TK: Sie sind seit diesem Jahr Leiterin für regionales Vertragswesen bei der TK-Landesvertretung Bayern. Vorher haben Sie in der Unternehmenszentrale der TK in Hamburg gearbeitet. Sind Sie schon gut in Bayern angekommen?

Serina Nagl: Ich bin in München geboren und aufgewachsen, habe in Bayreuth Gesundheitsökonomie studiert und mit Zwischenstationen in Berlin und Mumbai zuletzt in Hamburg gearbeitet. Ehrlich gesagt, ließ sich das Heimweh irgendwann nicht mehr leugnen. Ich habe keine Folge vom Bergdoktor verpasst und alle Eberhofer Krimis gelesen. Deshalb bin ich mit meiner Familie zurückgezogen. Am Ende schlägt mein Herz eben doch bayerisch.

Natürlich war der Umzug eine Herausforderung. Der Wohnungsmarkt ist hart, die Fahrten zwischen Hamburg und München mit Baby kein Vergnügen und einen Kitaplatz für unser Kind zu finden, war auch ein Kapitel für sich. Aber wir hatten großartige Unterstützung von unseren Eltern und die Möglichkeit, mobil zu arbeiten, hat auch das ein oder andere erleichtert. Mein Mann hat einen guten Job in München gefunden und für unseren Sohn waren die Großeltern und natürlich die leckeren Brezn überzeugend genug, um dem familiären Standortwechsel zuzustimmen. 

Serina Nagl

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Leiterin für regionales Vertragswesen bei der TK-Landesvertretung Bayern

TK: Welche Aufgaben sind mit Ihrer neuen Rolle verbunden?

Nagl: Der Wechsel von Controllerin und Datenanalystin in der Unternehmenszentrale zur Leiterin des regionalen Vertragswesens in der TK-Landesvertretung Bayern war für mich ein sehr großer Schritt. Ich besetze unterschiedliche Gremien wie die Landesvertragskommission und Landeskrankenhauskommission und vertrete Christian Bredl, den Leiter der TK-Landesvertretung Bayern, in einigen Funktionen. Neben den fachlichen Themen ist auch die Führungsaufgabe für mich sehr spannend. Jede bzw. jeder meiner Mitarbeitenden ist ein absoluter Experte, eine absolute Expertin. Wir gestalten gemeinsam unser New Work Arbeitsumfeld, so dass sie weiter gute Ergebnisse erzielen können und Spaß an der Arbeit haben.

TK: Die Digitalisierung spielt bei der TK eine zentrale Rolle. Inwiefern beeinflusst das Ihre Arbeit?

Nagl: Die digitale Affinität spielt für uns eine große Rolle, insbesondere bei der Auswahl unserer Vertragspartnerinnen und -partner. Gemeinsam mit ihnen wollen wir eine bessere digitale Versorgung gestalten. 

Ich würde mich selbst als Digital Native bezeichnen. Ich like und share, bin es gewohnt Informationen schnell und in großen Mengen abzufragen. Im Gesundheitswesen ist nur leider die Digitalisierung noch nicht so weit vorangeschritten: Unsere originären Aufgaben sind in Teilen so alt wie das SGB V. Wir beteiligen uns an den Verhandlungen zu den Krankenhausbudgets und der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung, wir besetzen Ausschüsse und prüfen nach 106d, wir gestalten die Versorgung zum Wohle unserer Versicherten.

Aktuell schwimmen wir in einem Meer von teilautomatisierten Prozessen, die sicherlich gut gemeint, aber das Arbeiten leider oft nur bedingt angenehmer machen. Hier gibt es noch einiges gemeinsam zu tun. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir unsere Versorgung Stück für Stück digitaler gestalten werden. So startet beispielsweise zum 1. Januar 2023 das elektronische Antragsverfahren für Zahnersatz. Und auch im Bereich der Vertragsgestaltung digitalisieren wir uns weiter. Wir haben uns in der TK so aufgestellt, dass wir Verträge digital unterzeichnen können, mit Hilfe der qualifizierten elektronischen Signatur von der Bundesdruckerei. Ich werde mich mit Ideen dazu auch immer wieder einbringen. 

TK: In der regionalen Versorgung in Bayern gibt es viel zu tun. Wir steuern unter anderem auf einen deutlichen Ärztemangel auf dem Land zu …

Nagl: 2013 habe ich während meines Studiums in Indien erfahren, dass dort alle Ärztinnen und Ärzte zwei Jahre nach ihrer Approbation in den sogenannten rural areas arbeiten müssen, also auf dem Land. Wer das nicht tat, musste umgerechnet und je nach Region zwischen 6.000 und 200.000 Euro zahlen, die dann der Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte zu Gute kam. Damals dachte ich, wow, das wäre mal eine Idee! Heute weiß ich aber, dass wir mit Zwang nicht weiterkommen und dass das Interesse für das Leben auf dem Land, die Liebe zu einer Region und das Angebot einer Infrastruktur entweder vorhanden sein oder wachsen muss. Gerade deshalb haben wir zusammen mit der Stiftung Bayerischer Hausärzteverband ein gemeinsames Famulaturprojekt. In dem Projekt unterstützen wir Medizinstudierende finanziell, die für die Famulatur auf's Land gehen.

TK: Die Kliniken klagen über den Fachkräftemangel und die steigenden Kosten. Was könnte aus Ihrer Sicht helfen, um drohende Insolvenzen abzuwenden?

Nagl: In den Verhandlungen mit den Kliniken bekommen wir diese Herausforderungen natürlich direkt mit. Generell wäre es wichtig, dass die Politik Strukturen schafft, in der es eine Art Krankenhaus wohnortnah gibt, welches gleichzeitig eine ambulante, fachärztliche Grundversorgung sicherstellt und darüber hinaus in einem größeren Einzugsgebiet spezialisierte Krankenhäuser für schwerere Erkrankungen. Bereits heute sind Patientinnen und Patienten bereit größere Distanzen hinzunehmen, wenn Sie wissen, dass eine Klinik spezialisiert ist und sie dort die bestmögliche Behandlung bekommen. Der Trend wird sich durch die zunehmende Spezialisierung und Forschung weiter verstärken.

Und natürlich dürfen wir die zunehmenden Entwicklungen in der Telemedizin durch die Digitalisierung nicht außer Acht lassen. Wir können heutzutage eine Fachmeinung aus großer Distanz abfragen und Unterstützung einholen. Diese Entwicklungen müssen auch in die Krankenhausplanung mit einfließen und die Krankenkassen müssen bei der Krankenhausplanung mitsprechen können.

TK: Auch Start-ups spielen eine immer wichtigere Rolle im Gesundheitsmarkt. Über welche Themen diskutieren Sie mit der Szene?

Nagl: Der Austausch mit der Start-up-Szene macht unfassbar viel Spaß. In der Regel gehören sie der GenY oder GenZ an, haben eine Idee, mit der sie die Versorgung verbessern wollen und der sie sich ganz hingeben. Der Gesetzgeber hat mit der neuen Leistungsart, den Digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz DiGA, eine erstaunlich "lockere" Atmosphäre geschaffen, um einen verhältnismäßig schnellen Zugang zum Gesundheitsmarkt zu ermöglichen. Allerdings ist dieser für die Start-ups in der Regel immer noch sehr langsam und für uns Krankenkassen sehr teuer. Ich bin der festen Überzeugung, dass DiGA in der Zukunft nicht wegzudenken sind. Sie werden die Adhärenz und Ergebnisqualität der Behandlungen stark steigern und unsere Leistungsinanspruchnahme und therapeutische Infrastruktur verändern. Aktuell sind sie ein weiterer Kostenblock in den Gesamtausgaben und es werden einige Änderungen von allen Seiten nötig sein.

TK: Sie schließen mit ausgewählten Vertragspartnerinnen und -partnern besondere Versorgungsverträge für TK-Versicherte in Bayern. Welche Highlights können Sie für 2023 ankündigen?

Nagl: Wir möchten 2023 einen weiteren Vertrag zu Kardio-CT /MRT in Südbayern schließen. Darüber hinaus verfolgen wir weiter unsere digitale Strategie. Wir möchten nun alle unsere bisherigen Verträge digital einschreibefähig machen. Weg mit dem Papier in den Praxen und hin zum QR-Code und der digitalen Einschreibung, gemeinsam mit Echtzeitübermittlung des Leistungsanspruches unseres Versicherten und Ablage in der elektronischen Patientenakte.