TK: Frau Austenat-Wied, die "Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung" adressiert mit ihrem Eckpunktepapier die Themen Krankenhausstrukturen, Krankenhausfinanzierung und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung. Ist ein so umfassender Ansatz aus ihrer Sicht notwendig?

Manon Austenat-Wied: Aus meiner Perspektive ist eine Reform im Krankenhaussektor dringend notwendig. Wenn wir die stationäre Versorgungslandschaft im Land und insbesondere dort vorzufindenden Probleme betrachten, wird dies besonders deutlich. Viele Krankenhäuser klagen über wirtschaftliche Schwierigkeiten, den Fachkräftemangel und ihre sektorale Isolierung im Versorgungssystem. Allein diese drei großen Themenkomplexe brauchen umfassende und gründlich durchdachte Lösungsansätze. Es ist daher wichtig, dass die Reformen bundesweit einheitlich vorgenommen werden, denn die Menschen in Deutschland haben einen Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse. Die Patientinnen und Patienten in Mecklenburg-Vorpommern müssen auch zukünftig Zugang zur gleichen Versorgungsqualität haben, wie im Saarland oder in Bayern. 

TK: Sie haben bereits einige Reformkomponenten angesprochen. Lassen Sie uns dort etwas tiefer einsteigen. Die Expertengruppe hat Vorschläge für eine neu strukturierte Krankenhauslandschaft vorgelegt. Wie passen diese zu den Versorgungsanforderungen in Mecklenburg-Vorpommern? 

Austenat-Wied: Die Neustrukturierung ist sehr sinnvoll. Es soll drei Versorgungsstufen, von Grund- bis Maximalversorgung geben. Die Krankenhausleistungen sollen in 128 Leistungsgruppen eingeteilt werden. Dann soll festgelegt werden, welche dieser Leistungsgruppen eine Klinik entsprechend ihrer Versorgungsstufe abdecken soll. Diese klare qualitätsinduzierte  Staffelung verbessert die Transparenz im System und kann dazu genutzt werden, Qualitätsanforderungen in den einzelnen Leistungsbereichen genauer zu definieren. Damit legt dieser Reformbaustein die Grundlage für eine passgenauere und bessere Versorgung vor Ort. 

Dazu ein praktisches Beispiel. Wenn Patientinnen und Patienten lesen, dass ein Krankenhaus eine Klinik für Innere Medizin hat, hilft ihnen das kaum weiter. Denn dahinter kann sich beispielsweise eine Kardiologie oder Gastroenterologie verbergen und die Spezialisierung des Leistungsangebots ist dadurch auch nicht abschätzbar. Mit den Leistungsgruppen kann die  Vergleichbarkeit und Transparenz stark verbessert werden und damit den Patientinnen und Patienten eine informierte Entscheidung bzgl. ihres Krankenhausaufenthaltes ermöglichen.

TK: Werden die Reformvorschläge auch Auswirkungen auf die Krankenhausplanung in M-V haben?

Austenat-Wied: Die Krankenhausplanung soll nach bundesweit einheitlichen Standards umgesetzt werden, bleibt aber weiter in der Hand der Länder. Die zukünftige Planung soll die einzelnen Standorte und ihre Details umfassen. So können regionale Unterschiede zum Beispiel in der Demografie oder im Behandlungsbedarf individuell in der Planung berücksichtigt werden. Dies wäre ein großer Schritt für einen zukunftssicheren Planungsprozess in Mecklenburg-Vorpommern.

TK: Neben Struktur- und Planungsaspekten geht es bei den Reformvorschlägen auch um die Finanzierung. So sollen Vorhaltekosten eingeführt werden. Wie betrachten Sie diese?

Austenat-Wied: Vorhaltekosten sind grundsätzlich sinnvoll. Sie helfen dabei, für die Versorgung notwendige Strukturen erlösunabhängig zu finanzieren. Wenn zum Beispiel ein Krankenhaus für seinen Versorgungsauftrag teurere Spezialgeräte vorhalten muss, diese aber nicht voll auslasten kann und dennoch die entstehenden Vorhaltekosten ersetzt bekommt, reduziert das die wirtschaftlichen Anreize zu unnötigen Behandlungen und erhöht damit die Versorgungsqualität.

Für Vorhaltekosten muss es essentiell sein, dass sie nur dort gezahlt werden, wo sie wirklich auch bedarfsnotwendige Strukturen sichern. Angebote, die für die Patientenversorgung nicht benötigt werden, dürfen darüber nicht subventioniert werden. Dies wäre unsolidarisch und gegenüber den in Finanzverantwortung stehenden Beitragszahlenden ungerecht. Außerdem muss die Logik dem einfachen Prinzip folgen: Erst neu planen, dann Vorhaltekosten zahlen. Ansonsten werden einfach die gegenwärtig bestehenden Strukturen zementiert. Das kostet unnötig Geld und geht zu Lasten die Versorgungsqualität.

TK: Wie sollen die Vorhaltekosten bezahlt werden?

Austenat-Wied: Der Entwurf sieht vor, dass die Vorhaltekosten aus den bestehenden Diagnosis Related Groups (DRG) ausgegliedert werden und zukünftig über das Bundesamt für Soziale Sicherung verteilt werden. Das würde zu einer eheblichen Abhängigkeit des Gesundheitsbereichs von staatlichen Entscheidungen führen. Das Gesundheitssystem wird aber weitestgehend staatlich unabhängig von den Beitragszahlenden finanziert und von demokratisch gewählten Vertreterinnen und Vertretern selbst verwaltet. Dadurch ist unser System besonders krisenfest. Als im Jahr 2008 die Euro- und Finanzkrise herrschte, konnte die Gesundheitsversorgung eben nicht durch die Bundesregierung bzw. den Finanzminister beschnitten werden. Es gibt außerdem die Möglichkeit, solche Gelder über etablierte Prozesse bereitzustellen. Man könnte analog zu der Verteilung der Pflegebudgets verfahren. Dabei haben die Krankenhäuser auch eine Garantie über eine 100-Prozent-Finanzierung, ohne dass eine staatliche Behörde eingeschaltet ist. Wir schlagen daher vor, die Vorhaltungen über die für Budgetverhandlungen etablierten Klinikrechnungen abzufinanzieren. Dies würde auch der Länderverantwortung gerecht. Denn zahlreiche Krankenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern sind in Länderhand oder haben kommunale Gesellschafter. Somit säßen die planungsverantwortlichen Länder mittelbar auch bei der so wichtigen Finanzierung der Vorhaltekosten mit am Tisch. 

 

Manon Auste­nat-Wied

Manon Austenat-Wied, Leiterin der TK-Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiterin der TK-Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern