Behandlungsfehler in Baden-Württemberg: TK fordert gesetzliche Meldepflicht
Pressemitteilung aus Baden-Württemberg
Stuttgart, 26. Mai 2025. Das falsche Bein operiert oder einen Tupfer vergessen: Immer wieder kommt es zu schwerwiegenden Fehlern bei ärztlichen Behandlungen. Im vergangenen Jahr haben sich 573 Versicherte aus Baden-Württemberg an die Techniker Krankenkasse (TK) gewandt, weil sie einen Behandlungsfehler vermuten. Das entspricht in etwa den Zahlen aus den Vorjahren.
Dabei richteten sich rund drei von zehn Beschwerden im Südwesten gegen eine chirurgische Behandlung (28 Prozent der Verdachtsfälle), gefolgt von der Zahnmedizin/Kieferorthopädie (19 Prozent), der Allgemeinmedizin (10 Prozent) sowie der Geburtshilfe/Gynäkologie und der Inneren Medizin mit jeweils sieben Prozent. Auf Pflegefehler und Orthopädie entfallen je fünf Prozent, auf die Neurologie/Psychiatrie vier Prozent und auf die Augenheilkunde zwei Prozent der Fälle. Die sonstigen Facharztgruppen kommen auf insgesamt 13 Prozent.
Über 1.000 neue Arzthaftungsverfahren pro Jahr
Doch nicht jeder Verdachtsfall ist auch tatsächlich ein Fehler. "Bei jedem dritten Fall erhärtet sich der Verdacht auf einen Behandlungsfehler so sehr, dass wir eine intensive Überprüfung in die Wege leiten", sagt Nadia Mussa, Leiterin der TK-Landesvertretung Baden-Württemberg. "Gleichzeitig rechnen wir bei der Anzahl der Behandlungsfehler mit einer hohen Dunkelziffer." Denn viele Versicherte scheuen die psychischen Belastungen von Arzthaftungsprozessen, die sich oft über mehrere Jahre hinziehen - und die hohen Kosten.
Im vergangenen Jahr sind nach aktuellen Angaben des Ministeriums der Justiz und für Migration insgesamt 1.150 neue Arzthaftungsverfahren an den Amts- und Landgerichten in Baden-Württemberg eröffnet worden. Bei rund 1.000 davon waren gleich die Landgerichte zuständig, weil der Streitwert über 5.000 Euro liegt.
Nötig ist eine offene Fehlerkultur in Medizin und Pflege
"Wenn bei einer Behandlung oder Operation ein Fehler unterläuft, hat das für die Patientinnen und Patienten oft nicht nur gesundheitliche Folgen. Auch die wirtschaftliche Existenz steht auf dem Spiel, da Betroffene in der Folge oft nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen können", betont Nadia Mussa. Aus Sicht der TK-Landesvertretung braucht es in erster Linie eine offene Fehlerkultur in der Medizin und Pflege.
"Dringend geboten ist aber auch eine gesetzliche Meldepflicht von allen medizinischen Einrichtungen, um die systematische Auswertung von Fehlerquellen und auch Verbesserungen zu ermöglichen", so die Leiterin der TK-Landesvertretung. Zudem könnte aus Sicht der TK-Landesvertretung ein Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds Betroffenen schneller und unbürokratischer helfen. "Denn auch die Entschädigungszahlungen durch die Haftpflichtversicherungen lassen oft viele Jahre auf sich warten", erläutert Nadia Mussa.
Unterstützung durch die Krankenkassen
Gesetzlich Versicherte können sich im Verdachtsfall an ihre Krankenkasse wenden. Das hat für sie den Vorteil, dass die Kasse in Vorleistung geht. Entscheidet sich die Krankenkasse für eine Klage, können Versicherte den Ausgang des Gerichtsverfahrens abwarten und anschließend überlegen, ob eine eigene Klage Aussicht auf Erfolg hätte. Weiterhin kann die Kasse auch medizinische Gutachten in Auftrag geben, wenn es Anhaltspunkte für einen finanziellen Schaden der Krankenkasse gibt. Versicherte können diese Gutachten im Fall einer juristischen Auseinandersetzung nutzen.
Die TK bietet Unterstützung durch Medizinrechtsexpertinnen und -experten (Rufnummer 040 460 66 12 140 oder per E-Mail: behandlungsfehler@tk.de), den "
Wegweiser Behandlungsfehler
" und eine
Beratungsbroschüre
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