Der Zugang zum System muss nach dem Prinzip "digital vor ambulant vor stationär" erfolgen
Position aus Bayern
In seiner aktuellen Position fordert der Leiter der TK-Landesvertretung Bayern, Christian Bredl, den Zugang zur Versorgung nach dem Prinzip "digital vor ambulant vor stationär" auszurichten.
Es ist sehr erfreulich, dass bei der Reform der ärztlichen Versorgung viele Akteure im Gesundheitswesen einig sind: Wir müssen den Versorgungszugang neu denken. Auch die TK hat sich frühzeitig mit einem Konzept für ein effizienteres System beschäftigt und fordert einen Zugang für Patientinnen und Patienten zur ärztlichen Versorgung nach dem Prinzip "digital vor ambulant vor stationär".
Unsere Idee von einem zukunftsfähigen Gesundheitssystem basiert auf der Einführung einer standardisierten, digital-gestützten Ersteinschätzung, um den Zugang zur Versorgung zu verbessern und Wartezeiten sowie Überlastungen in Praxen zu reduzieren. Durch die medizinische Einschätzung sollen Patientinnen und Patienten schneller und bedarfsgerecht in die richtige Versorgungsebene vermittelt werden, was auch zu einer höheren Qualität und Effizienz der Versorgung beiträgt. Grundsätzlich sollte vor jedem neuen Behandlungsanlass, also vor dem eigentlichen Arztkontakt, eine Abklärung des Behandlungsbedarfs erfolgen. So erhält jeder Patient und jede Patientin die für ihn geeignete Versorgung.
Die Ersteinschätzung empfiehlt den Behandlungspfad
Die Ersteinschätzung muss aus unserer Sicht auf aktuellen medizinischen Leitlinien basieren und digital, etwa in einer App, erfolgen. Informationen aus der elektronischen Patientenakte (ePA) können idealerweise mit einbezogen werden. Sie muss außerdem an allen relevanten Zugangspunkten ins System verfügbar sein, per Telefon über die Hotline 116 117 der Kassenärztlichen Vereinigungen, vor Ort am Praxistresen oder in der Notaufnahme. Die Ersteinschätzung empfiehlt dann den weiteren Behandlungspfad - orientiert daran, was am besten für die Gesundheit ist: erstmal weiter abwarten, eine Videosprechstunde besuchen, einen Arzttermin buchen, sich von medizinischen Fachkräften beraten lassen oder die Notaufnahme aufsuchen.
Christian Bredl
Beim Thema Terminbuchung braucht es eine zentrale digitale Terminplattform, bei der Ärztinnen und Ärzte tagesaktuelle Termine entsprechend der medizinischen Dringlichkeit bereitstellen, um eine gezielte Steuerung in die Versorgung sicherzustellen. Dabei soll die ärztliche Fachrichtung die Primärversorgung übernehmen, die auf Grundlage der Ersteinschätzung als geeignet angezeigt wird. In den meisten Fällen wird dies sicherlich die Hausarztpraxis sein, es kann aber auch mal direkt zu einer fachärztlichen Praxis gehen, sofern nötig. Innerhalb der Fachrichtung sollen Patientinnen und Patienten die gewünschte Praxis frei auswählen können Arztwahl, wobei qualifizierte Pflegekräfte in die Behandlung eingebunden und in "leichten" Fällen auch fallabschließend tätig werden.
Das Vergütungssystem muss überarbeitet werden
Um den tatsächlichen Zeitaufwand der Ärztinnen und Ärzte angemessen abzubilden, muss auch das Vergütungssystem überarbeitet werden. Daneben sollten das finanzielle Ungleichgewicht zwischen sogenannter sprechender und Geräte-Medizin reduziert sowie die auf Kalenderquartale fixierte starre Vergütungslogik aufgelöst werden. Wir schlagen für die originäre ärztliche Arbeit eine zeitbasierte Vergütung vor. Ein solcher Ansatz anhand von Prozeduren sorgt dafür, dass sich der individuell unterschiedliche zeitliche Aufwand der Ärztinnen und Ärzte je Versicherten direkt in der Vergütung widerspiegelt.
Auch auf die Krankenkassen kommt in einem solchen neuen System eine aktivere Rolle bei Begleitung, Beratung und Empfehlungen für ihre Versicherten zu. Wir wollen den Anspruch der Versicherten auf ein Versorgungsmanagement noch besser als bisher umsetzen, indem wir beispielsweise bei der Terminfindung unterstützen und Selektivverträge mit Blick auf ein Care und Casemanagement nutzen.
Die Politik hat die Reform der Primärversorgung angestoßen, nun sind politischer Mut und entschlossener Wille gefragt, die bestehenden Strukturen so zu verändern, dass ein patientenorientiertes, effizientes und zukunftsfähiges Gesundheitssystem entsteht.