"Niemand liegt gern im Krankenhaus"
Interview aus Berlin/Brandenburg
Im Interview: Vivantes-Chef Dr. Johannes Danckert über die Aufgaben der aktuellen Berliner Regierung im Krankenhausbereich, die Zukunft von Vivantes und die Herausforderungen der Digitalisierung im stationären Bereich.

TK: Herr Dr. Danckert, Ende Februar wurden Sie zum stellvertretenden Vorsitzenden der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) gewählt. Was muss die aktuelle Berliner Regierung im Krankenhausbereich besser machen als in den letzten Jahren?
Dr. Johannes Danckert: Nicht nur in Berlin müssen wir an einer optimalen und sektorenübergreifenden Versorgung arbeiten. Wir reden hier zum Beispiel von Möglichkeiten stationsersetzender Maßnahmen oder den digitalen Austausch von Daten für eine schnellstmögliche, ineinandergreifende Behandlung für eine patientenorientierte Versorgung.
Die Pandemie hat uns gezeigt, dass wir für die Gesundheitsversorgung leistungsfähige Strukturen brauchen. Das hat das Land Berlin und die neue Landesregierung erkannt und sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, hier mehr zu tun. Ich hoffe, dass dieser Weg konsequent fortgesetzt wird. Er dauert aber länger als ein Doppelhaushalt.
Dr. Johannes Danckert
TK: Mit der Strategie "vivantes 2030" haben Sie eine Vision der Gesundheitsversorgung im Jahr 2030 vorgelegt. Wie wird Vivantes in acht Jahren aussehen?
Dr. Danckert: Vivantes sieht sich als Gesundheitsversorger für die Berliner Bevölkerung und möchte als größter kommunaler Krankenhausträger Deutschlands seinen Beitrag dazu leisten, dass andere Formen der Versorgung in den Fokus rücken. Schließlich liegt niemand gern im Krankenhaus. Wir konzentrieren uns dabei auf drei Bereiche: Ambulantisierung, Zentrenbildung sowie Digitalisierung.
Mit Lotsenmodellen und Präventionsangeboten möchten wir Krankenhauseinweisungen verhindern, ein breites ambulantes Portfolio vorhalten und stationäre Leistungen nur dort erbringen, wo sie sinnvoll und notwendig sind. Dabei sind die Entlastung unserer Mitarbeitenden und Patientinnen- und Patientenzentrierung der Kern unserer Transformation.
TK: Wo liegen die Herausforderungen der Digitalisierung im stationären Bereich? Wie kann die Landesregierung hier unterstützen?
Dr. Danckert: Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein, sondern soll für Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeitende eine sinnvolle Erleichterung bieten. Für eine erfolgreiche Digitalisierung brauchen wir standortübergreifende, einheitliche Prozesse sowie eine ineinandergreifende Versorgung über die Sektorengrenzen hinweg. Die Mittel aus dem Krankenhauszukunftsgesetz fördern diese Entwicklung und das Land trägt seinen Teil zur Bundesförderung bei. Jedoch muss ein rechtlicher Rahmen im Landeskrankenhausgesetz geschaffen werden. Daneben braucht es eine Art Digitalisierungspauschale, damit Projekte auch nach 2024 gesichert sind. Der dauerhafte Betrieb kann nicht allein über wirtschaftliche Einsparung digitalisierter Prozesse erfolgen.
Gesundwerden hat schließlich auch etwas mit einem "Gut-versorgt-werden-Gefühl" zu tun.
TK: Wie digital ist Vivantes bereits und was sind die nächsten Meilensteine?
Dr. Danckert: Bei der Erhebung zum digitalen Reifegrad hat Vivantes überdurchschnittlich gut abgeschnitten, sogar deutschlandweit. Das ermöglicht uns deshalb schon heute, darauf aufbauende Innovationsprojekte schnell umzusetzen. Neben der kontinuierlichen Investition in die Digitalisierung, arbeiten wir mit innovativen Lösungen, Stichwort Künstliche Intelligenz, um Entscheidungen im klinischen Alltag zu unterstützen.
Ziel ist es, mit digitalen Anwendungen medizinische und pflegerische Tätigkeiten zu optimieren, um mehr qualitative und quantitative Zeit bei den Patientinnen und Patienten zu haben. Gesundwerden hat schließlich auch etwas mit einem "Gut-versorgt-werden-Gefühl" zu tun.
TK: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wie digital sind Sie privat unterwegs?
Dr. Danckert: Ich denke, dass ich "überdurchschnittlich" digital unterwegs bin: sei es mit dem Smartphone oder in Teilen im Smart Home. Ich versuche möglichst überall dort digital unterwegs und vernetzt zu sein, wo ein Mehrwert gestiftet wird, gleiches gilt für die Familie.
Digital heißt für mich aber nicht nur ein Smartphone in der Hand zu halten, sondern wie ich Prozesse im Alltäglichen vereinfachen kann, um dafür beispielsweise mehr Familienzeit herauszuholen. Ebenso lassen sich digitale Anwendungen nutzen, um Energieeffizienz optimal zu gestalten und aufeinander abzustimmen. Dennoch: das Highlight ist nach Möglichkeit das gemeinsame und sehr analoge "Am-Tisch-sitzen" mit der Familie.
Zur Person
Dr. Johannes Danckert arbeitet seit 2010 in geschäftsführenden Positionen in Krankenhäusern und ist seit 2012 für die Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH tätig. Seit März 2020 ist er Geschäftsführer Klinikmanagement bei Vivantes. Im Juli 2021 wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung.