TK: Herr Müller, kürzlich startete die im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vereinbarte Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Pflegereform. Klar ist, dass die soziale Pflegeversicherung unter großem Druck steht. Wie nehmen Sie die Diskussionen rund um die Pflegereform wahr und wie wichtig ist es, dass die Kommission nun schnell Lösungen erarbeitet?


Thomas Müller: Die Diskussionen zur Pflegereform verlaufen intensiv - und das ist auch gut so. Der Reformdruck ist enorm. Wir spüren auf allen Ebenen, dass die soziale Pflegeversicherung an ihre Grenzen stößt. Die demografische Entwicklung führt zu einer wachsenden Zahl pflegebedürftiger Menschen, während die Finanzierungsgrundlage instabil bleibt. Deshalb ist es aus meiner Sicht entscheidend, dass die Bund-Länder-Kommission zügig zu konkreten Ergebnissen kommt. Wir brauchen eine Reform, die sowohl die Finanzierung langfristig absichert als auch die Versorgungsstrukturen stärkt - und zwar schnell.

TK: Der Fachkräftemangel und der demografische Wandel sind weitere Herausforderungen in der Pflege. Das Saarland hat sich mit der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) Saar ambitionierte Ziele gesetzt. Was haben Sie bisher erreicht und wo sehen Sie noch Herausforderungen?


Müller: Die KAP Saar hat bereits wichtige Impulse gesetzt. Ein Meilenstein ist auch die gezielte Gewinnung internationaler Fachkräfte. Aber klar ist auch: Der Fachkräftemangel bleibt eine Daueraufgabe. Wir müssen weiterhin an besseren Arbeitsbedingungen arbeiten, an der Vereinbarkeit von Beruf und Familie - und wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, in dem Pflege mehr Wertschätzung erfährt. In der Fläche, gerade in ländlichen Regionen, stoßen wir zudem oft auf strukturelle Herausforderungen, etwa bei Mobilität oder Fachkräftebindung.

TK: Mit dem Pflegekompetenzgesetz und dem Pflegefachassistenzgesetz sind aktuell zwei Gesetzentwürfe im parlamentarischen Verfahren. Wie bewerten Sie diese Vorhaben?


Müller: Beide Gesetzentwürfe gehen aus meiner Sicht in die richtige Richtung. Mit dem Pflegekompetenzgesetz stärken wir die Eigenverantwortung der Pflegekräfte, was nicht nur ihre berufliche Rolle aufwertet, sondern auch die interprofessionelle Zusammenarbeit verbessern kann. Das Pflegefachassistenzgesetz schafft ein niedrigschwelliges Einstiegsangebot in die Pflege und kann helfen, neue Zielgruppen für den Beruf zu gewinnen. Allerdings haben wir im Saarland bereits ein Pflegefachassistenzgesetz mirt einer 23-monatigen Ausbildung. Hier bleibt der Entwurf des Bundes mit seiner 18-monatigen Ausbildungsdauer zurück. Wichtig wird sein zu beobachten, ob die Verkürzung der Ausbildungsdauer trotzdem noch einen Durchstieg in die Pflegefachkraftausbildung ermöglicht.

TK: Die Digitalisierung kann aus Sicht der TK eine entscheidende Rolle in der Weiterentwicklung der Pflege spielen. Wie schätzen Sie die Möglichkeiten ein?


Müller: Die Digitalisierung bietet uns tatsächlich große Chancen - und wir sollten sie noch viel stärker nutzen. Digitale Anwendungen können den Pflegealltag deutlich erleichtern, etwa bei der Dokumentation, Kommunikation oder Terminplanung. Auch technische Assistenzsysteme im häuslichen Bereich bieten großes Potenzial, um Pflegebedürftige und Angehörige zu unterstützen. Entscheidend ist, dass wir die Digitalisierung praxisnah gestalten - also gemeinsam mit den Pflegekräften - und die technische Infrastruktur entsprechend ausbauen. Und: Wir müssen sicherstellen, dass die Systeme miteinander kompatibel sind und Datenschutz gewährleistet bleibt.

TK: Gerade in der Pflege ist der Krankenstand unter den Beschäftigten besonders hoch. Welche Rolle kann hier ein gutes Betriebliches Gesundheitsmanagement spielen?


Müller: Ein sehr große. Pflegekräfte leisten tagtäglich körperlich und emotional anspruchsvolle Arbeit. Ein gutes Betriebliches Gesundheitsmanagement kann helfen, Überlastung zu vermeiden, die Gesundheit zu stärken und die Arbeitszufriedenheit zu erhöhen. Das fängt bei ergonomischen Arbeitsbedingungen an und reicht bis zu Angeboten zur Stressbewältigung, gesunder Ernährung oder Teamberatung. Für uns im Saarland ist das ein wichtiger Baustein in der Fachkräftesicherung. Gesunde Pflegekräfte sind das Rückgrat unseres Pflegesystems - das dürfen wir nie aus dem Blick verlieren.

Zur Person

Thomas Müller ist studierter Betriebswirt. Der 61-Jährige war zehn Jahre lang Geschäftsführer des Verdi.-Bezirks Region Saar Trier und leitet nun Abteilung G im Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit. Damit ist er für die Bereiche Pflege und Senioren zuständig.