Konkrete Vorschläge für eine Krankenhausreform werden seit Jahren diskutiert - zwischen Bund und Ländern herrscht dabei weitestgehend Uneinigkeit. Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) hat Mitte Mai nun die Hürde im Bundeskabinett genommen, und damit beginnt der eigentliche parlamentarische Prozess.

Im Interview beleuchtet Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung, an welchen Punkten am Entwurf des KHVVG gefeilt werden sollte, wie sich eine bessere Behandlungsqualität trotz des demografischen Wandels erreichen ließe und welche Auswirkungen in Hamburg zu erwarten sind.

TK: Frau Puttfarcken, die Politik beschäftigt sich seit eineinhalb Jahren mit dem Thema einer Krankenhausreform. Ein weiter Weg von den ersten Vorschlägen der Regierungskommission im Dezember 2022 bis zum Beschluss des KHVVG-Entwurfs durch das Bundeskabinett am 15. Mai. Wieviel ist von den ersten Vorschlägen geblieben?  

Maren Puttfarcken: Die ursprüngliche Idee der Krankenhausreform war, dass sich die Kliniken in Deutschland stärker spezialisieren und die Arbeit besser untereinander aufteilen. Nur die Krankenhäuser, die die nötige Ausstattung und Erfahrung haben, sollten komplexere Eingriffe vornehmen können. In den weniger spezialisierten Häusern sollten weiter eine Basisversorgung sowie die Notfallversorgung sichergestellt werden. Insbesondere die Spezialisierung der Kliniken ist für eine bessere Qualität der Behandlung von großer Bedeutung. Vor allem einheitliche und verbindliche Kriterien sind wichtig, um das Reformziel "mehr Qualität mit bedarfsgerechten Strukturen" zu erreichen. Über diese Grundsätze und den ursprünglichen Gedanken der Regierungskommission herrschte weitestgehend Einigkeit - sowohl im Gesundheitswesen insgesamt als auch in der Politik. 

Im politischen Prozess wurden dann allerdings immer mehr Kompromisse gemacht - zulasten dieser Grundidee. Um etwa Einigung zwischen Bund und Ländern zu erreichen, wurden immer mehr Ausnahmeregelungen aufgenommen. Außerdem wurden "Geschenke" wie ein Transformationsfonds oder die Abschaffung der Einzelfallprüfung von Krankenhausrechnungen hinzugefügt. Trotzdem wird der Reformentwurf weiterhin von allen Seiten kritisiert, und man gewinnt den Eindruck, dass das ursprüngliche Ziel aus den Augen verloren gegangen ist und es vor allem um den Erhalt von Krankenhäusern sowie "mehr Geld" geht. Das ist bitter, denn eine Reform der stationären Versorgung ist dringend notwendig. 

Maren Puttfarcken

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Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

Wir weisen schon lange daraufhin, dass der Krankenhausplan in Hamburg seit 2015 weitestgehend fortgeschrieben wird und eigentlich eine Neuaufstellung orientiert am Bedarf und an der Qualität der Behandlung notwendig wäre. Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

TK: Worin besteht das Problem beim Transformationsfonds und den Stichprobenprüfungen?

Puttfarcken:  Die guten Entwürfe zum KHVVG wurden im Prozess einer möglichen Einigung der Positionen zwischen Bund und Ländern leider inhaltlich ausgehöhlt und stattdessen durch zahlreiche finanzielle Lasten für die Beitragszahlenden in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ergänzt. Ein Beispiel dafür ist der geplante Transformationsfonds, der nun zur Hälfte aus den Mitteln der Beitragszahler finanziert werden soll. Grundsätzlich ist es richtig, dass die Veränderungen, die die Krankenhausreform für die Krankenhäuser mit sich bringen, auch finanziert werden müssen. Aber Investitionskosten, die diese Transformation verursachen, sind originär Ländersache. Es ist auch zu befürchten, dass mit dem Transformationsfonds ein Stück weit der riesige Investitionsstau der vergangenen Jahre abgebaut werden soll. Damit würden die Beitragsgelder der GKV-Versicherten weiter zweckentfremdet. Dass dies auch rechtlich eine schwierige Konstellation ist, hat erst kürzlich ein Gutachten der Universität Hamburg bestätigt.

Auch bei der Prüfung von Krankenhausrechnungen sind Änderungen geplant. Mit dem etablierten Instrument der Einzelfallprüfungen von Krankenhausrechnungen durch die Krankenkassen gibt es einen bewährten Weg, um sicherzustellen, dass die Gelder der Beitragszahlenden wirtschaftlich und richtig eingesetzt werden. Statt - wie bisher - gezielt auffällige und unplausible Rechnungen der Kliniken zu überprüfen, soll in Zukunft eine zufällig erhobene Stichprobe an Krankenhausrechnungen überprüft werden. Wie das zu weniger Bürokratie führen soll, ist dabei völlig rätselhaft. Sicher ist aber, dass den Krankenversicherungen erhebliche finanzielle Belastungen durch das Bezahlen von sachlich unbegründeten Rechnungen entstehen werden. Und das wird letzten Endes die Beitragszahlenden belasten. 
 

TK: Sind die Auswirkungen auf das Land Hamburg abzusehen?

Puttfarcken: In Hamburg hat die zuständige Sozialbehörde bereits angekündigt, den neuen Krankenhausplan nach den Kriterien Qualität und Spezialisierung auszurichten. Auch kam das Signal, dass es für die Hamburger Krankenhauslandschaft und die stationäre Versorgung zu Veränderungen kommen wird, ob nun mit oder ohne das KHVVG. Wir begrüßen das ausdrücklich. Wir begleiten diesen Prozess gern mit und bringen unsere Expertise in den entsprechenden Gremien ein.

Wir weisen schon lange daraufhin, dass der Krankenhausplan in Hamburg seit 2015 weitestgehend fortgeschrieben wird und eigentlich eine Neuaufstellung orientiert am Bedarf und an der Qualität der Behandlung notwendig wäre. Dabei wünschen wir uns eine stärkere offene Diskussion über die Weiterentwicklung der stationären Versorgungsstrukturen in Hamburg. Anders als im ländlichen Raum haben wir in Hamburg auch keinen Versorgungsmangel. Eher ist es so, dass die fehlende Abstimmung der Angebote aufeinander und der Wettbewerb um möglichst hohe Erlöse dazu führen, dass die medizinische Versorgung nicht immer konsequent am Interesse und Bedarf der Patientinnen und Patienten ausgerichtet ist. Hier muss die Krankenhausplanung aus unserer Sicht gegensteuern und Spezialisierungen von Kliniken in Hamburg noch stärker fördern. Auch der Blick über die Landesgrenzen hinaus ist in diesem Zusammenhang wichtig.

Das kann auch bedeuten, überflüssige Kapazitäten in der Krankenhauslandschaft abzubauen oder umzuwandeln. Das ist auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels angebracht. Eine stärkere Konzentration von Leistungen an weniger Standorten könnte Abhilfe schaffen.

Aus unserer Sicht ist es gut und wichtig, dass die Sozialbehörde den Krankenhausplan in den Blick nimmt. Und wir hoffen, dass die anstehende Bürgerschaftswahl diesen wichtigen Prozess nicht verlangsamt oder gar ausbremst. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein.

Im Blog "Wir Techniker" erklärt Frank Schnitzler, TK-Experte für stationäre Versorgung, wie die Einzelfallprüfung funktioniert und warum der geplante Systemwechsel nicht zur Entbürokratisierung beitragen würde.