Zur Sache: Arbeiten 5.0 im UKE
Interview aus Hamburg
Wie kann ein flexibles und zeitgemäßes Arbeitsumfeld geschaffen werden, das Beruf und Freizeit für Pflegefachpersonen besser miteinander in Einklang bringen lässt? Im Kooperationsprojekt "Arbeiten 5.0" des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und der Techniker Krankenkasse (TK) wurde dies in einer sechsmonatigen Pilotphase seit Oktober 2021 erprobt. Dabei kamen unter anderem neue Modelle für Dienstzeiten zum Einsatz.

Welche Erfahrungen im Projekt gesammelt wurden, wie die neuen Arbeitszeitmodelle angekommen sind und wie es mit "Arbeiten 5.0" weiter geht, erklären Michael van Loo, Leiter des Geschäftsbereichs Personal am UKE, und Thomas Holm aus dem Gesundheitsmanagement der TK.
TK: Herr van Loo, das Projekt "Arbeiten 5.0" zeigt, dass eine ausgewogene Work-Life-Balance und der Pflegeberuf sich nicht ausschließen. Wie ist das konkret gelungen und wie haben sich die neuen Maßnahmen auf die Pflegefachpersonen ausgewirkt?
Michael van Loo: Wir haben zu Beginn des Projekts unter Mitwirkung von vielen Pflegekräften "frei gedacht", uns von den tradierten Dienstzeiten und -formen gelöst und viele innovative Ansätze erarbeitet. Gleitzeit, lange Dienste über elf Stunden oder Kurzdienste bis vier Stunden, aber auch mobiles Arbeiten in der Pflege sind nur einige Beispiele der vermeintlich "verrückten Ideen". Auch die von jeher im Fokus stehende Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen, insbesondere pflegerischer und ärztlicher Dienst, wurde behandelt. Im Rahmen der Pilotphase konnten die unterschiedlichen Dienstmodelle dann ausprobiert und verfeinert werden. Wichtig zu erwähnen ist, dass alle Dienste auf freiwilliger Basis gewünscht und erprobt werden konnten.
Ein besonderes Lob gilt hier den Dienstplaner:innen, für welche das natürlich eine besondere Herausforderung darstellte. Ebenfalls wurden die interdisziplinären Elemente der Zusammenarbeit, die sogenannten Prozessbausteine, gemeinsam mit den ärztlichen Kolleg:innen eingeführt. Die Evaluation und der "Andrang" der Stationen, die noch nicht "mitspielen" durften, zeigen, dass alle Elemente des Projekts die Zufriedenheit der Pflegenden und auch ärztlichen Kolleg:innen deutlich gesteigert hat.
Die Elemente des Projekts haben die Zufriedenheit der Pflegenden und der ärztlichen Kolleg:innen deutlich gesteigert.
Michael van Loo
TK: Herr Holm, warum unterstützt die TK das Projekt?
Thomas Holm: Gerade in der Pflege ist die konsequente Flexibilisierung der Arbeitszeiten ein zentrales Element, um die Zufriedenheit des Personals zu erhöhen. Kliniken, die wie das UKE mutig und konsequent die Strukturen der Arbeitszeit flexibilisieren, leisten einen sehr wirkungsvollen Schritt zur Bindung ihres Pflegepersonals. Und sie gewinnen einen deutlichen Vorsprung als attraktiver Arbeitgeber im Vergleich zu den allermeisten anderen Kliniken und Krankenhäusern. Hinzu kommt, dass gleichzeitig verschiedene neue Abstimmungselemente in den betrieblichen Ablauf eingebaut werden, die das Miteinander von Pflege und Ärzteschaft weiter verbessern. Letztlich auch zum Wohle der Patientinnen und Patienten. Mit diesem Prozess wird weit mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht, als beispielsweise mit einem Entspannungskurs. Aus unserer Sicht als TK ist dies nachhaltiges Gesundheitsmanagement, das sich spürbar auszahlen wird.
TK: Warum setzt sich die TK für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege ein?
Holm: Unser speziell ausgerichtetes Gesundheitsmanagement in Kliniken, Krankenhäusern und in der betrieblichen Altenpflege ist zum einen durch das Präventionsgesetz begründet, vor allem jedoch durch das Pflegepersonalstärkungsgesetz von 2019. In den mittlerweile weit mehr als 250 bundesweit TK- geförderten Pflege-Projekten wird täglich bestätigt, wie wirkungsvoll und nachhaltig die psychosoziale Gesundheit und Zufriedenheit dort gestärkt werden kann. Das funktioniert leider nicht mit Einzelmaßnahmen, wie betrieblichen Gesundheitskursen. Es braucht langfristige Strukturveränderungsprozesse in den Feldern der Personalführung, der Ablaufstrukturen und der Arbeitskultur, um Pflegekräfte im Beruf - und bei ihrem Arbeitgeber zu behalten. Wir werben als TK intensiv für eine solche Strukturarbeit und helfen dabei, die richtige Vorgehensweise zu entwickeln. Benötigt wird hierfür konsequentes Führungshandeln und ein langer Atem. Das UKE-Projekt profitiert von einem systematisch angelegten Personalmanagement und ist deshalb wegweisend für die Gesundheitsbranche.
Wir werben als TK intensiv für Strukturveränderungsprozesse in den Feldern der Personalführung, der Ablaufstrukturen und der Arbeitskultur und helfen dabei, die richtige Vorgehensweise zu entwickeln.
Thomas Holm
TK: Und wie geht es mit dem Projekt nun weiter, Herr van Loo?
van Loo: Wir nehmen das Erlernte aus den Piloten nun mit in einen sukzessiven Rollout, indem wir mit dem Projektteam begleitend quartalsweise weitere Stationen an die neuen Dienstzeiten und Prozessbausteine heranführen. Unser Ziel ist es, bis Ende 2024 die über 100 Stationen des UKE "am Netz" zu haben. Unterwegs wird weiter gelernt, erweitert, verbessert und kommuniziert, sodass alle von diesem lernenden System profitieren können.
Hintergrund
"Arbeiten 5.0" ist eines von vier ausgewählten Entwicklungsprojekten des UKE "INside HR", die seit 2019 vom Gesundheitsmanagement der TK unterstützt werden. Ein weiteres Projekt zielt auf eine bessere Stress- und Traumaprävention durch die Ausbildung von sogenannten Peer-Beraterinnen und -Beratern ab.