TK: Sehr geehrte Frau Ministerin, die medizinische Versorgung ist gegenwärtig so stark im öffentlichen Fokus, wie selten zuvor. Dabei spielen bundespolitische Reformen ebenso eine Rolle wie landespolitische Entscheidungen. Was sind aus Ihrer Sicht die dringlichsten Themen im Gesundheitsbereich?

Stefanie Drese: Im Gesundheitsbereich mangelt es derzeit nicht an dringenden Themen. Zusammenfassend könnte man sie vermutlich aber unter eine einzelne Überschrift stellen: Wie können wir unser Gesundheitswesen so reformieren und weiterentwickeln, dass für alle Bürgerinnen und Bürger in unserem Bundesland eine gute Gesundheitsversorgung auch für die kommenden Jahre erhalten bleibt? Denn die Rahmenbedingungen hierfür verändern sich gerade. Wir befinden uns im demografischen Wandel, wodurch sich einerseits die Versorgungsbedarfe der Bevölkerung verschieben und wir andererseits vor der Herausforderung stehen, die dafür notwendigen Fachkräfte zu gewinnen. Gleichzeitig erleben wir in verschiedenen Bereichen der Medizin eine Revolution. Sichtbar geworden sind große Entwicklungssprünge zum Beispiel bei der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen während der Corona-Pandemie, in der Digitalisierung und insbesondere bei datenbasierten Verfahren. Die Aufgabe der Politik ist es nun, aus diesen Herausforderungen und Chancen das Beste herauszuholen. Hierfür arbeiten wir gerade an großen Strukturreformen, wie der Krankenhausreform oder der Reform der Notfallversorgung. Parallel treiben wir die Modernisierung des Gesundheitswesens voran. Hierzu zählt unter anderem die Digitalisierung aber auch die Weiterentwicklung der Berufsbilder im Gesundheitswesen oder der Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst - damit unsere medizinische Versorgung insgesamt zukunftsfest wird und wohnortnah und qualitativ hochwertig bleibt.

Stefanie Drese

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Ministerin für Soziales, Gesundheit und Sport des Landes Mecklenburg-Vorpommern

TK: Die Krankenhausreform sticht durch ihren Umfang und ihre tiefgreifenden Auswirkungen heraus. Dabei ist der Reformprozess eine Chance, um die regionale Perspektive eines großen Flächenlandes in die bundespolitische Arbeit einzubringen. Welche Aspekte sehen Sie dabei besonders im Fokus?

Drese: Die Krankenhausreform stellt in der Tat aktuell das größte Vorhaben dar. Trotz oder eben auch wegen des massiven Umfangs dieser Reform ist sie aus meiner Sicht absolut notwendig, um den ökonomischen Druck auf unsere Krankenhäuser zu verringern und Fehlanreize zu vermeiden. Dennoch wird sich die Reform in Mecklenburg-Vorpommern anders auswirken, als in den meisten anderen Bundesländern. Unsere Krankenhauslandschaft hat bereits in den 90er Jahren einen Konzentrationsprozess durchlaufen, der in vielen neuen Bundesländern noch aussteht. Wir haben momentan 37 Krankenhäuser im Land, die für die Versorgung in der Fläche bei uns notwendig sind und zum Teil deshalb auch Sicherstellungszuschläge beziehen. Jedes dieser Häuser brauchen wir. 

Aber auch darüber hinaus gibt es in Mecklenburg-Vorpommern Grundvoraussetzungen, die uns von anderen Ländern unterscheiden. Neben unserer geringeren Bevölkerungsdichte gehört dazu zum Beispiel unsere überdurchschnittlich alte Bevölkerung und die damit einhergehende Krankheitslast. Auch saisonale Spitzen durch Urlauberinnen und Urlauber, die es im Sommer an die Küsten, Seen und Flüsse unseres Bundeslandes zieht, gilt es zu berücksichtigen. Das sind einige der Punkte, die ich deshalb regelmäßig in den Diskussionen in Berlin und auch als Vertreterin der Ostländer in der Redaktionsgruppe für den Gesetzesentwurf in den Diskurs einbringe. 

Trotzdem wird es im Rahmen der Reform auch bei uns Veränderungen geben. Nicht jedes Haus, das heute Knie-OPs anbietet, muss das weiterhin tun, das gleiche gilt für die Behandlungen von Krebs-Operationen oder auch von Schlaganfällen. Hier setzen wir uns dafür ein, dass die Leistungen in der Fläche so vorgehalten werden können, wie es für eine angemessene Versorgung auch notwendig ist. 

TK: Die Versorgungssektoren werden bislang beide unabhängig voneinander geplant. Und auch bei der Krankenhausreform wird der ambulante Bereich noch nicht intensiv mitgedacht. Wie kann es aus Ihrer Sicht gelingen, ein sektorenunabhängiges Verständnis von regionaler Versorgung zu etablieren?

Drese: Es gibt im Land bereits erfolgreiche Bestrebungen, die Gesundheitsversorgung sektorenunabhängig und regional zu denken und dieses Konzept mit Leben zu füllen. Viele unserer Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheken und auch Pflegeeinrichtungen haben sich so zum Beispiel schon regional miteinander vernetzt und arbeiten gut zusammen. Genau diese Kooperation braucht es in Zukunft noch viel stärker. Es freut mich daher, dass ich diese Kultur gerade bei der jüngeren Generation ganz besonders erlebe. Wenn die Akteure im Gesundheitswesen positive Erfahrungen mit diesen Vernetzungen machen und einen persönlichen Mehrwert spüren, kann ein solches sektorenunabhängiges Verständnis von Versorgung immer weiterwachsen.

Eine sektorenunabhängige regionale Organisation der Gesundheitsversorgung ist allerdings ebenso wenig Selbstzweck wie die aktuell stark aufgeteilte Versorgungslandschaft. Hier hilft es aus meiner Sicht. einen Schritt zurückzutreten und auf das große Ganze zu schauen. Die Frage ist doch, wie wir es schaffen mit den gegebenen Rahmenbedingungen das Beste an Gesundheitsversorgung für die Menschen in unserem Land herauszuholen. Wenn wir die Versorgung der Menschen verbessern können, indem wir das Gesundheitswesen stärker sektorenunabhängig organisieren, dann sollten wir das auch tun.

TK: Sie unternehmen auch im Land zahlreiche Anstrengungen, um die regionale Versorgung zu sichern. Welche Bereiche erfordern gegenwärtig besonders viel Aufmerksamkeit?

Drese: Neben der Krankenhausreform arbeiten wir noch an einer Vielzahl von anderen Themen. So bereiten wir zum Beispiel gerade zusammen mit dem Bund eine Reform der Notfallversorgung vor. Ein weiteres großes Vorhaben ist die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Hierbei geht es um eine personelle Verstärkung, aber auch um eine technische Modernisierung und Digitalisierung der Strukturen und Prozesse. Darüber hinaus werden in der ambulanten Versorgung gerade die Voraussetzungen für neue Versorgungsformen geschaffen, beispielsweise die Gesundheitskioske. Den ersten dieser Kioske haben wir in Neubrandenburg gerade eröffnen dürfen. 

Dazu kommen weitere wichtige Themen, die unsere Aufmerksamkeit erfordern. Das Zielbild 2030 für die Pädiatrie und Gesundheitshilfe zum Beispiel und unsere Landespräventionsstrategie für die Umsetzung unser Gesundheitsziele in Mecklenburg-Vorpommern. Aber auch unsere Gesundheitskommission, die wir in dieser Legislaturperiode eingesetzt haben, um zusammen an den Empfehlungen der Enquete-Kommission zur Zukunft der medizinischen Versorgung in unserem Land zu arbeiten. Wie Sie sehen tut sich also vieles im Bereich unserer regionalen Versorgung.

TK: Gibt es Entwicklungen im Gesundheitswesen, die Sie grundsätzlich mit Sorge betrachten?

Drese: Grundsätzlich bin ich ein positiver Mensch und ich sehe auch in unserem Gesundheitswesen vor allem großes Potenzial, um die anstehenden Herausforderungen gut zu bewältigen. Viele Dinge können wir selbst positiv beeinflussen, damit sie gar nicht zu einem Thema werden, das uns Sorgen bereiten muss. Das fängt bei jedem von uns im Alltag an. Durch den demografischen Wandel steigt beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass chronische Erkrankungen zunehmen, die durch den Lebensstil beeinflusst werden - wie Diabetes. Wir können sehr viel dafür tun, um uns selbst lange gesund zu halten: Durch gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und einen konstruktiven Umgang mit Stress. Und wenn wir dann noch nicht (mehr) rauchen und wenig Alkohol trinken, haben wir schon ganz viel Gutes für uns und unsere Gesundheit getan.

Wichtig ist mir außerdem, dass die Gesundheitsversorgung für alle Menschen zugänglich ist und alle angemessen versorgt werden können. Hierfür ist einerseits wichtig, dass wir das Gesundheitssystem nicht immer noch komplizierter machen. Jeder von uns sollte schnell und sicher herausfinden können, wo er im Fall der Fälle die richtige Versorgung erhält. Hierzu gehört einerseits die Gesundheitskompetenz eines jeden von uns, und auf der anderen Seite haben die Verantwortlichen im Gesundheitswesen auch die Aufgabe, verständlich und einfach zu kommunizieren. Die aktuellen Reformvorhaben bringen auch einiges an Unruhe mit sich. Das ist ganz natürlich und gehört mit dazu. Das bedeutet aber auch, dass allen Beteiligten die Aufgabe zuteilwird, diese Vorhaben gut zu erklären. 

TK: Wie können die Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen dabei helfen, diesen Entwicklungen entgegenzutreten?

Drese: Mir ist wichtig, dass die Verantwortungsträger in der Gesundheitsversorgung gerade in Zeiten von großen Veränderungen konstruktiv und kooperativ zusammenarbeiten. Hier sehe ich manchmal noch Luft nach oben und versuche auch selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. Ein guter Streit in der Sache kann viel zu einer guten Lösung beitragen und sollte deshalb ruhig auch geführt werden. Polemik oder unsachliche Argumente verhindern dagegen gute Lösungen und verunsichern die Menschen unnötig. 

Mit dem System der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen haben wir in unserem Land den Akteuren eine große Autonomie eingeräumt, um sich selbst und die Gesundheitsversorgung zu organisieren. Hier gilt es jetzt, dass die Selbstverwaltung ihre Spielräume bestmöglich ausnutzt.

TK: Wie weit werden Sie mit Ihren Reformplänen in der laufenden Legislaturperiode kommen?

Drese: Ich sehe uns hier auf einem guten Weg. Viele große Reformvorhaben sind bereits angestoßen und befinden sich gerade in der Umsetzung. Ich bin guter Dinge, dass wir bis zum Ende der Legislatur noch viel erreichen werden

TK: Frau Ministerin, Sie sind vielbeschäftigt. Haben Sie da noch Zeit für Freizeitaktivitäten? Wenn ja, verraten Sie uns welche, eher an frischer Luft oder mit einem guten Buch und einem Glas Rotwein?

Drese: Wann immer es die Zeit zulässt, verbringe ich am liebsten ein paar ruhige Minuten mit meiner Familie. Ansonsten bin ich tatsächlich viel an der frischen Luft, mit meinem Hund zum Beispiel oder auch in meinem Garten.