommen Patienten erstmals die Kontrolle über ihre eigenen Daten. Dies sollten sie souverän und kompetent nutzen können.
•    Grundlegende Gerätebedienung: Sicherer Umgang mit PCs, mobilen Geräten.
•    Datenschutz und -sicherheit: Wissen, wie eigene sensible Daten geschützt werden können.
•    Einschätzung und Umgang mit neuen Technologien: Grundlagen von KI und Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT im Gesundheitskontext verstehen, um Potenziale und Grenzen realistisch einzuschätzen.

Warum ist digitale Gesundheitskompetenz so wichtig? 

Die 2021 veröffentlichte repräsentative Studie (HLS-GER 2) zeigte, dass drei von vier Menschen in Deutschland eine geringe digitale Gesundheitskompetenz aufweisen. Dies verdeutlicht einen erheblichen Nachholbedarf und ein "digital divide", insbesondere bei älteren Menschen.

Marcel Weigand

Marcel Weigand, Moderator, Berater und Host des Podcasts "Mit Daten heilen" Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Moderator, Berater und Host des Podcasts "Mit Daten heilen"

Für Versicherte bedeutet eine gestärkte digitale Gesundheitskompetenz mehr Selbstbestimmung, besseren Zugang zu Informationen und Angeboten, Effizienz im Alltag (z.B. durch Online-Terminvereinbarungen) und eine Stärkung der Prävention. Studien zeigen beispielsweise, dass eine hohe digitale Gesundheitskompetenz mit einer effizienteren Nutzung digitaler Gesundheitsdienste und einer höheren Patientenzufriedenheit einhergeht. 

Für das Gesundheitswesen bedeutet eine höhere digitale Gesundheitskompetenz der Versicherten eine Entlastung des Gesundheitssystems, weniger Verwaltung und effizientere Kommunikation, bessere Mitwirkung bei der Therapie.

Eine konzertierte Aktion für digitale Gesundheitskompetenz

Die Bedeutung digitaler Kompetenzen hat auch die Politik erkannt. Die neue Bundesregierung hat die Verbesserung der Digitalkompetenzen in der Bevölkerung als klaren Schwerpunkt ihrer Agenda formuliert und spricht von einer Kompetenzoffensive. Doch wir dürfen dabei die Herausforderungen nicht außer Acht lassen: Nicht jeder hat den gleichen Zugang oder die gleichen Fähigkeiten. Hier sind wir alle gefordert, den "digital divide" zu überwinden. Wenn sich Angebote an digital Vorgebildete richten, vergrößern wir die Kluft zwischen den beiden Enden weiter.

Wir benötigen daher eine bedarfsorientierte Gestaltung von Maßnahmen zur Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz. Angebote müssen am tatsächlichen Bedarf und den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtet sein, um erfolgreich zu sein und Akzeptanz zu finden. Das bedeutet, genau hinzuhören, wo die Unterstützung benötigt wird.

Um geeignete Angebote in die Fläche zu bringen, schlage ich eine konzertierte Aktion Digitale Gesundheitskompetenz vor. Diese Initiative sollte Bund, Länder, Krankenkassen, Leistungserbringer, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammenbringen, um:

1.    Niedrigschwellige und zielgruppenspezifische Angebote zur Kompetenzvermittlung zu entwickeln, die den kritischen Umgang mit Informationen und Daten sowie das Verständnis neuer Technologien vermitteln.

2.    Standards für nutzerfreundliche digitale Gesundheitsanwendungen zu etablieren, die Usability für alle Kompetenzniveaus gewährleisten.

3.    Datenkompetenz und Funktionsweise von KI zu vermitteln.

4.    Forschungsaktivitäten zur digitalen Gesundheitskompetenz zu intensivieren, um den Bedarf noch präziser zu erfassen und die Wirksamkeit von Maßnahmen zu evaluieren.

5.    Enge Koordination mit der von der Bundesregierung geplanten digitalen Kompetenzoffensive inkl. einer nationalen Digitalkompetenzkampagne zu starten, die die Chancen der digitalen Gesundheit aufzeigt und gleichzeitig über Risiken aufklärt, um Vertrauen zu schaffen.

Die Stärkung der digitalen Gesundheitskompetenz ist eine gemeinsame Investition in Ihre Gesundheit und in die Zukunftsfähigkeit unseres Gesundheitssystems. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass alle Menschen in die Lage versetzt werden, sich sicher und kompetent in der digitalen Gesundheitswelt zu bewegen und die Potenziale neuer Technologien verantwortungsvoll zu nutzen. Denn digitale Gesundheit ist mehr als nur ein Trend - sie ist die Zukunft der Gesundheitsversorgung, und diese Zukunft hat längst begonnen.

Zur Person

Marcel Weigand ist freiberuflicher Moderator, Berater und Host des Podcasts "Mit Daten heilen" sowie seit 2024 Leiter Politische Kommunikation bei der TMF e.V.  Seine berufliche Laufbahn begann er als Dipl. Sprachheilpädagoge 1999 in einer neurologischen Klinik. Nach dem Studium Gesundheitswissenschaften war er beim Gemeinsamen Bundesausschuss für die stationäre Qualitätssicherung tätig. Ab 2007 war er Referatsleiter bei der UPD. Anschließend leitete er neun Jahre die Weisse Liste der Bertelsmann Stiftung. Von 2019-2023 war er Leiter Digitale Transformation bei der Unabhängigen Patientenberatung. Er ist zertifizierter Auditor und Qualitätsmanagementbeauftragter (DGQ).