#Chefinsache zur Bundestagswahl 2025
Artikel aus Mecklenburg-Vorpommern
Im Interview erläutert TK-Landeschefin Manon Austenat-Wied, welche gesundheitspolitischen Auswirkungen die Bundestagswahl 2025 haben sollte.

Die Bundestagswahl 2025 steht kurz bevor. Wir haben mit Manon Austenat-Wied über aktuelle Herausforderungen und gesundheitspolitische Gestaltungsmöglichkeiten gesprochen.
TK: Frau Austenat-Wied, die Bundestagswahl wird in wenigen Tagen stattfinden. Wie ist ihr Blick auf das politische Ereignis?
Manon Austenat-Wied: Aus meiner Sicht ist es eine der spannendsten Wahlen der vergangenen Jahrzehnte. Die Dynamik der Wahlumfragen und die internationalen Geschehnisse sind nur einige der Faktoren, die die politische Situation so spannend machen. Dazu gehört auch, dass sämtliche bürokratischen Abläufe unsrer hochentwickelten Demokratie vor der Wahl im Eiltempo realisiert werden mussten. So wurden Wahlprogramme zügig fertiggestellt, Kanzlerkandidatinnen und Kanzlerkandidaten gekürt und Wahlhelfer:innen an Bord geholt. Alles in allem wurden viele komplexe Abläufe in kürzester Zeit zu einem Prozess zusammengefügt, was mir zeigt, wenn Land muss, dann funktioniert es, wie eine gut geölte Maschine. Ein zuverlässiger Schiffsdiesel, der die alte Dame "Demokratie" sicher durch stürmische Gewässer manövriert. Da wir schon bei den Gleichnissen der Seefahrt sind, so wünsche ich mir, dass wir uns einmal mehr als gute verlässliche Seemannschaft verstehen und gemeinsam diszipliniert und professionell die unruhigen Gewässer passieren und die Segel so setzen, dass der eingeschlagene Kurs in einen sicheren Hafen führt und wir uns auf die Lösung der komplexe Herausforderungen zum Erhalt und der Verbesserung der Versorgungssicherheit konzentrieren. Wir müssen wieder dahin kommen, tragfähige Lösungen interessegruppenübergreifend und transparent diskutieren und miteinander vereinbart zu bekommen. Das ist es, was eine lebendige Demokratie ausmacht und sich bis auf die Ebenen der Selbstverwaltung, in denen wir uns bewegen, auswirkt
TK: Hat es denn für die Versorgung Auswirkungen, wer demnächst die Bundesregierung stellt?
Austenat-Wied: Die gesundheitspolitischen Pläne und Zielsetzungen sind gegenwärtig so unterschiedlich, wie der jeweilige Differenzierungsgrad. Aus der Momentaufnahme heraus, ist es schwierig Vorhersagen zu treffen. Sicher kann ich jedoch sagen, dass wir als TK, da wo es an versorgungspolitischer Erfahrung fehlen sollte, mit unserer Kompetenz als mitgliederstärkste und innovative Krankenkasse Deutschlands als Partner unterstützen,. Dies gilt insbesondere, wenn es darum geht, Versorgungsprozesse zeitgemäß zu verändern und im Sinne der Versicherten zu verbessern.
Angesichts der immensen Bedeutung der Gesundheitspolitik für das Gemeinwohl sollten parteipolitische Differenzen zurückgestellt werden. Stattdessen sollte gemeinsam mit der Selbstverwaltung nach den besten Lösungsansätzen gesucht werden.
TK: Dies ist ein frommer Wunsch.
Austenat-Wied: Ich glaube, dass es im Gesundheitswesen und in der Gesundheitspolitik weitestgehend einen Zielkonsens gibt. Wie Politik und dann vor allem die Akteurinnen und Akteure der Selbstverwaltung diese Ziele erreichen, ist allerdings noch nicht geeint. Gleichzeitig verfügen Parteien nur über eine begrenzte Anzahl an Personen mit gesundheitspolitischer Expertise und einem begrenzten Zeitkontingent. Daher legen sie ihre Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Themen und vielfach eben auf Aspekte, die sie aus ihrer berufspraktischen Erfahrung kennen. Es braucht schon einen erheblichen Reflexionsgrad und Abstraktionsvermögen, um diesen persönlichen Bias zu umgehen. Was mir aber an dieser Stelle wichtig ist und dies nicht nur aus Kassenperspektive, sondern auch als Wählerin: Es ist wichtig, dass wir bei der gesundheitspolitischen Entscheidungsbildung möglichst umfassende Lagebilder berücksichtigen und die zu erwartenden Folgen auf das dynamische Gesamtsystem beachten.
Dieser Ansatz wird uns sicher auch in der Landespolitik voranbringen. Die Herausforderungen im Gesundheitssystem sind mittlerweile so umfassend, dass Klientelpolitik und Einzelmaßnahmen die Situation in anderen Bereichen das System verschlechtern. Daher wäre es wünschenswert, wenn wir vor der Landtagswahl im kommenden Jahr den parteienübergreifenden Pfad in der Gesundheitspolitik wieder aufnehmen.
TK: Lassen Sie uns den Blick auf die Bundespolitik halten. Gibt es aus Ihrer Sicht Themen, die von der nächsten Bundesregierung unbedingt angegangen werden sollten?
Austenat-Wied: Die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung müssen kurzfristig stabilisiert und langfristig gesichert werden. Daher braucht es dringend ein Sofortprogramm zur Ausgabenbegrenzung. Damit einhergehen sollten stärkere wettbewerbliche Elemente. Für mehr Effizienz braucht das Gesundheitswesen mehr statt weniger Wettbewerb. Als Krankenkasse brauchen wir wieder mehr Handlungsspielraum für wirtschaftliches Handeln. Wir bemötigen wirksame Instrumente, um unsere Versicherten im Sinne des Solidarprinzips gut und wirtschaftlich zu versorgen. Sie müssen auf Augenhöhe verhandeln und Angebote vergleichen können. Besonders kritisch sind außerdem die aktuellen Einschränkungen bei der Prüfung von Krankenhausrechnungen und die starren Vertragsbedingungen für Hilfsmittel.
TK: Halten Sie es für realistisch, dass die zukünftige Bundesregierung diese Politikfelder bedienen kann?
Austenat-Wied: Maßnahmen sind zwingend notwendig. Aber wahrscheinlich ist es aus politischer Sicht ertragreicher Geld auszugeben, als welches einzusparen. Allerdings bekommen die Beitragszahlerinnen und Arbeitgeber mit ihrer Gehaltsabrechnung die Quittung für eine derartig freigiebige Politik. Professor Fleßa von der Universität Greifswald hat es vor Jahren einmal schön beschrieben. Er argumentierte, dass ein beträchtlicher Anteil der politischen Aufmerksamkeit und der finanziellen Mittel in die Ruhigstellung von Partikularinteressen fließt. Dies ist ein gefährlicher Weg, denn er vergisst die "regulären" 95 Prozent der Versorgungsbedarfe. Wir brauchen eine Politik, die die Gesamtauswirkungen auf das Gesundheitssystem in den Blick nimmt. Welche Maßnahmen die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus unserer Sicht ergreifen müssen, damit das Gesundheitswesen langfristig finanziell stabil und leistungsfähig ist, haben wir in unserer Position zur Bundestagswahl zusammengestellt.
TK: Mit Blick auf die bevorstehenden Neuwahlen: Wer könnte Ihrer Meinung nach das Amt des Bundesgesundheitsministers oder der Bundesgesundheitsministerin übernehmen?
Austenat-Wied: Ich konzentriere mich weniger auf das "Wer". Wenn Sie mich so direkt fragen, dann interessieren mich eher, das, "Was" und das "Wie". Was ist die gesundheitspolitische Strategie und werden wir mit unseren Empfehlungen für leistungsfähige Strukturen in der Versorgung gehört. In jedem Falle stehen wir als beratende Partner:innen bereit.
TK: Vielen Dank für das Interview