Im Rahmen des Teleneurologie-Netzwerkes steht rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr ein telekonsiliarischer Dienst zur Verfügung, der über einen Video-Livestream in die Notaufnahme oder auf die Intensivstationen zugeschaltet wird. Wesentliche Bestandteile der Netzwerkarbeit sind auch die Qualitätsmanagementbesprechungen, Fortbildungskonzepte sowie ein sogenanntes "Bedside-Training" der Pflege, bei der Pflegeschülerinnen- und Schüler direkt am Patientenbett lernen und praktische Erfahrungen sammeln.

Aus der gemeinsamen Untersuchung geht hervor, dass in Krankenhäusern mit Anbindung an ein Teleneurologie-Netzwerk häufiger eine qualitätsgerechte Schlaganfallbehandlung nach OPS 8-98b, eine rekanalisierende medikamentöse Lysetherapie und eine heimatnahe Behandlung ohne Notwendigkeit zur Verlegung erreicht werden kann. OPS 8-98b ist der medizinische Code (Operations- und Prozedurenschlüssel) dafür, dass es sich um eine umfassende (komplexe) Behandlung auf einer spezialisierten neurologischen Station durch ein multidisziplinäres Team handelt. Dabei geht die Behandlung über das Teleneurologie-Netzwerk mit einer deutlichen Kostenreduktion einher.

TK: Was waren die Beweggründe dafür, das Telestroke-Netzwerk im Jahr 2016 zu gründen? 

Dr. med. Hans Worthmann: Es bestehen in Niedersachsen Versorgungslücken in Kliniken, die die Schlaganfalltherapie nicht über eine neurologisch geführte Stroke Unit abbilden können. Die überregionale Stroke Unit der MHH sieht diesen Bedarf und hat es sich zur Aufgabe gemacht, den betroffenen Kliniken über das Telestroke-Netzwerk eine qualitätsgerechte Schlaganfallakuttherapie zu ermöglichen.

Dr. med. Hans Worth­mann

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Oberarzt in der Neurologie der MHH und Koordinator des Teleneurologie-Netzwerks

Jochen Blaser: Die TK hat großes Interesse die Effekte der Digitalisierung nachzuhalten und hat daher zusammen mit der Leibniz Uni und der MHH die Evaluation des Telestroke-Netzwerkes angestoßen. Generell sieht die TK in der Digitalisierung große Vorteile in der flächendeckenden Versorgung für die Patienten. Die TK befürwortet daher die Telestroke, da es eine Behandlungsalternative sein kann, insbesondere in unterversorgten Regionen. Die Evaluation war daher sehr wichtig, da sie einen entsprechenden Nachweis über die Effekte in der Versorgung der Patientinnen und Patienten gibt.

Jochen Blaser

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Fachreferent stationäre Versorgung der TK-Landesvertretung Niedersachsen

TK: Wie hat sich durch das Netzwerk die Versorgung verändert? Was konnte verbessert werden? Wo gibt es Herausforderungen?

Worthmann: Über das MHH TNN werden jährlich über 2000 Schlaganfall- sowie andere neurologische Notfallpatientinnen und -patienten behandelt. Das MHH TNN trägt somit wesentlich dazu bei, dass in den Krankenhäusern und den zugehörigen Landkreisen in Niedersachsen keine Versorgungslücke für die Schlaganfallakutbehandlung besteht. Dazu gehören die in der OPS 8-98b festgehaltenen Maßnahmen sowie Akuttherapie wie die rekanalisierenden Therapien. Die Medikamentengabe erfolgt ebenfalls in den Partnerkliniken des Netzwerks. Bei den größten und schwersten Schlaganfällen übernimmt das Netzwerk eine Lotsenfunktion und indiziert und unterstützt eine Notfallverlegung für weitere neurointerventionelle oder neurochirurgische Therapien. Dies betrifft nur eine Minderheit der Fälle, trotzdem müssen diese besonders schwer betroffenen Fälle unbedingt frühzeitig erkannt und weiterverlegt werden.

Dabei wird ein Netzwerk nicht einmal eingerichtet und läuft dann einfach immer weiter, sondern muss mittels ständiger "Netzwerkarbeit" gelebt und gestärkt werden. Konkret sprechen wird da von Qualitätsmanagement und Schulungskonzepten.

TK: Wie viele Kliniken werden aktuell durch die MHH betreut?

Worthmann: Aktuell werden durch das MHH TNN neun Kliniken in Niedersachsen und eine Klinik in Nordrhein-Westfalen betreut.

TK: Sind Sie mit den Ergebnissen der Evaluation des Netzwerkes zufrieden? 

Worthamnn: Erfreulicherweise haben sich die positiven Effekte der Teleneurologie deutlich aufgezeigt. Die Teleneurologie verbessert sowohl die Akuttherapie als auch ermöglicht sie es, die Behandlung qualitätsgerecht fortzuführen. Dabei fallen die Behandlungskosten je Schlaganfall deutlich niedriger aus, als in Kliniken, die weder eine neurologische Stroke Unit noch eine Anbindung ans Teleneurologie-Netzwerk haben. Das ist auf den ersten Blick erstaunlich. Es ist aber bei genauerer Betrachtung erkennbar, dass dies an der geringeren Zahl der Sekundärverlegungen liegt. Bei Verlegung fallen im Zielkrankenhaus weitere Kosten an, die dem Fall zugerechnet werden.

Blaser: Wir freuen uns, dass die Digitalisierung die Versorgung insbesondere in den ländlichen Regionen unterstützen kann, ohne dass man eigene Strukturen vor Ort aufbauen muss. Gleichzeitig zeigt es auf wie man über die Telematik die diagnostische Kompetenz vor Ort durch eine Uniklinik beziehungsweise ein Telematiknetzwerk verbessern kann.

TK: Wie geht es weiter? Was sind die nächsten wichtigen Schritte im Netzwerk?

Worthmann: Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) stellt eine große Reform dar, durch die die Vergabe der Leistungsgruppen neu geregelt wird, einschließlich derjenigen für die Stroke Unit. Wichtig ist, dass die Kliniken, die an der Notfallversorgung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten teilnehmen, auch die entsprechende Leistungsgruppe erhalten. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Schlaganfalltherapie in Niedersachsen und auch in anderen Bundesländern nicht nur in den neurologisch geführten Stroke Units stattfindet, sondern auch in Krankenhäusern, die ohne eigenständige neurologische Abteilung unter Umständen mit Unterstützung der Teleneurologie an der Akutversorgung teilnehmen. Ohne den Erhalt der entsprechenden Leistungsgruppe wäre die Refinanzierung der qualitätsgerechten Schlaganfalltherapie stark gefährdet, und die Versorgungsqualität würde sich in der Folge in solchen Krankenhäusern und den zugehörigen Landkreisen deutlich verschlechtern. Im Sinne der Patientinnen und Patienten ist zu hoffen, dass die Vergabe der Leistungsgruppen mit Augenmaß erfolgt.

Blaser: Der Goldstandard in der Versorgung der Schlaganfälle ist eine Stroke Unit. Wenn allerdings im Zuge der zukünftigen Leistungsgruppenplanung Lücken bestehen, kann es sinnvoll sein nicht neue Strukturen aufzubauen, sondern vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels diese Lücken mittels Telematiklösungen zu schließen.

Zu den Personen 

Privatdozent Dr. Hans Worthmann aus Hannover ist Oberarzt in der Neurologie der Medizinischen Hochschule Hannover und ist dort Koordinator des Teleneurologie-Netzwerks MHH TNN. Er beschäftigt sich mit der Optimierung der Prozesse zur Schlaganfallakutversorgung in der eigenen Klinik und in den Partnerkliniken im Teleneurologie-Netzwerk. Dabei spielen Methoden des Team- und Simulationstrainings ebenso eine Rolle wie solche der Digitalisierung unter Nutzung von Apps und die teleneurologische Anbindung der Partnerkrankenhäuser.

Jochen Blaser ist Vertragsexperte in der TK Landesvertretung Niedersachsen. Er beschäftigt sich intensiv mit den zukünftigen Versorgungsstrukturen im niedersächsischen Krankenhausbereich. Wichtig ist ihm dabei aktuelle Entwicklungen in der Digitalisierung mitzudenken. Im Focus steht, welche konkreten Ergebnisse sich in der Praxis ergeben - so wurden zum Beispiel die Effekte der Schließung des Zevener Krankenhauses auf Basis von Routinedaten nachgehalten. Jochen Blaser hält zudem aktuell an mehreren Hochschulen Vorlesungen zum Thema Krankenhausmanagement und Krankenhausfinanzierung.