Was in der deutschen Kliniklandschaft über Jahre schieflief, zeigt exemplarisch der Fall des Zentralklinikums Mittelbaden. In Rastatt soll ein neues Großklinikum gebaut werden, weil die bisherigen Standorte in Baden-Baden, Rastatt und Bühl in die Jahre gekommen sind und nicht mehr den medizinischen Standards entsprechen. Das Problem, das einen Teil der politischen Entscheider dabei beschäftigte: Wenn das neue Klinikum auf dem dafür ausgewählten Grund auf Rastatter Gemarkung entsteht, wird in den Geburtsurkunden dort geborener Babys nicht Baden-Baden stehen. 
 
Es geht also um Heimatgefühle statt um die beste strukturelle Lösung. Diese Art von Partikularinteressen hat die Modernisierung des deutschen Gesundheitswesens über Jahre blockiert. Ermöglicht hat das eine Krankenhausplanung, die ihren Namen nicht verdient. In Baden-Württemberg gibt es zwar eine Art Rahmenplanung, aber letztlich hat doch jeder Träger selbst entschieden, welches Leistungsportfolio er an seinen Standorten vorhalten möchte. Medizinische Aspekte waren dabei nur ein Kriterium. Wie viele emotionale Abwehrkämpfe gab es um die Schließung kleiner Kliniken, obwohl längst klar war, dass die dort erbrachte Eingriffsqualität nicht an die des benachbarten Großklinikums heranreicht? Wie viele Gelegenheitseingriffe zum Nachteil von Patienten sind erfolgt, einfach weil sie gut vergütet werden?
 
Damit muss endlich Schluss sein. Die jetzt definierten Eckpunkte der Gesundheitsreform bieten die Chance dazu. Wenn sich Karl Lauterbach und sein Expertenrat mit ihrem Vorhaben durchsetzen, könnten Strukturen entstehen, die entlang medizinischer Standards gebaut sind, statt entlang regionaler und politischer Befindlichkeiten. Auch dass mehr Transparenz in das System einziehen soll, ist überfällig. Mit überschwänglichem Lob für ihr jeweiliges Krankenhaus sind lokale Politiker schnell bei der Stelle - aber anhand welcher bundeseinheitlichen Kriterien ist denn die Qualität faktisch für Patienten nachvollziehbar?
 
Je konkreter die Pläne für die Reform werden, desto mehr Forderungen prasseln auf den Bundesminister ein. "Bloß kein Ranking", hieß es vehement von seinen Länder-Kollegen. Die Krankenhausgesellschaften verlangen seit Wochen lautstark nach "mehr Geld" - noch vor der Reform. Die Kassenärzte wollen Mitsprache, weil ihr Sektor berührt sei, und KBV-Chef Gassen drängt auf "mehr ambulante Eingriffe", was die Krankenhausgesellschaft wiederum vehement ablehnt.
 
Jede dieser Forderungen mag für sich genommen nachvollziehbar sei. Doch lenken sie insgesamt vom Ziel weg, ein Gerüst für ein modernes, bedarfsgerechtes Gesundheitssystem mit einheitlichen Standards zu bauen und dabei die finanziellen Fehlanreize des bisherigen Systems zu beseitigen. Von Partikularinteressen muss es frei sein - dafür aber "lernen" können, damit Nachbesserungen im Prozess schnell und unkompliziert möglich sind. 

Zur Person:

Valerie Blass ist seit 2013 Redakteurin im Ressort Politik und Wirtschaft beim Medienunternehmen Heilbronner Stimme. Außerdem ist sie Teamleiterin für den ressortübergreifenden Bereich Medizin und Gesundheitspolitik. Zuvor war sie Leiterin der Unternehmenskommunikation der SLK-Kliniken Heilbronn GmbH.