Weniger Warten, besser versorgt: Warum der Zugang in die Versorgung einen Neustart braucht
Artikel aus Schleswig-Holstein
Die TK fordert ein Primärversorgungssystem mit medizinischer Ersteinschätzung und einer Terminplattform: Sören Schmidt-Bodenstein erklärt in seinem Kommentar die Vorteile der Idee.
Abends schnell per App den nächsten freien Friseurtermin buchen, die Lieferung vom Supermarkt planen oder das Paket verfolgen: All das funktioniert längst digital und in Echtzeit. Im Gesundheitswesen ist dabei noch reichlich Luft nach oben. Wer krank ist, muss häufig immer noch anrufen, wartet, hinterlässt Rückrufbitten und hofft auf einen zeitnahen Termin. Das passt nicht mehr zusammen. Die Menschen erwarten heute, dass auch das Gesundheitswesen so funktioniert, wie sie es aus anderen Lebensbereichen kennen: verlässlich, schnell und digital unterstützt.
Sören Schmidt-Bodenstein
Lange Wartezeiten sehen viele Menschen als Problem
Laut einer aktuellen bundesweit repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) sehen zwei Drittel der Norddeutschen (Unter den Begriff fallen die Befragten in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen) die langen Wartezeiten auf einen Facharzttermin als großes Problem. Fast die Hälfte der Befragten (42 Prozent) ist zudem mit dem Angebot an Facharztpraxen in ihrer Nähe unzufrieden. Und das, obwohl es zahlreiche Ärztinnen und Ärzte gibt, die gemeinsam mit medizinischen Fachkräften täglich viele Patientinnen und Patienten versorgen. Das Problem liegt in den historisch gewachsenen Strukturen, die längst an ihre Grenzen geraten sind.
Die medizinische Versorgung steht jetzt vor einer doppelten Herausforderung: Die Nachfrage nach Terminen steigt, während die verfügbaren Ressourcen perspektivisch abnehmen. Viele Praxen werden durch leichtere Fälle gebunden, während Patientinnen und Patienten mit dringlicherem oder komplexerem Behandlungsbedarf oft zu lange warten müssen. Auf Bundesebene wünschen sich 87 Prozent der Menschen in Deutschland laut Umfrage, dass eine schnellere Terminvergabe in der Gesundheitspolitik künftig oberste Priorität hat. Gleichzeitig sind die Menschen offen für schnelle, verlässliche und unkomplizierte Lösungen, etwa für digitale Versorgungsansätze wie Videosprechsunden
Digital-gestützte bundesweit standardisierte Ersteinschätzung
Genau hier setzt unser Vorschlag eines Primärversorgungssystems an. Wir schlagen ein strukturiertes Modell vor, das Patientinnen und Patienten sicher und bedarfsgerecht durch die medizinische Versorgung leitet. Im Mittelpunkt steht bei jedem neuen Behandlungsanlass eine digital-gestützte bundesweit standardisierte Ersteinschätzung, die den individuellen medizinischen Bedarf ermittelt und den passenden Behandlungspfad empfiehlt.
Egal, ob ich mich mit meinem Anliegen an eine Praxis, eine Klinik oder die 116 117 wende oder aber die Ersteinschätzung selbst zu Hause am Notebook angehe - der Zugang in die medizinische Versorgung erfolgt immer gleich über das Ersteinschätzungstool. Wenn danach ein Termin in der Haus- oder Facharztpraxis notwendig ist, soll die Vergabe über eine digitale Termin-Plattform erfolgen, auf der Arztpraxen Terminkontingente für die Versicherten bereitstellen. Innerhalb des Versorgungssystems koordiniert die Primärärztin beziehungsweise der Primärarzt dann für den entsprechenden Behandlungsanlass.
Die Vorschläge der TK für ein zukunftsfähiges Primärversorgungssystem finden Sie hier:
TK-Position: Primärversorgungssystem als Schlüssel für mehr Effizienz
Dieses Konzept sorgt dafür, dass die vorhandenen Kapazitäten in unserem Gesundheitssystem gerecht, effizient und am individuellen Bedarf orientiert genutzt werden. Wer eine intensivere medizinische Betreuung braucht, erhält diese schneller und verlässlicher. Gleichzeitig können leichtere Fälle künftig digital, per Telemedizin oder durch speziell qualifizierte medizinische Fachkräfte behandelt werden. Das entlastet Ärztinnen und Ärzte und verbessert zugleich die Versorgungsqualität.
Weniger Warten, schneller zur passenden Behandlung
Gerade in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein ist das entscheidend. Wer auf einer Nordseeinsel oder in einer ländlichen Region lebt, hat oft weite Wege bis zur nächsten Praxis oder in die Klinik. Eine gut organisierte Koordination der Patientinnen und Patienten, unter Einbeziehung vorhandener digitaler Angebote, kann hier den entscheidenden Unterschied machen - weniger Warten und schneller zur passenden Behandlung.
Für mich steht fest: Wir brauchen einen Neustart beim Zugang in die Versorgung - schneller, digitaler und bedarfsgerechter. Unser Leitgedanke dabei lautet: digital vor ambulant vor stationär. Wenn wir diesen Ansatz konsequent umsetzen, profitieren alle: Patientinnen und Patienten durch schnellere und am tatsächlichen Bedarf orientierte Hilfe, Ärztinnen und Ärzte durch Entlastung und damit mehr Zeit für komplexere Fälle und das gesamte System durch mehr Effizienz und Qualität.
Hinweis an die Redaktion
Für die bevölkerungsrepräsentative, telefonische Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Januar und Februar 2025 bundesweit insgesamt 2.052 Personen ab 18 Jahre (darunter jeweils mind. 200 Personen pro Ländergebiet) mit anschließender Proportionalisierung der Gesamtergebnisse. Die hier ausgewiesenen Teilergebnisse beziehen sich auf - Norddeutschland; also die nördlichen Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern.