Gesundheitspolitik: Mehr Mut und weniger Kommissionen
Position aus Bayern
Mehr Mut und weniger Kommissionen in der Gesundheitspolitik, fordert Christian Bredl in seiner Position.

Seit Anfang Mai steht die neue schwarz-rote Regierungskoalition. Die Kabinettsmitglieder sind benannt und versuchen nun in ihren jeweiligen Ressorts die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags von CDU/CSU und SPD umzusetzen. Trotz intensiver Diskussionen der Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Parteien bleibt jedoch die zentralste Frage in der Gesundheitspolitik weiter ungelöst: Eine nachhaltige Finanzierung.
Mutlos beim Thema nachhaltige Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung
Nichts ist zu lesen, dass staatliche Aufgaben endlich wieder sachgerecht aus der Steuerkasse, statt aus dem Beitragstopf der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu bezahlen sind. Ebenso wenig steht die Kostendämpfung auf der Tagesordnung. Stattdessen sieht der Koalitionsvertrag eine Expertenkommission vor, die bis zum Frühjahr 2027 Maßnahmen vorschlagen soll. Die neue Regierung verschiebt das Problem unnötig, obwohl konkrete und schnell wirksame Vorschläge - auch von der TK - schon lange vorliegen.
Christian Bredl
Auch bei der sozialen Pflegeversicherung - kurz SPV - finden wird das gleiche "Kommissionsspiel". Fast bei jedem Wahlkampfauftritt waren die Themen zum erheblichen Finanzbedarf und zu den dringend notwendigen strukturellen Veränderungen in der Pflege mit dabei. Und was steht im Koalitionsvertrag? Richtig - man gründet eine Kommission. Dieses Mal ist es eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die bis Ende 2025 Lösungen erarbeiten soll. Dabei wäre es ein Gebot der Fairness, wenn der Bund sofort seine rund sechs Milliarden Euro Schulden aus der Coronazeit bei der Pflegeversicherung endlich begleichen würde.
SPV sofort stabilisieren und von versicherungsfremden Leistungen entlasten
Ein verbindlicher, dynamisierter Steuerzuschuss aus Bundesmitteln würde die SPV ebenfalls nachhaltig stabilisieren . Dieser müsste gesetzlich so ausgestaltet werden, dass er nicht je nach Haushaltslage des Bundes gekürzt oder gar gestrichen werden kann. Dieser Bundeszuschuss sollte mindestens die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige abdecken. Die soziale Absicherung von Pflegepersonen, die nicht erwerbsmäßig ihre Angehörigen oder andere nahestehende Personen pflegen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Auch ein fairer Finanzausgleich zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung würde das System stabilisieren. Ebenso wie verbindliche Regelungen zur Übernahme der Investitionskosten durch die Länder.
Lichtblicke bei der ambulanten Versorgung und der Digitalisierung
Das Vorhaben, ein verbindliches Primärarztsystem einzuführen, also der vor allem durch Hausärzte koordinierte Zugang zur fachärztlichen Versorgung, unterstützt die TK sehr. Insbesondere die digitale Ersteinschätzung und Terminvergabe, die im Koalitionsvertrag steht, ist hervorzuheben. Das deckt sich mit den Ideen der TK "Digital vor ambulant vor stationär" und würde die Koordination in der ambulanten Versorgung deutlich verbessern.
Ebenfalls positiv werte ich die Pläne zur Notfall- und Rettungsdienstreform, zur Stärkung der sektorenübergreifenden Versorgung und zur Kompetenzerweiterung der Gesundheitsberufe. Ich hoffe, dass die neue Regierung hier bei der Umsetzung und den Detailregelungen mutig und progressiv bleibt.
Ich wünsche der neuen Bundesgesundheitsministerium Nina Warken, dass sie mit ihrer politischen Erfahrung die positiven Ansätze durchsetzen und eine Dynamik des Aufbruchs im Gesundheits- und Pflegesystem entfachen kann. Soziale Sicherungssysteme sind zentrale Elemente der Demokratie, die jetzt wirkungsvolle Entscheidungen benötigen.