Alle Jahre wieder… Nein, Weihnachten ist noch lange nicht in Sicht, aber dieses Motto passt ebenfalls zu einem ganz anderen Thema. Auch 2024 erwartet die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein Milliardendefizit und wieder werden nach Plänen der Politik die Beitragszahlenden zur Kasse gebeten. Bis Ende Mai 2023 musste das Bundesgesundheitsministerium Empfehlungen für eine stabile und zukunftssichere Finanzierung der GKV vorlegen. Das Ergebnis ist noch nicht öffentlich bekannt, aber Lauterbach hat bereits erkennen lassen, dass es wieder auf eine Beitragserhöhung hinauslaufen wird. Die Belastung für die Versicherten und deren Arbeitgeber steigt also weiter.

Problem versicherungsfremde Leistungen

Dabei gibt es andere Möglichkeiten, die Situation dauerhaft zu entschärfen. Eine große Stellschraube sind etwa die versicherungsfremden Leistungen der Krankenkassen. Hier sind vor allem die Beiträge der Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger zu nennen. Würden diese auskömmlich vom Staat finanziert werden, würde das die GKV jährlich um etwa 10 Milliarden Euro entlasten. Das war im Koalitionsvertrag auch vorgesehen. Allerdings macht das Bundesfinanzministerium aktuell strenge Sparvorgaben, sodass keine Mehrausgaben möglich sind.

Stefan Groh

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Leiter der TK-Landesvertretung Saarland

Eine weitere sinnvolle Maßnahme zur Optimierung der GKV-Einnahmen ist die Dynamisierung des Bundeszuschusses. Auch diese steht im Koalitionsvertrag, beschlossen ist sie aber noch nicht. Das muss sich ändern. Aus TK-Sicht ist es sinnvoll, hierbei die Veränderungsrate der GKV-Leistungsausgaben des Vorjahres als Faktor zur Anpassung zu nutzen.

Ausgaben steigen seit Jahren

Großen Anteil an der aktuellen Situation hat aber auch die Entwicklung der Ausgaben. Seit Jahren steigen diese, ohne dass das Leistungsangebot spürbar ausgeweitet wird. Daher braucht es für eine wirkungsvolle Stabilisierung der GKV-Finanzen auch Maßnahmen, die die Ausgabenseite adressieren. Eine schnell wirksame Maßnahme wäre etwa die Einführung des reduzierten Umsetzsteuersatzes von sieben Prozent auf Arzneimittel. Es ist unverständlich, dass dieser schon für Tierarzneimittel gilt, nicht aber für die Humanmedizin. Dies würde zu Einsparungen von bis zu sechs Milliarden Euro pro Jahr führen. Das ist im Bereich Arzneimittel aber nicht die einzige Baustelle finanzieller Art. Die Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen - GKV-weit haben sie sich von 2018 bis 2022 fast verdoppelt auf nun 28 Milliarden Euro. Dabei ist nicht transparent, auf welcher Grundlage die extrem hohen Preise für neue Medikamente zustande kommen. Damit diese Medikamente für die Versichertengemeinschaft in Zukunft bezahlbar bleiben, muss bei der Preisfindung etwas passieren und das AMNOG weiterentwickelt werden. Wie die Industrie es schafft, den Patentschutz möglichst lange zu erhalten, hat die TK im neuen Report "Arzneimittel-Fokus - Pillen, Preise und Patente" erläutert.

Prüfquoten müssen erhöht werden

In der Finanzdiskussion gibt es aber zwei weitere wichtige Themen: Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Beide sind für die GKV als Solidargemeinschaft elementar. Daher müssen die Krankenkassen Handlungsspielräume wiedererhalten, die zur Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots notwendig sind. Dazu zählen zum Beispiel erhöhte Prüfquoten für Krankenhausabrechnungen. Durch die aktuell geltenden Quoten werden viele nicht ordnungsgemäß erstellte Rechnungen zu Lasten der Solidargemeinschaft abgerechnet. Um dem entgegenzuwirken, sollte die Staffelung mindestens auf 10, 15, und 20 Prozent erhöht werden. Es ist davon auszugehen, dass ein höherer Anteil von Prüfungen auch zu höheren Korrekturbeträgen führt. Man sollte daher erst diese Potenziale heben, bevor man wieder die Beitragszahlenden zur Kasse bittet.

Ein Instrument, das beim Thema GKV-Finanzen immer wieder genannt wird, ist aus meiner Sicht nicht für eine dauerhafte Entspannung geeignet: die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze. Zwar würde sich die Einnahmesituation kurzfristig verbessern. Demgegenüber steht aber die sehr reale Gefahr, dass Gutverdienende dann vermehrt in die Private Krankenversicherung wechseln würden. Dann hätte man durch diesen Schachzug mehr verloren als gewonnen.

Dauerhafte Lösung notwendig

Primär sollte die Politik auf eine dauerhafte Lösung in diesem Problemfeld hinarbeiten. Der Reflex, sich bei den Beitragszahlenden zu bedienen - entweder durch Beitragserhöhungen oder das Abschmelzen der Krankenkassenreserven - muss künftig unterbunden werden. Sonst sind bei den Kassen keine Rücklagen mehr da, um auf mögliche Krisen reagieren zu können. Außerdem ist dieses Vorgehen weder gerecht noch nachhaltig. Es wird Zeit, dass hier ein Umdenken einsetzt.