Unter dem Titel "Gesundheitspolitik im #DIALOGinMV" diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Krankenkassen und Gesundheitswesen über die gesundheitspolitischen Weichenstellungen der kommenden Jahre. Wie kann der Zugang zur medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern künftig einfacher, koordinierter und gerechter gestaltet werden - insbesondere in ländlichen Regionen? Um diese Frage drehte sich das Diskussionsforum "Versorgungszugang - insbesondere im ländlichen Raum".

Digital vor ambulant vor stationär

Ein zentrales Diskussionsthema war die Frage, wie ein einfacher, räumlich unabhängiger und koordinierender Versorgungszugang gestaltet werden kann. Künftig soll eine digitale, KI-gestützte Ersteinschätzung von Symptomen und Bedarfen vor allem eines leisten: Patientinnen und Patienten von Beginn an zielgerichtet zu steuern und so die knappen Ressourcen effizient einsetzen. Katy Hoffmeister (CDU) sah darin ein zentrales Instrument zur Optimierung des Gesamtsystems - danach soll gewährleistet werden, dass die Menschen nicht in die falschen Strukturen hineingesteuert werden. Digitale Triage-Systeme können genau dies leisten. Ihre Position unterstreicht die Priorisierung: erst digitale Unterstützung, dann die Haus- oder Facharztpraxis, erst im letzten Schritt die Klinik. Auch Manon Austenat-Wied legte den Akzent auf die Chancen der Digitalisierung: Intelligent verknüpfte Lösungen könnten den Zugang in einem Flächenland, wie Mecklenburg-Vorpommern, erheblich vereinfachen. Wichtig sei, Anwendungen so intuitiv und niedrigschwellig zu gestalten, dass sowohl Patientinnen und Patienten als auch Leistungserbringende profitieren können. Christine Klingohr (SPD) stimmte ihrer Vorrednerin zu und hebte in diesem Zusammenhang hervor, dass der Mensch im Fokus steht und niemand alleine gelassen werden darf. Der digitale Erstzugang müsse begleitet sein von Lotsen und Unterstützungsangeboten - sei es durch Krankenkassen oder Vor-Ort-Strukturen. Nur wenn auch ältere und weniger digital affine Patientengruppen den Zugang nutzen können, werde das System tatsächlich gerecht. Damit knüpft die Diskussion direkt an den 10-Punkte-Plan der TK an, der ein Primärversorgungssystem mit digitaler Ersteinschätzung und zentraler Terminserviceplattform fordert. Ein solches System könne nicht nur Zugänge einfacher machen, sondern zugleich die Effizienz steigern - indem Fehlsteuerungen vermieden und die knappen Ressourcen dorthin geleitet werden, wo sie tatsächlich gebraucht werden.

Strukturveränderung: Bedarfsgerecht und sektorübergreifend denken

Doch digitale Steuerung allein reicht nicht aus, wenn die reale Versorgung vor Ort nicht funktioniert. Deshalb wurde in der Diskussionsrunde intensiv über notwendige Strukturveränderungen gesprochen - insbesondere über die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung und über logistische Verbindungen im ländlichen Raum. Dr. Harald Terpe (Grüne) plädierte dafür, beide Versorgungssektoren enger zu verschränken. Dazu braucht es aus seiner Sicht eine intelligente Weiterentwicklung, weil die Versorgungslückenim zum größten Teil im ländlichen Raum stattfinden. Transportangebote können hier helfen, um Patientinnen und Patienten in die richtigen Strukturen zu bringen. Für Terpe ist die Anpassung der Strukturen an den realen Bedarf der Bevölkerung entscheidend. Manon Austenat-Wied forderte genau solche strukturellen Reformen: eine Stärkung der Notfall- und Rettungsdienste, klare Regeln für die Krankenhausfinanzierung sowie den Abbau ineffektiver Doppelstrukturen. Nur wenn die Strukturen konsequent bedarfsorientiert weiterentwickelt werden, lassen sich gleichzeitig Versorgungslücken schließen und Kosten kontrollieren.Torsten Koplin (Linke) mahnte gleichzeitig, die soziale Dimension nicht aus den Augen zu verlieren. Effizienz dürfe nicht zum alleinigen Maßstab werden - entscheidend sei, die wohnortnahe Versorgung zu erhalten. Gesundheit darf nicht als Ware behandelt werden. Wenn Strukturen verändert werden, muss sichergestellt werden, dass niemand aufgrund von Entfernung, Einkommen oder fehlender digitaler Kompetenz außen vor bleibt.

Kompetenzaufbau: Mehr Gesundheitswissen für die Bevölkerung

Damit ein digitaler Erstzugang funktionieren kann, braucht es nicht nur Technik, sondern auch Wissen und Anwendungskompetenz - sowohl bei den Menschen selbst als auch bei den Leistungserbringenden. Barbara Becker-Hornickel (FDP) machte dies zum Kernpunkt ihrer Argumentation. Digitale Systeme sind ihrer Meinung nach wertlos, wenn die Bürgerinnen und Bürger nicht wissen, wie sie diese nutzen können. Deshalb müsse Mecklenburg-Vorpommern gezielt in die Förderung von Gesundheits- und Digitalkompetenz investieren - durch Informationskampagnen, Aufklärung in Schulen und Fortbildungen für medizinische Fachkräfte. Nur so könne ein niedrigschwelliger Zugang auch tatsächlich niedrigschwellig genutzt werden. Unterstützung erhielt sie von Christine Klingohr (SPD), die ergänzte, dass insbesondere ältere Bevölkerungsschichten in den Blick genommen werden müssten. Hier seien Programme notwendig, die Ängste abbauen und digitale Verfahren erklärbar und erfahrbar machen. Auch hier greifen Versorgungsfragen und Finanzdebatte ineinander: Investitionen in Gesundheitskompetenz verhindern Fehlnutzungen und Überlastungen - ein Kerngedanke im 10-Punkte-Plan . Manon Austenat-Wied stellte klar, dass Krankenkassen eine aktive Rolle im Kompetenzaufbau übernehmen müssen: durch begleitende Angebote, leicht verständliche Anwendungen und die Stärkung der Datensouveränität.
 

Fazit: Versorgung nur mit nachhaltiger Reform

Die Diskussionen auf der Jahresfachtagung unterstrichen, dass Versorgungspolitik nicht losgelöst von der Finanzierungsfrage gedacht werden kann. Schon 2026 droht der GKV ein Defizit von bis zu acht Milliarden Euro. Der Zugang zur medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern - gerade im ländlichen Raum - hängt wesentlich von der finanziellen Tragfähigkeit und der Reformfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ab. Digitale Innovationen und sektorübergreifende Versorgungsstrukturen sind nur dann nachhaltig wirksam, wenn der finanzielle Rahmen durch eine konsequente Ausgabenwende gesichert wird.

TK-Posi­tion: 10-Punkte-Plan gegen stei­gende Kassen­bei­träge

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