Die Nationale Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft fand zum 18. Mal in Rostock statt. In diesem Jahr lautete der Veranstaltungstitel: "#Gesundheit2023: Innovation und Zusammenarbeit für eine nachhaltige Zukunft". Mehr als 600 Expertinnen und Experten aus ganz Deutschland und Partnerland der diesjährigen Konferenz Irlandkommen zusammen, um über aktuelle Herausforderungen und potenzielle Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren. Als Techniker Krankenkasse bringen wir uns in diesen Prozess ein und adressieren mit den fünf Impulsen wichtige Reformbedarfe, damit die Gesundheitsversorgung in Mecklenburg-Vorpommern auch zukünftig qualitativ hochwertig und regional erreichbar ist.

Krankenhausfinanzierung bundesweit einheitlich regeln

Mehr als 85,9 Milliarden Euro stellte die gesetzliche Krankenversicherung im Jahr 2021 für die Vergütung von Krankenhausleistungen zur Verfügung. Das bislang gültige DRG-Vergütungssystem soll nun nach Willen des Bundesgesetzgebers reformiert werden. Die Erstattung von Kosten, die auch ohne medizinischen Eingriff entstehen, sogenannte Vorhaltekosten, nimmt in den Reformplänen einen zentralen Stellenwert ein. Diese sollen vor allem kleineren Kliniken in ländlichen Regionen sowie bei hochspezialisierten Leistungen der Maximalversorger helfen, bei geringen Fallzahlen solide zu wirtschaften. Damit der grundgesetzliche Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Bundesländern gewahrt bleibt, braucht es für die erfolgreiche Finanzierung bundesweit einheitlich, möglichst genau ausdifferenzierte Leistungsgruppen. Die Inhalte der Leistungsgruppen und die Qualitätsvoraussetzungen sind dabei entsprechend zu berücksichtigen. So können die Vorhaltekosten dann an die jeweiligen Leistungsgruppen gekoppelt werden und es wird eine evidenzbasierte - und damit bundesweit einheitliche - Zuordnung der Leistungsgruppen zu den jeweiligen Krankenhauslevel möglich. Damit die Vorhaltekosten nicht zu einem Subventionsvehikel für nicht bedarfsnotwendige Strukturen werden, braucht es bundesweit einheitliche Vorgaben der Krankenhausplanung, die dann in den Ländern regional umgesetzt werden. Für die Abfinanzierung der Vorhaltekosten sollten bereits funktionierende, etablierte Systeme genutzt werden. Wie auch die Pflegekosten können Vorhaltekosten zukünftig mit den üblichen Zahlungsströmen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern einfach und ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand mit maximaler finanzieller Sicherheit für die Kliniken abfinanziert werden.

Krankenhäuser aller Level versorgungsspezifisch planen

Die Krankenhausplanung ist Aufgabe der Bundesländer. Bereits seit 2011 schreibt das Land Mecklenburg-Vorpommern den Krankenhausplan fort und zementiert durch die bloße Festschreibung der Bettenkapazitäten Versorgungsstrukturen, die nicht mehr passgenau zu den aktuellen Versorgungsbedarfen sind. Der Planungsprozess sollte modernisiert werden, damit die Vorhaltekostenfinanzierung vor allem bedarfsnotwendige Strukturen trägt. Die neu entstehenden Leistungsgruppen ermöglichen eine differenziertere Versorgungsplanung. Daraus kann die Konzentration von Leistungen folgen, die wiederrum eine bessere Arbeitsteilung der stationären Einrichtungen untereinander und höhere Qualitätsstandards ermöglicht. Dies gilt besonders für Behandlungen von Krankheitsbildern, die einen hohen Spezialisierungsgrad erfordern und die Mindestmengen erfüllen müssen. So profitieren die Patientinnen und Patienten in Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise stark vom zentralisierten Behandlungsansatz der Krebsversorgung im Comprehensive Cancer Center M-V. In Mecklenburg-Vorpommern übernehmen kleinere Kliniken in ländlichen Regionen viele grundlegende Versorgungsaufgaben. Es ist daher wichtig, dass auch die Häuser des zukünftigen Levels Ii fester Bestandteil der Krankenhausplanung sind. Sie können als sektorenübergreifend aktive Häuser ein Bindeglied zu ambulanten Versorgungsangeboten sein. Wenn der ambulante Bereich in den bislang rein stationären Planungsprozess integriert wird, entsteht eine echte sektorenübergreifende Versorgungsplanung. Außerdem könnten durch enge Kooperationen von Krankenhäusern unterschiedlicher Level die Medizinstudierenden aus Rostock und Greifswald Ausbildungsabschnitte in kleineren Krankenhäusern im ländlichen Raum absolvieren, die positive Effekte im Hinblick auf die ärztliche Tätigkeit erzielt. 

Datennutzungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen verbessern

Der Schlüssel für eine individuelle und passgenaue Versorgung sind Datenauswertungen. Bislang sind hochwertige Daten nur schwer zur Entwicklung von Innovationen und neuen Versorgungsansätzen zugänglich. Außerdem erschweren Zeitverzögerungen, wie z. B. bei ambulanten Abrechnungsdaten, den Erkenntnisgewinn. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) stellen den Kassen die Abrechnungsdaten frühestens vier Monate nach Quartalsende zur Verfügung. Im Gegensatz dazu übermitteln alle Arztpraxen die Daten digital unverzüglich an die KVen. Es wäre die optimale Lösung, wenn die Diagnose- und Leistungsdaten der Arztpraxen wie auch im Krankenhausbereich ohne Zeitverzug an die Kassen übermittelt werden. Dadurch würden Analysen zum Leistungsgeschehen möglich, die Unterstützung bei Kundenanliegen verbessert und die Versorgungsforschung erleichtert. Die elektronische Patientenakte (ePA) wird zukünftig als zentraler Datenhafen für die Versorgung einen wichtigen Stellwert einnehmen. Der Gesetzgeber hat bereits die Möglichkeit der ePA-Datenspende zu Forschungszwecken geschaffen. Krankenkassen und ihre Verbände dürfen gespendete Daten der ePA bisher nicht für die Versorgungsforschung oder zur Schaffung von Versorgungsinnovationen nutzen. In einem solidarisch finanzierten System entstandene Daten sollten für die Forschung und Versorgung zugunsten des Allgemeinwohls genutzt werden können. Selbstverständlich dürfen dem Einzelnen dadurch keine persönlichen Nachteile entstehen. Auf dem Weg zu modernen Datennutzungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen braucht es zunächst folgende Maßnahmen:

  • Harmonisierung der Datenverfügbarkeit und Datenformate im Gesundheitswesen in eine strukturierte, auswertbare und interoperable Form
  • bessere Auswertungsmöglichkeiten von ambulanten und stationären Daten
  • Krankenkassen zum Nutzerkreis der ePA-Datenspende hinzufüge

Patientensicherheit stärker in den Fokus rücken 

Viele Behandlungsfehler entstehen aufgrund zwischenmenschlicher Schwierigkeiten. Oft sind es Kommunikationsprobleme oder Zeitdruck, die zu Fehlern führen. Dabei ist das Engagement für eine lückenlose Fehleraufklärung und der adäquate Schadensersatz nur ein Teil der notwendigen Maßnahmen für mehr Patientensicherheit. Denn noch wichtiger als eine transparente Fehlerkultur, ist die Fehlervermeidungskultur. Viele kritische Situationen können durch die richtigen präventiven Maßnahmen verhindert werden. Ein ausgiebiges Arzt-Patientengespräch kann beispielsweise vor einer medizinischen Maßnahme einen wichtigen Beitrag leisten. Aus Perspektive der TK ist es für eine höhere Patientensicherheit notwendig, dass alle Krankenkassen an der nationalen Plattform zum Ausbau der Patientensicherheit (Aktionsbündnis Patientensicherheit - APS) mitwirken. Im Engagement der Krankenkassen sind die Erfahrungen und Rückmeldungen ihrer Versicherten besonders wichtig. Daher braucht es eine gesetzliche Regelung, die systematische Feedbacks über Behandlungserfahrungen fixiert. Die Ergebnisse sollten transparent und öffentlich dargestellt werden. Weiterhin sollten alle Einrichtungen im Gesundheitswesen ein Leitbild für Patientensicherheit in ihrer Organisation entwickeln. Aber auch auf systemischer Ebene kann einiges getan werden, damit die Qualität im Gesundheitswesen weiter steigt. So sollte die Krankenhausvergütung um eine qualitätsorientierte Komponente erweitert werden. Auf der Grundlage des "Hospital Value-Based Purchasing Program" von Medicare aus den USA sollte ein System entwickelt werden, das für die Krankenhäuser Qualitätsanreize schafft. Neben der Prozess- und Ergebnisqualität könnte auch die Patientenzufriedenheit und die Kosteneffizienz des Gesamthauses ein entscheidendes Kriterium für einen Qualitätszuschlag sein.

KI-Einsatz im Gesundheitswesen forcieren

Wenn Mecklenburg-Vorpommern auch zukünftig Innovationstreiber für den Ostseeraum bleiben soll, gilt es den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin zu forcieren. Aus Sicht der TK ist die Vernetzung von grundlagenorientierten Forschungsprojekten der Wissenschaft, wettbewerblichen Strategien der Wirtschaft und versorgungsoptimierenden Leistungsangeboten ein zentraler Erfolgsfaktor für den Innovationsstandort M-V. Mit einem "Kompetenznetzwerk Künstliche Intelligenz", kann die Expertise disziplin- und branchenübergreifend gebündelt werden. Dabei sollten die vom Land geschaffenen digitalen Innovationszentren als Ankerpunkte dienen. Als Leuchttürme im Land können sie gleichermaßen als Schnittstelle in die Ministerien und zu den bereits am Markt aktiven Playern fungieren. Den Universitätskliniken und Hochschulen kommen beim Einsatz der KI in Mecklenburg-Vorpommern eine besondere Bedeutung zu. Auf dem Weg zur flächendeckenden Anwendung künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen müssen Modellprojekte zur Erprobung der KI im Gesundheitswesen geschaffen werden. Durch die maschinelle Auswertung strukturierter Daten können Krankheitsverläufe automatisiert abgeglichen und anhand echter Versorgungsdaten die besten Behandlungsoptionen ermittelt werden. Einige bereits in unserem Bundesland umgesetzte Versorgungsprojekte besitzen aussichtsreiches KI-Potential. Damit so wenig Zeit wie möglich für grundlegende organisatorische Prozesse und Verwaltungsabläufe benötigt wird, sollten bereits existierende Versorgungsansätze den Ausgangspunkt für den Einsatz von KI bilden. Insbesondere bild- und datenbasierende Versorgungsleistungen sind dafür prädestiniert. Es ist an der Zeit, einen landeseigenen Förderungsmechanismus einzurichten, der die weiteren Innovationsschritte ermöglicht.

Impulse zur Natio­nalen Bran­chen­kon­fe­renz Gesund­heits­wirt­schaft

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