Die Enquete-Kommission gibt der zukünftigen Landesregierung einen ausgeklügelten Leitfaden an die Hand, mit dem die Gesundheitsversorgung in Mecklenburg-Vorpommern verbessert werden soll. Die wichtigsten Bausteine für eine zukunftssichere Gesundheitsversorgung sind aus unserer Perspektive die sektorenübergreifende Versorgung, die Weiterentwicklung der Krankenhausstandorte, der Ausbau der Telemedizin und die Sicherung des Fachkräftebedarfs.

Sektorenübergreifende Versorgung als Standard etablieren

Seit mehr als 30 Jahren ist die sektorenübergreifende Versorgung ein Ziel der Akteure im Gesundheitswesen. Trotz dieser großen Zeitspanne, gibt es nur wenige flächendeckende Lösungsansätze in unserem Bundesland. Die Enquete-Kommission schlägt nun konkrete Verfahrensschritte vor:

  • Versorgungsplanung sektorenübergreifend und patientenzentriert ausgestalten
  • ab 2022 Versorgungsbedarfe und Versorgungsangebote regional erfassen
  • vier Versorgungs-Cluster einrichten, die auf Grundlage von Realdaten sektorenübergreifend geplant werden

Aus TK-Sicht ist die Einführung eines sektorenübergreifenden Versorgungsmonitorings ein überfälliger Schritt. Nur wenn wir die echten Patientenbedarfe und die vorgehaltenen Strukturen abgleichen, können wir Entwicklungspotenziale ableiten und die notwendige medizinische Versorgung sicherstellen. Wichtig ist, dass die Leistungserbringer die Bedarfsanalyse nicht als zukünftiges Restriktionsinstrument erfahren. Anpassungsbedarfe müssen dementsprechend frühzeitig und transparent kommuniziert werden. So können die Strukturen in jedem Sektor aus sich heraus eine bessere Bedarfsorientierung auf den Weg bringen.

Krankenhausstandorte zu Gesundheitszentren weiterentwickeln

Die politischen Entscheidungsträger und die gesetzlichen Krankenversicherungen haben sich in der vergangenen Legislaturperiode zu allen Krankenhausstandorten im Land bekannt. Zu diesem Wort stehen wir und auch der Abschlussbericht der Enquete-Kommission folgt diesem Grundsatz. Gleichzeitig weisen die jüngsten Abteilungsschließungen in einigen Krankenhäusern auf Veränderungsbedarfe hin. Im Abschlussbericht lautet die Handlungsempfehlungen daher:

  • innerhalb der Clusterstrukturen sektorenübergreifende Gesundheitszentren bilden bzw. stationäre Einrichtungen dazu entwickeln
  • Krankenhäuser besser telemedizinisch ausstatten
  • Investitionsmittelvergabe an definierten Gesundheitszielen orientierten
  • Expertengremium zur Sicherung der Geburtsmedizin einberufen
  • Kurzzeitpflege an Gesundheitszentren und Krankenhäuser andocken
  • ambulante fachärztliche Versorgung an Krankenhäusern ermöglichen
  • Pilotregion für Strukturanpassungen einrichten

Die zukunftssichere Ausrichtung der Krankenhausstandorte ist eine große Herausforderung für die Gesundheitspolitik im Land. Wir begrüßen es, dass durch die Einführung von Pilotprojekten die theoretisch erarbeiteten Lösungen zunächst in der Praxis erprobt werden sollen. Gleichzeitig besteht dadurch die Gefahr, dass Mecklenburg-Vorpommern als Bundesland in eine Phase der "Projektitis" gerät. Versorgungsverbesserungen müssen rasch und positiv spürbar bei den Patientinnen und Patienten ankommen. Effizienzverluste durch bürokratische Abläufe und unflexible Projektteams müssen aus Sicht der Versicherten im Land minimiert werden. Die für die Versorgung verantwortlichen Akteure müssen also ihre gesetzlich definierten Aufträge erfüllen und auch als Gestalter der Versorgung in Erscheinung treten.

Daher ist es wichtig, dass aus dem oben genannten Versorgungsmonitoring klare Planungsverantwortungen ergehen. Das Gremium nach SGB V §90a könnte z. B.  die relevanten Akteurinnen und Akteure der regionalen Versorgung zusammenführen. Dieser Kreis ist bestens geeignet, um sich mit der Versorgungssituation im ländlichen Raum zu befassen. Anhand klar definierter Kriterien sollte dieses Gremium die Versorgungslage bewerten und gegebenenfalls Maßnahmen anstoßen. Um dabei ein bundesweit einheitliches Vorgehen zu gewährleisten, sollte diesem regionalen Gremium gesetzlich ein konkretes Spektrum an Aufgaben und Zuständigkeiten übertragen werden. Das bundesweit einheitliche Vorgehen spielt insbesondere auch in den Grenzregionen eine wichtige Rolle. Patientenströme richten sich nicht nach politischer Zuständigkeit. Daher sollte der Planungsprozess länderübergreifend organisiert sein. 

Telemedizin immer mitdenken

Der Einsatz telemedizinischer Behandlungspfade ist innerhalb der Ärzteschaft des Landes nicht unumstritten. Insbesondere die ältere Generation befürchtet die Substitution ihrer Leistungen durch auswärtige Mediziner. Die Corona-Krise hat allerdings das Gegenteil gezeigt. Die Patientinnen und Patienten in Mecklenburg-Vorpommern wollten und wollen auch auf digitalem Wege mit ihrem vertrauten Mediziner bzw. ihrer Medizinerin kommunizieren. Die Enquete-Kommission empfehlt folglich: 

  • Telemedizin landesweit und professionsübergreifend stärken
  • telemedizinische Kompetenzzentren einrichten und digitale Angebotsplattform schaffen
  • Telemedizinbeirat als unabhängiges Expertengremium gründen und Landesdatenschützer berücksichtigen
  • Telemedizin-Projekt Land-Rettung landesweit ausrollen, Apotheken telemedizinisch weiterentwickeln
  • bei Strukturanpassungen und Neugründungen immer telemedizinische Möglichkeiten berücksichtigen

Wir als Techniker Krankenkasse verstehen uns als Innovationsmotor. Gerade mit der Sars-CoV-2 Pandemie haben wir noch einmal einen deutlichen Bedarfsanstieg im Bereich der digitalen Dienstleistungen und Services wahrgenommen. Daher machen wir uns auch besonders für den Einsatz telemedizinischer Behandlungsangebote im Gesundheitswesen stark. Gerade für die Menschen in ländlichen Regionen sind telemedizinische Konsultationsmöglichkeiten der schnellste Weg zu fachärztlicher Expertise.

Unser Innovationsfonds-Projekt TeleDermatologie hat eindrucksvoll gezeigt, wie Ärztinnen und Patienten von digitalen Pfaden profitieren. Gerade wenn es um eine zukunftssichere Ausrichtung der Versorgungslandschaft geht, müssen wir die Potenziale der Telemedizin nutzen. Auf dem Weg zu einem digitalen Ökosystem in Mecklenburg-Vorpommern sind die Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission die richtigen Schritte. 

Fachkräftemangel strukturell bekämpfen

Der Fachkräftemangel hat das Gesundheitswesen längst erreicht. Neben fehlendem Nachwuchs spielt auch die Vielzahl der Versorgungspfade und Behandlungseinrichtungen eine wichtige Rolle, wenn es um die verfügbaren personellen Kapazitäten geht. Die Expertenkommission empfiehlt daher eine Doppelstrategie zur Bewältigung:

  • Studienplatzkapazitäten im medizinischen Bereich ausbauen
  • Studienplatzvergabe an spätere Tätigkeit in M-V koppeln
  • Landarztgesetz auf Pharmazie und Zahnmedizin ausweiten
  • Ausbildungskapazitäten für Heil- und Pflegeberufe erhöhen
  • Wiedereinstiegsprogramm für Berufsrückkehrer auflegen
  • Personalaspekte bei Strukturprozessen verstärkt berücksichtigen

Bereits in der Stellungnahme zu den Fragen der Kommission haben wir als Techniker Krankenkasse darauf aufmerksam gemacht, dass die sinkende Anzahl medizinischer und pflegerischer Fachkräfte nicht nur durch neue Ausbildungskapazitäten bewältigt werden kann. Insofern begrüßen wir es, wenn die von der Kommission vorgeschlagene Doppelstrategie umgesetzt wird. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht vor einer qualitätsorientierten Konzentration der Behandlungseinrichtungen zurückschrecken. Parallel existierende Versorgungspfade benötigen immer eine eigene Grundausstattung an Personal. Diese trägt kräftig zum Fachkräftemangel bei. Daher müssen wir auch in diesem Bereich tätig werden.

Regionale Gesundheitszentren als Versorgungsanker in der Fläche, sind eine Möglichkeit um Personalkapazitäten zu bündeln. Ebenso bieten größere Einrichtungen oftmals auch attraktivere Arbeitsbedingungen für junge Menschen. Karrierepfade, unterstützende Strukturen zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit sowie eine professionelle und wertschätzende Leitung sind nur einige der Vorteile professionalisierter großer Einrichtungen. 

Handlungsempfehlungen mit Potenzial aber ohne Patentrezept

Aus unserer Perspektive müssen die Vorschläge mit der größten Versorgungswirksamkeit priorisiert angegangen werden. Wir als TK werden die operativen Prozesse im Sinne unserer Versicherten proaktiv mitgestalten und uns auch weiterhin auf politischer Ebene für die patientenzentrierte Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen im Land stark machen. 

Der über 180 Seiten umfassende Abschlussbericht der Enquete-Kommission zur Zukunft der medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern schildert die Versorgungslage in unserem Bundesland umfassend. Ebenso legt er die dringendsten Handlungsfelder offen und verdeutlicht, wie dringend der Handlungsdruck mittlerweile ist. Die Baustellen im Gesundheitswesen des Landes reichen weit über den eigentlichen Anlass für die Kommission, die Geburtsmedizin, hinaus. Die Empfehlungen zur Bewältigung der Probleme sind ein ausgeklügeltes Gesamtkonzept. Die Entscheidungsgewalt zur Umsetzung der Vorschläge liegt wie in demokratischen Gesellschaften üblich und notwendig allerdings nicht in einer Hand. Wir hoffen daher auf eine weitere kooperative Zusammenarbeit der Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen, um die notwendigen Reformen zügig auf den Weg zu bringen.