Interview zu den Videosprechstunden von Dr. Malte Ganssauge
Interview aus Mecklenburg-Vorpommern
In seiner Lübstorfer Praxis setzt Dr. Ganssauge seit dem ersten Corona-Lockdown auf die Videosprechstunde - mit großem Erfolg. Warum das digitale Angebot für viele Patientinnen und Patienten eine praktische Lösung ist, wo seine Grenzen liegen und warum persönlicher Kontakt trotzdem unersetzlich bleibt, erklärt er im Interview.
TK: Lübstorf ist eine kleine Gemeinde am Schweriner See. Kommen ihre Patientinnen und Patienten aus der unmittelbaren Umgebung?
Dr. Ganssauge: Ja, es gibt zwar einzelne Patientinnen und Patienten, die auch aus Schwerin oder Wismar kommen. Die allermeisten kommen jedoch aus Lübstorf, Bad Kleinen, Seehof oder Alt Meteln. In der Video-Sprechstunde haben wir immer wieder Patientinnen und Patienten, die uns über den App-Dienstleister erreichen. Wir können dann aber schon in der schriftlichen Anmeldung erkennen, ob es um die üblichen Beratunganlässe geht wie zum Beispiel akute Infekte oder ob gar keine Angaben gemacht werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Patientinnen und Patienten häufig illegale Anfragen an uns stellen. Das kommt aber nicht oft vor, vielleicht einmal in der Woche. Patientinnen und Patienten die keinen Anlass für die Beratung im Anmeldeformular angeben, rufen wir nicht mehr auf.
TK: Sie bieten die Videosprechstunde bereits seit längerer Zeit an. Welche Faktoren haben Sie dazu bewogen, auf diese Versorgungsform zu setzen? Und wie kommt das Angebot bei den Patientinnen und Patienten an?
Dr. Ganssauge: Begonnen haben wir mit der Videosprechstunde im ersten Corona Lockdown. Dies wurde gut angenommen, im ersten Jahr wurden etwa 300 Videosprechstunden durchgeführt. Zum Ende der Corona Zeit hatte sich das Verfahren etabliert, infektbedingte Krankschreibungen erfolgten dann vorwiegend über die Videosprechstunde, um die Patientinnen und Patienten in der Praxis zu schützen. Hier wurden in einem Jahr über 2000 Videosprechstunden durchgeführt.
Dr. Malte Ganssauge
TK: Welche Vorteile bietet die Videosprechstunde für Sie und Ihre Patientinnen und Patienten? Und für welche Personen eignet sie sich besonders gut?
Dr. Ganssauge: Viele Patientinnen und Patienten wissen, dass sie für ihr aktuelles Gesundheitsproblem eigentlich keinen Arzt benötigen sondern nur Tee und Ruhe. Der Arbeitgeber verlangt aber schon ab dem ersten Tag eine Krankmeldung von einem Arzt. Für uns ist die Videosprechstunde relativ schnell durchzuführen. Sie wird aber auch entsprechend geringer vergütet. Für die anderen Patientinnen und Patienten in der Praxis ist es angenehmer, wenn die offensichtlich erkälteten Menschen nicht im dicht getrennten Wartezimmer neben ihnen sitzen. Gelegentlich stellen sich Patientinnen und Patienten auch mit anderen Problemen vor. Das können Beratungen zu psychischen Problemen sein oder zu orthopädischen Fragen. Hier ist aber die systembedingte Distanz oft hinderlich, weil eine gute Diagnostik dann doch nur im Sprechzimmer gelingen kann.
TK: Wie betrachten Sie die Entwicklung der Videosprechstunde insgesamt? Gibt es Bereiche, in denen Sie sich noch Verbesserungen wünschen?
Dr. Ganssauge: Sehr kritisch finde ich die zum Teil offensiven Angebote von Firmen, die im Internet um Ärzte werben, mit dem Versprechen eines hohen Zusatz Verdienstes. Die sehr niederschwellige Möglichkeit der Kontaktaufnahme fördert hier auch die missbräuchliche Anwendung. Die VideoSprechstunde ist auch nicht hilfreich für Menschen, die sowieso im sozialen Rückzug leben und so einen Weg haben soziale Kontakte weiter zu vermeiden. Für eine tragfähige Beziehung zwischen Arzt und Patient ist weiterhin der persönliche Kontakt eine wichtige Grundlage.