Ob in der Altenpflege oder Kinderbetreuung - die hohe Arbeitslast durch unterbesetzte Teams, die herausfordernden Tätigkeiten und nicht zuletzt die Nachwirkungen der Corona-Pandemie machen den Joballtag der Mitarbeitenden und Führungskräfte zur täglichen Belastungsprobe. "Wer wie viele in der Diakonie auch noch mit vollem Herzblut bei der Sache ist, gerät schnell an seine Grenze", so Seib, der kein Fan von Hierarchien ist und dessen Türe für alle Mitarbeitenden offen steht. "Zu mir kann jeder kommen", sagt er und er besucht auch selbst die Arbeitskreise, in denen seit April 2022 die Konzepte für ein BGM erarbeitet werden. Wichtig ist Seib dabei: Die Inhalte werden nicht von oben vorgegeben, sondern mit den Mitarbeitenden zusammen entwickelt. 

Karl-Heinz Seib

Karl-Heinz Seib, Vorstand der Diakonie Bamberg-Forchheim Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Vorstand der Diakonie Bamberg-Forchheim

Für ein erfolgreiches BGM ist es von Vorteil, wenn es der Vorstand mit voller Kraft unterstützt und es aus einer intrinsischen Motivation der Mitarbeitenden heraus erarbeitet und gelebt wird, so Benjamin Pause, Diplompsychologe und Geschäftsführer vom Institut für Diagnostik, Prävention und psychische Gesundheit. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen begleitet er das auf zwei Jahre angelegte Projekt zur Restrukturierung des BGMs in der Diakonie. Finanziert wird es von der Techniker Krankenkasse.

Inhomogene Alters- und Arbeitsstruktur

"Dies ist kein gewöhnliches BGM-Projekt - schon allein weil die Mitarbeitenden an verschiedenen Standorten über drei Landkreise verteilt, arbeiten. Hinzu kommt eine inhomogene Alters- und Arbeitsstruktur - von Altenpflege, über die Sozialpsychiatrische Arbeit bis hin zur Kinderbetreuung ist hier fast alles dabei, was die Arbeit mit Menschen zu bieten hat", erklärt Pause. "Folglich müssen die Maßnahmen ganz individuell bestimmt werden", ergänzt Seib. 

Benjamin Pause

Benjamin Pause, Diplompsychologe und Geschäftsführer vom Institut für Diagnostik, Prävention und psychische Gesundheit Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Diplompsychologe und Geschäftsführer vom Institut für Diagnostik, Prävention und psychische Gesundheit

Im Zentrum steht die Frage: Wie lässt sich eine gesundheitsfördernde Struktur im Unternehmen etablieren? "Natürlich muss man dafür auch die Schwachstellen identifizieren, aber auch bei diesem Thema hat der Vorstand keine Berührungsängste", sagt Pause. "Er legt den Finger in die Wunde und geht die Probleme an - das ist sehr beeindruckend." Da ist beispielsweise die Kommunikation rund um unangenehme Themen. Führungskräfte sollen dabei unterstützt werden, mit ihren Mitarbeitenden über psychische Belastungen und Suchtprävention zu sprechen. "Das ist nicht einfach, aber gerade in den Berufen, in denen viele ständig an ihrer Belastungsgrenze arbeiten, sind das wichtige Aspekte der Gesundheitsförderung", sagt Pause. 

Veränderungen und Erfolge schaffen

Über die Führungskräfte soll der BGM-Prozess ins gesamte Unternehmen ausstrahlen. In einer anfänglichen Bedarfsanalyse wurden zunächst Ziele erarbeitet, definiert und Angebote abgeleitet. "Wir arbeiten in kleinen Arbeitsgruppen und niemand muss sich in alle Themen einarbeiten - dafür haben die Führungskräfte einfach keine Zeit", so Pause. Zeit ist überhaupt ein limitierender Faktor - sowohl im Arbeitsalltag der Diakonie als auch im Projekt. "Wir wollen schnell Veränderungen und Erfolge schaffen", sagt Pause. Neben kommunikativen Tools, erlernen die Führungskräfte Methoden, mit denen sie sofort organisatorisch arbeiten können. Es braucht weder Schulungen noch externe Moderatoren. 

Methodenkoffer für Führungskräfte

Bei der Aufgabeninventur werden zum Beispiel in der Teamsitzung aktuelle Aufgaben mit den momentan vorhandenen Ressourcen abgeglichen: Welche Aufgaben müssen in der bevorstehenden Zeit verbunden, eliminiert, hinzugefügt oder reduziert werden? Es gibt feste Fragen, die jeder im Team beantwortet. Gemeinsam entsteht in einer halben Stunde der Arbeitsplan für die kommenden Wochen, der von allen akzeptiert wird, weil ihn das gesamte Team erarbeitet hat.

Pause: "Wir geben den Führungskräften einen kleinen Methodenkoffer an die Hand, der explizit für ihren Alltag passt, der praktikable Methoden beinhaltet und eben auch nicht zeitaufwändig ist. Das entlastet." Eine achtsamere Führung soll Führungskräfte und Teams gesundheitlich unterstützen. Dazu zählen: Die eigene Wahrnehmung stärken, sich mit Unterbrechungen kritisch auseinandersetzen, Multitasking-Arbeiten vermeiden und wertschätzende Dreiminuten-Gespräche führen. Jede Veränderung auf der Führungsebene soll so eine gesundheitsfördernde Kultur im gesamten Unternehmen schaffen.   

Auf Authentizität und Nachhaltigkeit setzen

"Das Betriebliche Gesundheitsmanagement ist für mich ein wichtiger Baustein auch hinsichtlich des Fachkräftemangels", erläutert Diakonie-Vorstand Karl-Heinz Seib. "Der Nachwuchs geht zu Arbeitgebern, wo die Stimmung gut ist und sie gute Arbeitsbedingungen vorfinden. Und das heißt auch, das man mit der Zeit gehen und sich an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden orientieren muss. Vorgefertigte Konzepte bringen nichts."

Bereits heute gibt es für Mitarbeitende Gutscheine für Fitnessangebote sowie flexible Arbeitszeiten einschließlich so genannter Mütterschichten, die zulassen, dass Mütter ihre Kinder vor der Arbeit in die Kita bringen können. "Wir arbeiten außerdem gerade an einer App, über die wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter direkt erreichen und auch über Gesundheitsangebote informieren können", verrät Seib. Er setzt bei den Maßnahmen des BGM-Projektes auf Authentizität und Nachhaltigkeit, nur so lassen sich auch langfristig Menschen für den Job in der Diakonie gewinnen, weiß er. Und ergänzt: "Überhaupt ist die soziale Arbeit ein toller Job, den sollte man nicht immer so schlecht reden." Auch davon muss er die rund 1.500 Mitarbeitenden in der Diakonie Bamberg-Forchheim wahrscheinlich nicht überzeugen.