Mit VR-Brillen rund um die Welt reisen: Emotionale Erinnerungsarbeit in der stationären Pflege
Artikel aus Niedersachsen
"Wenn Gedanken auf Reisen gehen", so lautet der Titel des Pflegeprojektes, der den Bewohnerinnen und Bewohnern des AWO Pflegeheims Braunschweig-Querum einen niedrigschwelligen und animierenden Zugang zum Schwerpunktthema Erinnerungsarbeit gewährt. Dieser soll dazu beitragen, die Identität und Lebensgeschichte der Bewohnenden zu bewahren und sie dabei unterstützen, die Gedächtnisfunktion- sowie die kognitiven Fähigkeiten zu stimulieren.
"300 Stufen bin ich gerade zur Sacré-Coeur-Kuppel hinaufgestiegen und hatte von dort oben einen fantastischen Blick auf die Stadt Paris", schwärmt Erna W. und ihre Augen leuchten. Doch die hochbetage 88-jährige Dame sitzt im Rollstuhl und weilt derzeit nicht in der französischen Hauptstadt, sondern im AWO-Pflegeheim in Braunschweig. Dennoch ist es ihr möglich, mittels digitaler Technik nach Paris zu reisen und die Stadt zu entdecken. Möglich wird das durch seniorengerechte Virtuality-Brillen, die Teil eines Pflege-Präventionsprojektes sind, die speziell für Bewohnerinnen und Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen konzipiert wurden. So können auch bettlägerige Bewohnende das virtuelle Reiseerlebnis direkt von ihrem Bett aus wahrnehmen.
"Wenn Gedanken auf Reisen gehen", so lautet der Titel des Pflegeprojektes, der den Bewohnerinnen und Bewohnern einen niedrigschwelligen und animierenden Zugang zum Schwerpunktthema Erinnerungsarbeit gewährt. Diese soll dazu beitragen, die Identität und Lebensgeschichte der Bewohnenden zu bewahren und sie dabei unterstützen, die Gedächtnisfunktion- sowie die kognitiven Fähigkeiten zu stimulieren. Im Zuge des Projektes werden die Teilnehmenden auf eine imaginäre Reise durch verschiedene Länder und Kulturen eingeladen. Im Anschluss an das Erlebnis mit der VR-Brille findet in einer Kleingruppe oder mit den bettlägerigen Bewohnenden ein Reflexionsgespräch über das Erlebte statt, bei dem die Teilnehmenden untereinander in Kontakt kommen.
Die Erinnerungen an vergangene Reisen - oftmals mit Ehepartnern und Kindern - zaubern den Seniorinnen und Senioren - ausgelöst durch die virtuelle Reise und dem anschließenden Austausch - oftmals ein Lächeln ins Gesicht und sie wirken sehr glücklich, berichtet die AWO-Sozialdienstleiterin Esther Wittmaier. So auch bei Erna W. "Ich erinnere mich, dass ich mit meinem Mann, der schon vor zehn Jahren verstorben ist, an der Seine gesessen habe. Es war ein warmer Sommertag, wir tranken Rotwein und lauschten der Akkordeonmusik. Es war herrlich", berichtet sie bewegt.
Marlies B. wiederum war virtuell gerade im tiefverschneiten St. Moritz. Sie ist die neun Kilometer lange, schwarze Piste - die Hahnenseeabfahrt - hinuntergefahren. "Was für ein atemberaubendes Panorama und tolles Erlebnis", schwärmt die ehemalige passionierte Skifahrerin, die ebenfalls im Rollstuhl sitzt. "Ich hab alles nochmal richtig durchlebt".
"Beim Besuch im AWO-Wohn- und Pflegeheim Braunschweig-Querum wurde deutlich, wie innovativ und wertvoll der Einsatz von Virtual-Reality-Brillen für pflegebedürftige Personen ist. Das Pflege-Präventionsprojekt ‚Wenn Gedanken auf Reisen gehen‘ bietet immobilen Menschen die Chance, in virtuelle Welten einzutauchen, in Erinnerungen zu schwelgen und diese zu teilen. Damit stärkt es kognitive Fähigkeiten und fördert das soziale Miteinander", so Sabrina Jacob, kommissarische Leiterin der TK-Landesvertretung in Niedersachsen.
Das Projekt hat eine Dauer von sechs Monaten und wird im Wohn- und Pflegeheim Querum des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig e.V. in der Zeit von Mai 2024 bis Januar 2025 angeboten.
Da sich die TK für eine zukunftsfähige Versorgung Pflegebedürftiger einsetzt, fördert sie das Projekt, da insbesondere die Chancen der Digitalisierung genutzt werden. Doch nicht nur die zu pflegenden Personen können von der Digitalisierung profitieren, sondern auch die Pflegekräfte. "Die Pflege zukunftssicher zu gestalten ist eine der drängendsten Aufgaben", so Jacob. "Neben strukturellen Rahmenbedingungen ist es ebenfalls wichtig, die Pflegekräfte in ihrem Alltag zu entlasten und alltägliche Erleichterungen durch Digitalisierung - wie etwa eine flächendeckende Einführung von digitalen Dokumentationssystemen - weiter voranzutreiben."
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Im aktuellen Pflegedossier "Pflege mit Zukunft" hat die TK Ideen, Vorschläge und Konzepte für ein gesundes Arbeitsumfeld entwickelt.