Das zeigt sich unter anderem bei den Videosprechstunden: Im gesamten zweiten Halbjahr des Jahres 2019, also vor Beginn der Coronapandemie, wurde die Videosprechstunde in Hamburg erst 19-mal genutzt. Im gleichen Zeitraum des Jahres 2020 waren es bereits 22.887 Nutzerinnen und Nutzer. Im ersten Halbjahr 2021 wurde dann mit 44.073 Videosprechstunden fast das Doppelte abgerechnet. Laut einer Forsa-Umfrage dürften die Zahlen in kurzer Zeit weiter steigen, denn allein in Norddeutschland würde jede oder jeder Zweite für den Arztbesuch eine Videosprechstunde nutzen.

Wo stehen wir bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen - und wie soll es aus Sicht der TK weitergehen? Antworten hierzu von Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg.

TK: Das Thema "Digitalisierung im Gesundheitswesen" hat in den vergangenen beiden Jahren deutlich Fahrt aufgenommen. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Gründe dafür?

Maren Puttfarcken: Tatsächlich ist seit 2019 eine ganze Menge passiert - vor allem auf der Ebene der Gesetzgebung: Ende 2019 das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), Herbst 2020 das Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) und Juni 2021 das Digitale-Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG). Diese Gesetze sind von zentraler Bedeutung. Sie bauen aufeinander auf und regeln etwa den Ausbau der Telematik-Infrastruktur, die Kostenübernahme von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DIGA) oder ermöglichen digitale Angebote in der Pflege. Auch die Akzeptanz in der Bevölkerung und beim medizinischen Personal ist für neue Ideen und Entwicklungen gestiegen. Laut der Forsa-Umfrage "TK-Meinungspuls 2021" glauben knapp 60 Prozent der Menschen, dass die Digitalisierung hilft, die Herausforderungen in der Pflege zu lösen.

Trotzdem braucht es weitere Anstrengungen. Aus unserer Sicht ist es wichtig, noch stärker die Patientensicht und das Thema Transparenz in den Blick zu nehmen. Auch die bereits bestehenden Prozesse können und müssen digitaler und zeitgemäßer gestaltet werden, da wollen wir als TK im Gesundheitswesen voranschreiten. Wir haben etwa ein komplett digitales Fernbehandlungsangebot entwickelt. Aus unserer Sicht ist der Meilenstein für eine modernere Versorgung aber die elektronische Patientenakte (ePA).

Maren Puttfarcken

Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

TK: Seit Anfang des Jahres 2021 sind die gesetzlichen Krankenkassen dazu verpflichtet, ihren Versicherten die elektronische Patientenakte (ePA) anzubieten. Was hat sich dadurch geändert?

Puttfarcken: Wir haben uns sehr gefreut, dass nun alle Versicherten in der GKV einen Anspruch auf eine ePA haben. Im April 2018 sind wir mit unserer elektronischen Gesundheitsakte TK-Safe gestartet und hatten ein Jahr später bereits 250.000 aktive Nutzerinnen und Nutzer. Nach über einem Jahr TK-Safe als elektronische Patientenakte nutzen nun sie seit April 2022 rund 390.000 TK-Versicherte bundesweit - in Hamburg circa 18.300. Laut TK-Meinungspuls ist das nicht erstaunlich: Denn danach ist die große Mehrheit - 85 Prozent - der Norddeutschen von der Idee der ePA überzeugt. 

Ziel muss es sein, dass wir vom Papier wegkommen und alle wichtigen Unterlagen rund um die eigene Gesundheit für die Versicherten digital bereitstellen können. Schon jetzt haben Versicherte mit der ePA Zugriff auf einen Teil ihrer Gesundheitsdaten, weitere werden folgen. Damit die ePA insgesamt ein Erfolg wird, ist es aus unserer Sicht ganz wichtig, dass sie für die Versicherten einen echten Mehrwert bietet, zum Beispiel durch Services wie eine Impf- oder Vorsorge-Erinnerung, den digitalen Impfausweis oder das Zahnbonusheft. Diese gibt es bereits. Nach und nach werden weitere Benefits folgen. 

Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.

TK: Was sind die größten Herausforderungen beim Thema Digitalisierung, und gibt es schon größere Projekte in Hamburg?

Puttfarcken: Mit Blick auf das Gesundheitswesen in Deutschland insgesamt ist die größte Herausforderung, passende Schnittstellen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern zu schaffen und die Leistungserbringer sektorenübergreifend zu vernetzen. In Hamburg arbeiten wir mit dem Projekt H3 - Hamburg Health Harbour - genau an diesen Schnittstellen und möchten eine digitale Plattform schaffen, über die die unterschiedlichen Leistungserbringer miteinander kommunizieren können. Das hätte viele Vorteile. Vor allem könnten Ärzteschaft sowie Patientinnen und Patienten damit gemeinsam auf die kompletten Versorgungsdaten schauen.

Mit Blick auf das Gesundheitswesen in Deutschland insgesamt ist die größte Herausforderung, passende Schnittstellen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern zu schaffen und die Leistungserbringer sektorenübergreifend zu vernetzen. Maren Puttfarcken

Der Hamburger Senat hat im Januar 2020 eine Digitalstrategie beschlossen. Darunter fallen zum Beispiel das H3-Projekt oder der Digital Health Hub der Gesundheitswirtschaft Hamburg . Ebenso plant Hamburg digitale Informationsplattformen für die Bürgerinnen und Bürger in den unterschiedlichen Quartieren. Dort soll unter anderem über generationsübergreifende Quartiersprojekte über Präventions-, Jugend- und Seniorenangebote, Optionen der Gesundheitsförderung und Verbraucherberatung bis hin zu lokalen Betriebspartnerschaften zur Gesundheitsförderung informiert werden.

Als TK konnten wir in Hamburg mit unterschiedlichen Projekten wichtige Erfahrungen im Umgang mit dem Thema Digitalisierung sammeln. So haben wir 2017 den Health Innovation Port (HIP), einen Co-Working Space für Start-ups aus dem Gesundheitswesen, gemeinsam mit Philips feierlich eröffnet. Seitdem hat er sich enorm weiterentwickelt und beherbergt - inzwischen über 30 Gründerinnen und Gründer. 2019 haben wir unser erstes Pilotprojekt zum elektronischen Rezept gestartet, und auch einige der ersten elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kamen aus Hamburg. Und seit August 2020 nehmen mehrere Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen in und um Hamburg an dem Projekt zur digitalen Anschluss-Reha Recare teil. 

Bei dem Thema ist insgesamt also wirklich viel in Bewegung, aber auch noch viel zu tun. Deshalb hoffen wir sehr, dass wir keine Rückschritte hinnehmen müssen. Das wäre fatal!