TK: Frau Austenat-Wied, Sie eröffnen die Jahresfachtagung der TK mit einem Impuls zur Gesundheitspolitik bis 2030. Welche drängenden Probleme sehen Sie derzeit im Gesundheitssystem?

Manon Austenat-Wied: Wir müssen ehrlich mit uns selbst sein: Die kommenden Jahre bleiben für das Gesundheitssystem herausfordernd. Wir stehen vor einer doppelten Aufgabe - die Qualität der Versorgung zu sichern und zugleich die Finanzierbarkeit zu gewährleisten. Wenn wir heute nicht gegensteuern, drohen den Beitragszahlenden absehbare Mehrbelastungen, die viele überfordern würden. Deshalb müssen wir weg von immer neuen Kostentreibern und hin zu einer konsequenten Ausgaben- und Kostenreduktion im Gesamtsystem.

TK: Sie sprechen die Kostenfrage an. Wie lässt sich diese aus Ihrer Sicht in den Griff bekommen?

Austenat-Wied: Entscheidend ist, dass wir die Strukturen effizienter gestalten. Noch immer haben wir vielerorts Parallelstrukturen, die sehr viel Geld verschlingen, ohne für die Patientinnen und Patienten einen spürbaren Mehrwert zu bringen. Wir müssen Leistungen dort erbringen, wo sie wirklich benötigt werden und gleichzeitig Doppelvorhaltungen reduzieren. Das bedeutet auch, dass Investitionsentscheidungen transparenter und konsequenter getroffen werden müssen - im Sinne einer klugen Ressourcensteuerung. Nur so können wir gewährleisten, dass die Beitragsgelder tatsächlich in bessere Versorgung und nicht in ineffiziente Strukturen fließen.

Manon Auste­nat-Wied

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Manon Austenat-Wied, Leiterin der TK-Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern

Wir dürfen die Beitragszahlenden nicht überlasten - deshalb brauchen wir verbindliche Ausgabenbegrenzung und mehr Effizienz im Gesamtsystem.

TK: Ein immer wieder genanntes Ziel ist die engere Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung. Warum halten Sie das für so wichtig?

Austenat-Wied: Weil wir an den Bruchstellen zwischen den Versorgungssektoren viel Versorgung und auch viel Vertrauen verlieren. Für Patientinnen und Patienten ist es egal, ob eine Behandlung ambulant, stationär oder sektorenübergreifend erbracht wird - wichtig ist, dass sie verlässlich und rechtzeitig erfolgt. Deshalb müssen wir die Zusammenarbeit fördern, Datenwege vereinfachen und Strukturen stärker miteinander verzahnen. Gerade für Mecklenburg-Vorpommern mit seinen ländlichen Regionen ist es essenziell, niedrigschwelligen Zugang zur Versorgung zu sichern. Das kann bedeuten, dass kleinere Krankenhäuser eine größere Rolle in der ambulanten Grundversorgung übernehmen oder digitale Angebote den Weg zur spezialisierten Versorgung erleichtern. Alles muss sich daran messen lassen, ob die Menschen tatsächlich leichter und schneller die Versorgung erhalten, die sie brauchen.

TK: Neben Finanzierung und Strukturen sprechen Sie auch die Gesundheitsförderung und Prävention an. Welchen Stellenwert hat sie für Sie?

Austenat-Wied: Einen zentralen Stellenwert. Wir dürfen nicht länger primär reagieren, wenn Krankheiten schon da sind. Unser Ziel sollte es sein, Gesundheit so lange wie möglich zu erhalten. Gesundheitsförderung und Prävention müssen in allen Lebensbereichen mitgedacht werden - von der Kita über Schule und Arbeitswelt bis ins hohe Alter. Das bedeutet auch, dass wir Menschen befähigen, eigenverantwortlich mit ihrer Gesundheit umzugehen. Gleichzeitig brauchen wir eine Politik, die gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen schafft. Wenn es gelingt, Prävention konsequent und strukturiert umzusetzen, dann entlasten wir nicht nur das System, sondern gewinnen auch Lebensqualität für die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern.

TK: Wo sehen Sie Mecklenburg-Vorpommern und das Gesundheitssystem des Landes im Jahr 2030?

Austenat-Wied: Im besten Fall haben wir es dann geschafft, die Weichen so zu stellen, dass die Versorgung sowohl finanziell stabil als auch qualitativ hochwertig ist. Dazu gehört, dass wir Ausgaben bewusst steuern, Sektorengrenzen abbauen und Gesundheitsförderung konsequent verankern. Nur so können wir die Vision verwirklichen, dass zukünftige Generationen gesünder älter werden als die Menschen heute. Für dieses Ziel lohnt sich der gemeinsame Einsatz aller Akteurinnen und Akteure.

TK: Vielen Dank für das Interview.