Die 17. Nationale Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft (NBK) 2022 fand am 16. und 17. Juni 2022 in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock statt. Unter dem Motto "#Gesundheit2022: Global. Regional. Individuell."  diskutierten Expertinnen und Experten aus ganz Europa über nationale und internationale Entwicklungsmöglichkeiten für die Gesundheitsbranche.

TK: Frau Austenat-Wied, sind sie zufrieden mit dem Verlauf der Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft?

Manon Austenat-Wied: Die Branchenkonferenz ist für uns als TK in Mecklenburg-Vorpommern immer ein Highlight. Neben unseren aktiven Beiträgen im Rahmen des Konferenzprogramms, nutzen wir die Veranstaltung auch, um mit wichtigen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern über neue Ideen und mögliche gemeinsame Initiativen zu diskutieren. In den vergangenen Jahren haben unzählige Versorgungsinnovationen, Projekte und Initiativen ihren Anfang auf der Branchenkonferenz genommen. Gleichzeitig bietet die NBK auch die Möglichkeit, um unsere Versorgungsansätze den Koryphäen der Versorgungsforschung vorzustellen. Das konstruktive Feedback der Expertinnen und Experten zu unseren Ideen ist natürlich besonders wichtig, um bedarfsgerechte Lösungen für unsere Versicherten in Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln.

Mit Blick auf die Erkenntnisse der vergangenen Konferenz bin ich hochgradig zufrieden. In den unterschiedlichsten Formaten wurden praktikable Lösungsansätze diskutiert. So befindet wir uns gemeinsam mit den Vertreterinnen und Vertretern der Ärzteschaft in konstruktiven Gesprächen, um flächendeckend neue Versorgungslösungen für den ländlichen Raum auf den Weg zu bringen. Gleiches gilt beispielsweise auch für die Krankenhausgesellschaft in M-V. Insgesamt war das Klima der Zusammenarbeit im Gesundheitswesen noch nie so gut wie gegenwärtig. Daher bin ich optimistisch, dass wir die anstehenden Herausforderungen meistern können. 

TK: Sie sprachen von anstehenden Herausforderungen. An welche denken sie dabei konkret?

Austenat-Wied: Die größte Herausforderung der kommenden Jahre wird sicher die zügige Digitalisierung unserer Branche sein. Wir sind in den vergangenen zwanzig Jahren zu wenig vorangekommen und haben Technologieinnovationen nur rudimentär in den Versorgungsalltag integriert. Hier müssen wir als Gesundheitsbranche dringend schneller werden. Nur so können wir den anstehenden demografischen Wandel meistern und gleichzeitig das Versorgungssystem zeitgemäß gestalten. 

Das Kernelement der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist die elektronische Patientenakte (ePA). Damit die ePA sich flächendeckend durchsetzt, muss sie eine vollständige Übersicht der Patientendaten beinhalten. Daher ist es wichtig, dass möglichst alle Leistungserbringenden an die Telematikinfrastruktur und damit die ePA angeschlossen sind. Die Zugriffsrechte und Nutzungsmöglichkeiten der ePA-Daten sollten von den Versicherten geregelt werden. Außerdem muss der Zugang (Stichwort: Authentifizierung) zur ePA  erleichtert werden. 

TK: Neben der Digitalisierung dürfte auch die Wahrung der finanziellen Stabilität des Gesundheitssystems herausfordernd werden.

Austenat-Wied:  Schätzungen des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkasse zufolge wird 2023 eine Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro in der Gesetzlichen Krankenversicherung vorliegen. Arzneimittel sind ein Bereich, in dem die Kosten sehr stark ansteigen - im Jahr 2021 sind die GKV-Ausgaben in diesem Bereich im Vergleich zum Vorjahr bundesweit um 7,8 Prozent auf 46,7 Milliarden Euro gestiegen. Besonders die Preise der patentgeschützten Arzneimittel treiben die Ausgaben. Zwar ist nur etwas mehr als jedes zehnte eingesetzte Präparat patentgeschützt,  aber mehr als die Hälfte der Gesamtausgaben entfallen auf die Gruppe dieser Medikamente.

Wir benötigen dringend Maßnahmen, um die Kostenlast zu reduzieren und vor allem zu fairen Arzneimittelpreisen zu kommen. Das Ziel muss deshalb sein, die Preisfindung für neue, patentgeschützte Arzneimittel anzupassen. Eine weitere wichtige Maßnahme, die kurzfristig umsetzbar ist, ist die Senkung der Mehrwertsteuer. Es ist unverständlich, dass der ermäßigte Satz von sieben Prozent für Grundnahrungsmittel, Blumen oder kulturelle Leistungen gilt, für Medikamente aber nicht. 

TK: Könnten finanzielle Entlastungen auch auf struktureller Ebene ansetzen?

Austenat-Wied: In einigen ländlichen Regionen unseres Bundeslandes wird die ambulant-ärztliche Versorgung schwierig. Die jungen Medizinerinnen und Mediziner zieht es vor allem in die Städte und Ballungsgebiete. Landärztinnen und Landärzte finden häufig keinen Nachfolger bzw. keine Nachfolgerin mehr. Gerade für kleinere Krankenhäuser in ländlichen Regionen ist dies eine Chance. Sie können als weiterentwickelte regionale Gesundheitszentren stärker ambulant tätig werden und ein wichtiger Knotenpunkt in regionalen Versorgungsnetzwerken werden. Diese Zentren könnten dann die 24/7-Akut- und Notfallversorgung in Kooperation mit dem Rettungsdienst sicherstellen und gleichzeitig die ambulante Regelversorgung sowie die kurzstationäre Grundversorgung in den Bereichen Chirurgie und Innere Medizin sichern. Der große Vorteil dieser sanften Zentralisierung ist, dass damit auch die immer knapper werdenden Personalressourcen geschont werden. Zentrale Orte der Leistungserbringung benötigen weniger Personal als viele ähnlich ausgerichtete und parallel existierende Versorgungseinrichtungen. Mit einer telemedizinischen Anbindung an die großen Maximalversorgung kann zudem eine spezialisierte fachliche Expertise regional verfügbar gemacht werden.  

Manon Auste­nat-Wied

Manon Austenat-Wied, Leiterin der TK-Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiterin der TK-Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern