TK: Herr Dr. Holleczeck, Sie leiten das Saarländische Krebsregister. Wie funktioniert das genau und was sind Ihre Aufgaben?

Dr. Bernd Holleczek: Das Krebsregister Saarland, das im Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit angesiedelt ist, sammelt auf gesetzlicher Grundlage flächendeckend Informationen zu Tumorerkrankungen, deren Behandlung und Verlauf. Diese erhält es von den in ambulanten und stationären Einrichtungen im Saarland tätigen Ärztinnen und Ärzten, den regionalen Gesundheitsämtern sowie anderen Krebsregistern.

Dr. Bernd Holl­eczek

Dr. Bernd Holleczek leitet das Krebsregister Saarland Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiter des Saarländischen Krebsregisters

Erhebung, Zusammenführung und Nutzbarmachung der Daten sowie Bereitstellung und Einsatz der hierfür erforderlichen Ressourcen werden von mir koordiniert. Eine enge Zusammenarbeit mit der im Land tätigen Ärzteschaft und den anderen Landeskrebsregistern sind gleichermaßen Voraussetzung für die seit Jahrzehnten erreichte hohe Qualität der Daten und deren kontinuierliche Nutzung für die Krebsbekämpfung. Die weitere Digitalisierung des Krebsregisters und der zukünftige Einsatz von KI-Verfahren in der Krebsregistrierung nehmen einen großen Raum ein.

TK: Warum ist das Register aus Ihrer Sicht so wichtig?

Mit den gesammelten Daten können Erkenntnisse gewonnenen werden, die repräsentativ für die Gesamtbevölkerung und die Gesamtheit aller Versorgungseinrichtungen sind. Dr. Bernd Holleczek

Dr. Holleczek: Im Gegensatz zu Datenerhebungen einzelner Kliniken oder Krankenkassen fließen in die Krebsregister alle Neuerkrankungen und Behandlungsfälle fortlaufend und flächendeckend ein. Somit können mit den gesammelten Daten Erkenntnisse gewonnenen werden, die repräsentativ für die Gesamtbevölkerung und die Gesamtheit aller Versorgungseinrichtungen sind. Dies ist ein Alleinstellungsmerkmal und unabdingbar für die vielfältigen Aufgaben der Krebsregister, zu denen das Monitoring der Häufigkeit und Auswirkungen von Tumorerkrankungen in der Bevölkerung, die Bewertung von Krebsfrüherkennungsmaßnahmen sowie die Nutzung der Daten für die Qualitätssicherung in der Onkologie, die Analyse der Versorgungssituation oder Bereitstellung von Forschungsdaten gehören. 

TK: Das saarländische Krebsregister ist das zweitälteste epidemiologische Register Westdeutschlands. Wie profitiert das Land davon und welche Erkenntnisse konnte man durch die Arbeit des Registers bisher ziehen?

Dr. Holleczek: Das Krebsregister stellt seit mehr als einem halben Jahrhundert unterschiedlichen Personen- und Interessensgruppen - etwa den onkologisch tätigen Ärztinnen und Ärzten, der Wissenschaft aber auch interessierten Bürgerinnen und Bürgern oder der Politik - fortlaufend aktuelle und detaillierte Informationen zum Krebsgeschehen und für die Krebsbekämpfung zur Verfügung. 

Beispiele für besonders relevante Ergebnisse aus dem saarländischen Krebsregister sind der berichtete Rückgang der Inzidenz und Mortalität durch Gebärmutterhalskrebserkrankungen nach Einführung der Krebsvorsorge für Frauen ab Beginn der 1970er Jahre, Untersuchungen zur Häufigkeit von Krebserkrankungen auf lokaler Ebene ("Krebsatlas Saarland") seit den 1990er Jahren, flächendeckende Studien zum Nutzen leitliniengerechter Behandlung von Brustkrebserkrankungen in den 2000er Jahren oder Studienergebnisse über Senkung der Darmkrebssterblichkeit durch die Vorsorgekoloskopie als zentraler Bestandteil der gesetzlichen Darmkrebsfrüherkennung. Zuletzt konnte mit Daten des saarländischen Krebsregisters gezeigt werden, dass im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie nach geringerer Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen bevölkerungsweit rund 17 Prozent weniger Darmkrebserkrankungen frühzeitig entdeckt wurden als in den Vorjahren.

Insgesamt zeigen die Daten des Krebsregisters, dass die Zahl der Tumorerkrankungen in der alternden Bevölkerung des Saarlandes stetig zunimmt. Dr. Bernd Holleczek

Insgesamt zeigen die Daten des Krebsregisters, dass die Zahl der Tumorerkrankungen in der alternden Bevölkerung des Saarlandes stetig zunimmt, wenngleich das Erkrankungs- und Sterberisiko seit mehreren Jahrzehnten - dank verbesserter Früherkennungs- und Therapiemöglichkeiten - insgesamt rückläufig ist. 

TK: Das Krebsregister besteht aus einem klinischen und einem epidemiologischen Teil. Was sind die Unterschiede und welchen Teil kommt eine größere Bedeutung zu?

Dr. Holleczek: Epidemiologische Fragestellungen geben beispielsweise Auskunft über die Häufigkeit von Tumorerkrankungen und deren Sterblichkeit in der Bevölkerung, die Auswirkungen von Präventions- oder Früherkennungsmaßnahmen oder die Einwirkung von Krebsrisikofaktoren. Klinische Fragestellungen nehmen dagegen die Versorgung von Tumorpatientinnen und -patienten in den Fokus und untersuchen etwa, welchen Einfluss einzelne Therapien auf Prognose und Lebensqualität haben oder wie hoch das Rückfallrisiko von Krebserkrankungen ist. Bezogen auf die Arbeit des Krebsregisters und die Krebsbekämpfung sind klinische und epidemiologische Fragestellungen lediglich zwei Seiten derselben Medaille, die gleichermaßen relevant sind.

TK: Welche Chancen sehen sie aus Ihrer Sicht in einer breiteren Nutzung von Gesundheitsdaten - wie sie etwa den Krankenkassen vorliegen - für die medizinische Versorgung? 

Eine breitere Nutzung von Gesundheitsdaten wird Motor für weitere Innovationen im Gesundheitswesen sein. Dr. Bernd Holleczek

Dr. Holleczek: Eine breitere Nutzung von Gesundheitsdaten wird Motor für weitere Innovationen im Gesundheitswesen sein. Um dieses Ziel für die Krebsbekämpfung zu erreichen, arbeiten die Krebsregister gemeinsam mit weiteren Partnern und Organisationen bereits an Modellen und Infrastrukturen, damit die besonders sensiblen und schutzwürdigen Daten in den Krebsregistern zukünftig anlassbezogen und hierbei einheitlich und sicher zusammen mit anderen Datenbeständen - beispielsweise den Daten der Krankenkassen - genutzt werden können mit dem Ziel, dass beispielsweise Forschungsergebnisse zukünftig schneller in die Routineversorgung einfließen können.