Im Interview blickt Matthias Scheller auf das vergangene Jahrzehnt und die vielen Projekte in Hamburg zurück, berichtet über die aktuelle Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) am Albertinen Krankenhaus und erzählt, welche Ziele er nun ansteuert. 

TK: Herr Scheller, Sie sind in Hamburg im Jahr 2015 als Vorstandsvorsitzender im Albertinen Diakoniewerk gestartet, und rückblickend reihte sich schnell ein Meilenstein an den anderen. Was waren für Sie persönlich die wichtigsten Projekte?

Matthias Scheller: Wenn man neu in eine Stadt wie Hamburg kommt, muss man sich erst einmal orientieren. Als "Quiddje" ist man gut beraten, erst einmal zuzuhören. Das ist wichtig, um die Leute mitzunehmen. Meine Zeit vor Albertinen als Mitglied des Vorstands der Charité hat mir sicherlich sehr geholfen, in allen Bereichen schnell Fuß zu fassen. Insbesondere im politischen Bereich war das sehr hilfreich.

Zu einem der Meilensteine gehört sicherlich die erfolgreiche Fusion des Albertinen Diakoniewerks in Hamburg mit der Immanuel Diakonie (IAD) in Berlin zur Immanuel Albertinen Diakonie, die wir nach einer kurzen, aber sehr intensiven Vorarbeit im Jahr 2019 vollzogen haben. Als CEO der Immanuel Albertinen Diakonie war ich Teil eines Teams von 8.000 Mitarbeitenden. Mit der IAD haben wir uns gut für die Zukunft aufgestellt und streben an, weiter zu wachsen. Die beiden Fusionsveranstaltungen im Januar 2019 in der Eingangshalle des Albertinen-Krankenhauses mit dem Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Herrn Dr. Tschentscher, und dem zwei Tage später stattgefundenen Fusionsgottesdienst bei den Baptisten Schöneberg in Berlin mit fast 800 Gästen waren in diesem Zusammenhang die Highlights. Es ist zusammengewachsen, was zusammengehört.

Die Bewältigung der Corona-Pandemie war sehr herausfordernd und intensiv. Hier zeigte sich, wie Teamwork geht: Zwischen Politik, Kostenträgern und Krankenhäusern, sehr schnell und unbürokratisch. Das war sehr gut. Ich bin den Mitarbeitenden sehr dankbar für das, was sie gerade in dieser Zeit geleistet haben - und was sie auch heute täglich leisten. Sie sind es, die den guten Ruf unseres Unternehmens täglich neu begründen.

Ferner fallen mir natürlich auch viele Bautätigkeiten ein, so zum Beispiel der Bau des neuen Albertinen Zentrums für Altersmedizin am Albertinen Krankenhaus, in einem schwierigen Umfeld der Baubranche. Die Eröffnungsfeier dieser Einrichtung war auch ein großes Highlight für mich, weil hier erneut die große Teamleistung, die es für ein derartiges "Leuchtturm-Projekt" benötigt, gewürdigt wurde. Zahlreiche weitere Eröffnungen von neuen Einrichtungen in Ost und West habe ich in den zehn Jahren begleiten dürfen, wie hier in Hamburg die neue Albertinen Kindertagesstätte Schnelsen und das Albertinen Hospiz Norderstedt.
Weitere Meilensteine waren sehr erfolgreiche chefärztliche Neuberufungen im Albertinen Krankenhaus wie im Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus, die Stärkung der Pflege sowie die Etablierung eines neuen gemeinsamen Leitbildes für die Immanuel Albertinen Diakonie, die ja einen klaren diakonischen Auftrag hat und daher ihr Profil auch immer wieder schärfen muss. 

Ein persönlicher Meilenstein war zweifelsohne meine Mitgliedschaft beim HSV im Mai 2018, an dem Tag als die Raute in die 2. Bundesliga abstieg, wollte ich trotz meiner langjährigen Mitgliedschaft beim FC Bayern ein Zeichen setzen.

Zurück zum Beruf: Strategisch haben wir uns für die Zukunft gut aufgestellt und dabei auch große Fortschritte bei der Digitalisierung gemacht.

Matthias Scheller

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CEO Immanuel Albertinen Diakonie gGmbH

Gerade für Kliniken, welche sich an der Notfallversorgung beteiligen, bietet die ePA schon in den ersten Ausbaustufen einen deutlichen Mehrwert. Matthias Scheller

TK: Die Einführung der ePA hat in diesem Jahr sicherlich viel Aufmerksamkeit gefordert. Bereits vor dem offiziellen Start hat das Albertinen Krankenhaus Hamburg die ePA pilotiert. Welche Erfahrungen konnten die Beteiligten seither sammeln, und welche Vorteile erhoffen Sie sich von der ePA für die Kliniken und die Pflege?

Scheller: Die Pilotierung der elektronischen Patientenakte, kurz ePA, hat für alle im Albertinen Krankenhaus im Kontext der gematik-Modellregion (TIMO, Telematik-Infrastruktur Modellregion) Hamburg und Umland stattgefunden. Das Albertinen Krankenhaus ist seit dem Start der TIMO Anfang 2023 mit dabei. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren haben wir stets als sehr konstruktiv empfunden. Im Rahmen der TIMO ist es uns nicht nur bei der ePA für alle gelungen, im Vergleich zu anderen Krankenhäusern sehr frühzeitig und mit hoher Durchdringung die verschiedenen Telematik-Infrastruktur-Anwendungen umzusetzen, sei es das eRezept, KIM (Kommunikation im Medizinwesen), den TI-Messenger (Telematik-Infrastruktur-Messenger) und natürlich die ePA. 

Gerade für Kliniken, welche sich an der Notfallversorgung beteiligen, bietet die ePA schon in den ersten Ausbaustufen einen deutlichen Mehrwert: Vormedikation, Vorbefunde, all diese sonst oft nur zeitaufwändig zu erhaltenen Informationen können wir mit wenigen Klicks abrufen. Wir erwarten uns hiervon eine spürbare Verbesserung der Qualität in der Notfallversorgung.

TK: Ein Jahrzehnt ist eine lange und sicherlich sehr intensive Zeit: Fällt Ihnen der Abschied schwer? Wie sehen Ihre Pläne für die Zeit danach aus?  

Scheller: Zehn Jahre sind wirklich eine sehr lange Zeit. Die Zeit war intensiv: eine neue Stadt, ein neues Umfeld, die Fusion, Corona, zahlreiche Bautätigkeiten, die Strategie 2030, Netzwerken uvm. Aber das alles hat mir Spaß gemacht. Doch nun habe ich mich aus freien Stücken dafür entschieden, dass zehn Jahre genug sind - bislang war ich in keinem Unternehmen so lange tätig.

Einerseits fällt der Abschied nicht leicht, wenn man so lange mit voller Kraft und viel Herzblut für dieses großartige Unternehmen tätig war. Sicherlich werde ich auch einiges vermissen, insbesondere die vielen wunderbaren Menschen, mit denen ich so lange zusammenarbeiten durfte. Ich habe immer sehr gerne gearbeitet, mir war nie langweilig, ich konnte gestalten.
Andererseits fällt der Abschied aber in Anbetracht dessen leicht, dass ich die IAD in einem sehr gut aufgestellten Zustand verlasse. Meine Konzerngeschäftsführungskollegen Andreas Mende und Dr. Thorsten Minuth machen einen ausgezeichneten Job, und auch unsere Führungskräfte sind hochmotiviert, kompetent und diakonisch unterwegs. Das wirtschaftliche Ergebnis ist gegen den Trend positiv. 

Ich habe für meine Zeit nach "Immanuel Albertinen" keine ganz konkreten Pläne und möchte auch erst einmal tief durchatmen und den Luxus von viel freier Zeit gemeinsam mit meiner Familie genießen. Und ich werde meinen Leidenschaften für das Segeln, Musik (Bassposaune) und Fußball intensiver nachgehen können.  Mal sehen, was sich so alles ergibt. Vielleicht bleibe ich in der Branche, oder ich mache etwas ganz Neues. Vielleicht werde ich auch irgendwann unruhig. Und noch etwas: Wenn der HSV anfragen sollte, stehe ich bereit, entweder als "6er" wie früher in meiner Berliner Fußballzeit oder auch an anderer Position - wer weiß das schon!