Starker Anstieg bei Herzmedikamenten und Psychopharmaka
Pressemitteilung aus Baden-Württemberg
Stuttgart, 2. September 2025. Patientinnen und Patienten aus Baden-Württemberg haben im Jahr 2024 so viele Arzneimittel verschrieben bekommen wie noch nie. Nach einer aktuellen Auswertung der Landesvertretung der Techniker Krankenkasse (TK) erhielten 2024 bei ihr versicherte Erwerbspersonen im Durchschnitt 252 sogenannte Tagesdosen. Diese seit Beobachtungsbeginn im Jahr 2000 größte Menge an verordneten Arzneimitteln lag allerdings immer noch 11,6 Prozent unter dem Bundesschnitt von 285 Tagesdosen. Im bundesweiten Ländervergleich benötigten die Menschen damit hierzulande am wenigsten Medikamente. Jede bei der TK versicherte Erwerbsperson aus Baden-Württemberg erhielt bei durchschnittlich drei Arztkontakten 4,7 verschreibungspflichtige Präparate.
Mehr Probleme mit Schilddrüse im Südwesten
"Allein in den letzten zehn Jahren ist das Verordnungsvolumen bei uns im Land um rund 14 Prozent gestiegen", sagt Nadia Mussa, Leiterin der TK-Landesvertretung in Baden-Württemberg, "Trotzdem liegen wir bei fast allen Produktgruppen unter dem Bundesschnitt, lediglich Schilddrüsenmedikamente werden hier im Südwesten etwas mehr benötigt." Nach Blutdrucksenkern (54,9 Tagesdosen) und Psychoanaleptika (20,4 Tagesdosen) gehörten sie 2024 mit 19,7 Tagesdosen zu den am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln.
Starker Anstieg bei Herz und Nerven
Während der Bedarf an Schilddrüsenmedikamenten sich in den vergangenen zehn Jahren auf ähnlichem Niveau bewegte, sind die Verordnungszahlen für Herz-Kreislauf-Medikamente und Psychopharmaka deutlich gestiegen. "Bei Arzneimitteln zur Therapie von Herzerkrankungen haben wir ein Plus von gut 24 Prozent, bei Arzneimitteln mit Wirkung auf das Nervensystem sogar von 38 Prozent in den letzten zehn Jahren", erklärt Mussa. Neben dem demografischen Wandel kämen hier auch eine zunehmende Alltags- und Arbeitsbelastung zum Tragen.
11,5 Prozent höhere Ausgaben für Arzneimittel
Die Ausgaben für Medikamente lagen 2024 bei rund 620 Euro je TK-Versicherte beziehungsweise TK-Versicherten in Baden-Württemberg und damit mehr als 11,5 Prozent über dem Vorjahreswert. "Die Arzneimittelausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steigen seit Jahren. Das liegt zum einen an der wachsenden Anzahl an verordneten Medikamenten, zum Großteil aber an neuen patentgeschützten Arzneimitteln", so Mussa. Diese neuen Arzneimittel machen mittlerweile etwa die Hälfte der Arzneimittelausgaben der GKV aus - bei gleichzeitig nur etwa sechs Prozent des Verbrauchs.
Preisbildung muss reformiert werden
Die Kosten für patentgeschützte Arzneimittel liegen mittlerweile vielfach im fünf- und sechsstelligen Bereich, auch die Millionengrenze für einzelne Arzneimittel ist längst überschritten. "Diese Entwicklung kann die Versichertengemeinschaft auf Dauer nicht finanzieren. Es müssen neue Lösungen zur Preisbildung bei Arzneimitteln her", betont die Leiterin der TK-Landesvertretung.
Zentral ist aus Sicht der TK, dass sich die Preise an den tatsächlichen Forschungs-, Entwicklungs- und Herstellungskosten orientieren müssen. Kurzfristig sei zudem ein reduzierter Umsatzsteuersatz für Arzneimittel von sieben Prozent nötig, wie er etwa für Grundnahrungsmittel bereits gelte.
Hinweis für die Redaktion
Für die Auswertung hat die TK die Arzneimittelverordnungen der rund 6 Millionen bei der TK-versicherten Erwerbspersonen berücksichtigt, 638.000 davon mit Wohnsitz in Baden-Württemberg. Dazu zählen neben den Erwerbstätigen auch die Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld I.
Die definierte Tagesdosis (defined daily dose, DDD) wird als Maß für die verordnete Arzneimittelmenge verwendet. Die DDD basiert auf der Menge eines Wirkstoffes bzw. eines Arzneimittels, die typischerweise auf die Hauptindikation bei Erwachsenen pro Tag angewendet wird.