Zur Sache: Klimaschutz ist Gesundheitsschutz
Interview aus Hamburg
Das Gesundheitswesen steht beim Thema Nachhaltigkeit vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits werden bei dem Betrieb von medizinischen Einrichtungen wie Arztpraxen und Kliniken sowie bei der Erbringung von medizinischen Leistungen klimaschädliche Treibhausgase ausgestoßen. Andererseits ist das System auch selbst betroffen, da beispielsweise zunehmende Hitzeperioden unmittelbar die Gesundheit vor allem vulnerabler Gruppen beeinflussen.
Neben Hitze werden auch weitere Auswirkungen auf die Gesundheit und die Gesellschaft durch Umweltveränderungen und -krisen verstärkt: Dazu zählen beispielsweise die Zunahmen von Infektionskrankheiten, mentaler Belastung und Migrationsbewegungen. Was die Techniker Krankenkasse (TK) konkret beim Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz umsetzt und wie beides noch stärker im Versorgungsalltag ankommen kann, erklärt Dr. Sarah Windolph-Lübben, Nachhaltigkeitsmanagerin der TK.
TK: Das Nachhaltigkeitsmanagement der TK hat sich vier strategische Ziele gesetzt: Die TK soll vor dem Jahr 2030 CO2-neutral werden, sie setzt auf Nachhaltigkeit in der Lieferkette, möchte Nachhaltigkeit in Gesundheitswesen und Gesellschaft fördern und ein gesundes, faires und diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld schaffen. Was setzt die TK derzeit schon um, um diese Ziele zu erreichen?
Dr. Sarah Windolph-Lübben: Wir arbeiten vor allem daran, Nachhaltigkeit in Prozesse zu integrieren - wir wollen uns nicht auf einzelnen "Vorzeigeprojekten" auszuruhen. Daher legen wir jährliche Ziele mit den Geschäftsbereichen fest, um zum Beispiel Energie und Papier zu sparen, die TK’ler:innen noch stärker für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren oder das Thema in Verträge und Projekte in der Versorgung zu integrieren. Dafür sprechen wir auch mit anderen Kassen und Gesundheitsakteuren - denn auch als größte Krankenkasse können wir vieles nur gemeinsam erreichen. Durch die Teilnahme an Initiativen wie der Klimakampagne der Handelskammer Hamburg wollen wir die Relevanz des Themas auch nach außen unterstreichen. Das alles und mehr zeigt auch unser Nachhaltigkeitsbericht , den wir 2024 erstmals veröffentlicht haben und derzeit aktualisieren.
Dr. Sarah Elena Windolph-Lübben
Nachhaltigkeit, Klimaschutz und -anpassung tragen dazu bei, Auswirkungen und Folgekosten für das Gesundheitssystem zu mindern und seine Resilienz und Zukunftsfähigkeit zu stärken. Das braucht es aktuell mehr denn je!
TK: Warum ist Nachhaltigkeit in der Versorgung wichtig?
Dr. Windolph-Lübben: Die ökologischen Auswirkungen des Gesundheitswesens werden häufig unterschätzt, dabei stößt es mit rund sechs Prozent der Emissionen Deutschlands mehr CO2 aus als der Flugverkehr. Natürlich brauchen wir Gesundheitsversorgung, das steht nicht zur Diskussion - aber es geht "besser", indem die ökologische Dimension von Nachhaltigkeit bei der Erbringung von Gesundheitsleistungen berücksichtigt wird. Das zu tun liegt in unserem eigenen Interesse: Nachhaltigkeit, Klimaschutz und -anpassung tragen dazu bei, Auswirkungen und Folgekosten für das Gesundheitssystem zu mindern und seine Resilienz und Zukunftsfähigkeit zu stärken. Das braucht es aktuell mehr denn je!
TK: Was setzt die TK konkret um, damit Nachhaltigkeit in Gesundheitswesen und Gesellschaft ankommt? Was ist noch geplant?
Dr. Windolph-Lübben: Um den Bedarf nach Gesundheitsleistungen zu reduzieren, müssen Gesundheitskompetenz, Gesundheitsförderung und Prävention einen größeren Stellenwert erhalten. Zum Beispiel wird Prävention durch personalisierte Empfehlungen auf Basis individueller Gesundheitsdaten attraktiver. Um ressourcenschonend zielgenau zu versorgen, sind zudem Über- und Fehlversorgung zu vermeiden. Auch hier zeigt sich die Relevanz der Nutzung von Gesundheitsdaten und von digitalen TK-Angeboten wie Videosprechstunden. Um aktiv eine nachhaltige Versorgung zu stärken, hat die TK außerdem ein
Siegel für Arztpraxen
mitentwickelt, gibt eine
Impuls-Reihe
für Krankenhäuser heraus und bietet den Versicherten Infos rund um Themen wie
Hitze
. Auch in Selektivverträgen haben wir erste Anreize und Klauseln zu Nachhaltigkeit aufgenommen und möchten dies ausweiten. Hier motivieren wir für ein "Hand-in-Hand-Gehen" mit anderen Akteuren - und
fordern in Richtung Politik
, in Regelungen konsequent darauf zu achten, dass auch die ökologische Dimension von Nachhaltigkeit bei der Leistungserbringung berücksichtigt wird! Wir freuen uns, dass unser Engagement auch Anerkennung findet und die TK bereits zum zweiten Mal in Folge Finalist beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis ist.