TK: Herr Prof. Amelung, der DigitalRadar Krankenhaus erhebt den digitalen Reifegrad deutscher Krankenhäuser. Was war die Ausgangsidee hinter diesem Projekt - und was soll er langfristig bewirken?

Prof. Dr. Volker Amelung: Die Idee hinter dem DigitalRadar ist es, den aktuellen Stand der Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern transparent und vergleichbar zu machen. Viele Einrichtungen stehen vor der Herausforderung, ihre digitale Infrastruktur zu bewerten bzw. gezielt(er) weiterentwickeln zu müssen. Mit dem DigitalRadar haben wir für solche Häuser eine solide Datenbasis geschaffen, um deren Stärken und Schwächen sichtbar zu machen, aber auch um den Austausch zwischen den Häusern zu fördern und gezielte Maßnahmen zu ermöglichen. Langfristig soll das Projekt dazu beitragen, die digitale Transformation im Gesundheitswesen zu beschleunigen, die Versorgungs- und die Patientensicherheit durch bessere digitale Prozesse zu verbessern.

Langfristig soll das Projekt dazu beitragen, die digitale Transformation im Gesundheitswesen zu beschleunigen, die Versorgungs- und die Patientensicherheit durch bessere digitale Prozesse zu verbessern. Prof. Dr. Amelung, Konsortialsprecher DigitalRadarKrankenhaus

Prof. Dr. Volker E. Amelung

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Professor für Internationale Gesundheitssystemforschung an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).

TK: Wie bewerten Sie den aktuellen digitalen Reifegrad der deutschen Krankenhäuser im internationalen Vergleich? Wo stehen wir - und wo hinken wir hinterher?

Prof. Dr. Amelung: Deutschland liegt im internationalen Vergleich im Mittelfeld, holt auf und hat noch immer Nachholbedarf. Während einige Länder wie die Niederlande, Dänemark oder Estland bereits fortschrittliche digitale Infrastrukturen und interoperable Systeme etabliert haben, sind deutsche Krankenhäuser oft noch in der Implementierungsphase. Herausforderungen sind hier vor allem die Fragmentierung des Gesundheitssystems, Datenschutzanforderungen und die mangelnde Standardisierung, die vor allem eine intersektorale Kommunikation rund um die Patientenversorgung verhindert. Da digitale Prozesse häufig nicht nahtlos funktionieren, was die Versorgung erschwert, und die Effizienz beeinträchtigt.

TK: Wo steht Niedersachsen beim digitalen Reifegrad und was sind Ihre Empfehlungen für eine gute Weiterentwicklung?

Prof. Dr. Amelung: Niedersachsen zeigt eine differenzierte Lage: Einige Krankenhäuser sind Vorreiter bei digitalen Innovationen, während andere quasi noch am Anfang stehen. Insgesamt besteht hier großes Potenzial, durch gezielte Entwicklungsstrategien und den Austausch bewährter Praktiken den digitalen Reifegrad zu steigern. Meine Empfehlung ist, regionale Netzwerke zu stärken, in digitale Infrastruktur zu investieren und Schulungen für Mitarbeitende auszubauen. Zudem sollte die Landesregierung klare Strategien entwickeln, um die Digitalisierung in der stationären Versorgung systematisch voranzutreiben. Gleichzeitig kann der DigitalRadar dazu beitragen, Entwicklungspotenziale zu identifizieren und einen differenzierten Austausch zu initiieren.

Meine Empfehlung ist, regionale Netzwerke zu stärken, in digitale Infrastruktur zu investieren und Schulungen für Mitarbeitende auszubauen. Prof. Dr. Amelung, Konsortialsprecher DigitalRadarKrankenhaus

TK: Welche weiteren Schritte und Maßnahmen sind notwendig, um die Digitalisierung der stationären Versorgung nachhaltig zu fördern?

Prof. Dr. Amelung: Um die Digitalisierung nachhaltig zu fördern, können mehrere Maßnahmen als notwendig angesehen werden:

  • Klare gesetzliche Rahmenbedingungen: Vereinheitlichte Standards und Interoperabilitätsanforderungen, um den Datenaustausch zu erleichtern.
  • Finanzielle Förderprogramme: Investitionen in digitale Infrastruktur, Schulungen und innovative Technologien.
  • Schulungen und Change-Management: Mitarbeitende müssen im Umgang mit digitalen Systemen geschult werden, um Akzeptanz und Kompetenz zu erhöhen.
  • Förderung von Innovationen: Pilotprojekte und Forschungsförderung, um neue digitale Lösungen zu testen und zu skalieren.
  • Patientenzentrierte Digitalisierung: Ausbau digitaler Angebote für Patienten, wie Telemedizin, elektronische Patientenakten und Apps, um die Versorgung effizienter und zugänglicher zu machen.

TK: Was ist für Sie das Spannende am Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen?

Prof. Dr. Amelung: Das ist eine sehr interessante Frage! Für mich ist das Spannende an der Digitalisierung im Gesundheitswesen vor allem das enorme Potenzial, die Versorgung für Patienten deutlich zu verbessern und im Übrigen auch das Personal nachhaltig zu entlasten. Durch digitale, medienbruchfreie Technologien können wir Prozesse effizienter gestalten, den Informationsaustausch zwischen verschiedenen Akteuren erleichtern und personalisierte Behandlungsansätze entwickeln. Außerdem eröffnet die Digitalisierung die Möglichkeit, Daten für Forschung und Qualitätssicherung zu nutzen, was langfristig zu besseren Behandlungsergebnissen führt. Es ist faszinierend zu sehen, wie Innovationen wie Künstliche Intelligenz, Telemedizin oder elektronische Patientenakten die Art und Weise verändern, wie wir Gesundheitsversorgung denken und gestalten - und dabei gleichzeitig Herausforderungen wie Datenschutz und Interoperabilität meistern müssen. 

Außerdem eröffnet die Digitalisierung die Möglichkeit, Daten für Forschung und Qualitätssicherung zu nutzen, was langfristig zu besseren Behandlungsergebnissen führt. Prof. Dr. Amelung, Konsortialsprecher DigitalRadarKrankenhaus

Insgesamt finde ich es spannend, an der Schnittstelle zwischen Technik, Medizin und Gesellschaft zu arbeiten und aktiv an der Gestaltung einer zukunftsfähigen, digitalen Gesundheitsversorgung mitzuwirken. 

Zur Person

Prof. Dr. Volker Amelung hat seit 2001 eine Professur für Internationale Gesundheitssystemforschung an der Medizinischen Hochschule Hannover. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule St. Gallen sowie an der Universität Paris-Dauphine und promovierte an der Universität St. Gallen. Von 2007 bis 2022 war er Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Managed Care e. V. (BMC). Professor Amelung hat langjährige Erfahrung als Berater für internationale und nationale Unternehmen im Gesundheitswesen sowie für die Weltgesundheitsorganisation (WHO). 2011 gründete er das inav - privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH. Über seine Tätigkeiten kann Professor Amelung auf ein breites Netz an Expertinnen und Experten zurückgreifen und ist in Wissenschaft, Praxis und Politik etabliert.

Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Managed Care und Integrierte Versorgung, der Beratung von Stakeholdern im Gesundheitswesen, der Evaluation von Versorgungskonzepten sowie der Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte.