TK: Herr Prof. Dr. Martin, wie stehen Sie als Geschäftsführer eines regionalen Klinikverbunds zu den geplanten Inhalten der Krankenhausreform?

Prof. Dr. Jörg Martin: Eine Krankenhausreform ist dringend notwendig, denn Deutschlands Gesundheitswesen hat EU-weit die höchsten Ausgaben, gehört aber in Sachen Lebenserwartung eher zu den Schlusslichtern. Es war die richtige Entscheidung, die Zuweisung der Krankenhäuser den Ländern unabhängig von den Levels auf der Basis von noch zu definierenden Leistungsgruppen zu überlassen.

Prof. Dr. Jörg Martin

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Geschäftsführer der RKH Gesundheit

Dass die Finanzierung neben einem Vorhalte- und Pflegebudget zu 40 Prozent durch im Preis reduzierte DRGs erfolgen soll, ist keine gute Lösung. Denn dann können Kliniken nur durch Leistungssteigerungen überleben und so dreht sich das Hamsterrad nur noch schneller! Kliniken werden so keine Überschüsse mehr erwirtschaften können, mit denen sie bislang Investitionen getätigt haben. Investitionen müssen dann künftig komplett vom Land und den Trägern geschultert werden.

Der Vorstoß der Bundesregierung, dass nicht alle Kliniken alle Leistungen durchführen sollen und die Qualität ausschlaggebend wird, halte ich für absolut richtig. Die Vorgabe von Mindestmengen und die Veröffentlichung der medizinischen Ergebnisqualität sind folgerichtig. Die RKH Gesundheit veröffentlicht schon seit mehreren Jahren freiwillig ihre medizinische Ergebnisqualität über die Initiative Qualitätsmedizin (IQM).

TK: Was sind Ihrer Meinung nach die entscheidenden Stellschrauben, damit das Gesetz für Kliniken sowie Patientinnen und Patienten ein Erfolg wird?

Prof. Martin: Dass 70 Prozent aller Krankenhäuser in Deutschland ein Defizit aufweisen, deutet darauf hin, dass dies nicht an einem mangelnden Management, sondern an den Nachwirkungen der Coronapandemie, der Inflation, den Energiekosten, dem Fachkräftemangel und den Tariferhöhungen bzw. Kosten für Personalleasing liegt. Ähnlich wie beim Kohleausstieg ist eine gemeinsame Finanzierung der Transformation durch Bund und Länder mit Hilfe eines Strukturfonds notwendig. Daran glaube ich allerdings nicht, so dass es zu einem kalten Strukturwandel über die Insolvenz vor allem kleiner Krankenhäuser kommen wird.

Für wichtig erachte ich auch eine deutliche Entbürokratisierung zur Entlastung des Klinikpersonals, ein Vorantreiben der Digitalisierung und Telemedizin, eine weniger strikte Auslegung des Datenschutzes und die Möglichkeit, regionale Gesundheitsmodelle wie beispielsweise in Spanien zuzulassen. Die RKH Gesundheit hat hier insofern bereits Erfahrungen sammeln können, dass wir über drei Landkreise hinweg ein medizinisches Konzept mit einer Grundversorgung an allen Standorten und einer Spezialisierung an einzelnen Standorten entwickelt haben und dies durch digitale und telemedizinische Lösungen unterstützen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist auch die Etablierung von Präventionsleistungen und der Ausbau ambulanter Leistungen in enger Abstimmung mit den niedergelassenen Ärzten. Denn zukünftig sollen Anbieter von Gesundheitsleistungen nicht wie bisher an der Krankheit von Patientinnen und Patienten, sondern deren Gesundheit verdienen.

Zur Person

Prof. Dr. Jörg Martin, geboren 1957 in Alsfeld, absolvierte 1979 bis 1985 das Medizinstudium in Tübingen. Nach seiner Anerkennung zum Facharzt für Anästhesie war er von 1997 bis 2007 als Oberarzt und Leitender Oberarzt an der Klinik am Eichert in Göppingen tätig. 2007 wechselte er ins Management und wurde Geschäftsführer der Klinik am Eichert in Göppingen. Seit 2013 ist er Geschäftsführer der RKH Gesundheit.